Stelter strategisch

Wohlstand schaffen, statt nur verteilen

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Sozialstaat reformieren, Altlasten bereinigen


• Loslösung des Sozialstaats von der abhängigen Beschäftigung: Die Unternehmen sollten in Zukunft keine Sozialbeiträge mehr leisten, sondern diese ausschließlich von den Arbeitnehmern getragen werden. Wirtschaftlich ist das heute schon der Fall, weil die Unternehmen einen Teil des Gehalts, statt ihn an die Mitarbeiter auszuzahlen direkt abführen. Bei der Umstellung zahlen die Unternehmen dieses Geld direkt an die Arbeitnehmer aus. Zugleich sollten Sozialabgaben auf alle Einkommensarten erhoben werden, quasi als eine Sozialsteuer. Dies ist in anderen Ländern wie beispielsweise Kanada schon länger der Fall. Aus Steuermitteln wären dann keine Sozialleistungen oder Zuschüsse für Renten- und Krankenkassen zu leisten. Allen Bürgern wäre in jedem Monat klar, welchen Teil ihres Einkommens sie für soziale Solidarität aufwenden, was den Druck zur Effizienzsteigerung im Transfersystem deutlich erhöhen dürfte.


• Letztlich werden wir nicht darum herumkommen, dass Rentensystem zu reformieren. Und zwar endlich so, dass es der demografischen Entwicklung Rechnung trägt, mit dem Ziel, die Lasten für die jüngere Generation zu begrenzen und die Erwerbsbeteiligung von Älteren zu erhöhen. Wohl keiner Rentnergeneration ist es in Deutschland so gut gegangen wie der heutigen. Nur 3,1 Prozent der Rentner beziehen Grundsicherung, verglichen mit einem Anteil von zehn Prozent bei den unter 65-Jährigen. Die Einkommen der über 55-Jährigen sind zwischen 1990 und 2014 deutlich stärker gestiegen als die aller anderen Einkommensgruppen und immer mehr Rentner beziehen ein Einkommen über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Wirklich armutsgefährdet sind dagegen die jungen Jahrgänge, die weniger verdienen, weniger Festanstellungen haben und damit auch weniger Rentenansprüche erwerben.

Altlasten bereinigen

Letztlich muss sich eine künftige Regierung auch den Altlasten stellen. Zum einen bedarf es einer Strategie, um wirksam die erheblichen Folgekosten der Zuwanderung unqualifizierter Menschen in den letzten Jahren zu begrenzen. Hier geht es um Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und zur Reduktion der Sozialkosten. Auch hier geht die österreichische Regierung interessante Wege, in dem sie die Höhe der Sozialleistungen an das erfolgreiche Erlernen der deutschen Sprache knüpft. Angesichts der geringen Erfolgsquote von Sprachkursen bei uns, liegt hierin unzweifelhaft ein wichtiger Schlüssel zur Erhöhung der Chancen für eine erfolgreiche Integration.

Ebenfalls bereinigen müssen wir die Folgekosten der verschleppten Eurokrise. Nicht nur die Target-2-Forderungen der Bundesbank sind gefährdet, weitere erhebliche Kosten drohen mit einem Wiederaufflammen der Eurokrise und dem keineswegs gebannten Risiko eines ungeordneten Zerfalls der Eurozone. Die Eurozone leidet unter einer zu hohen Verschuldung von Staaten und Privaten und unter einer unüberbrückbaren Kluft in der Wettbewerbsfähigkeit der Teilnehmerländer. Jede Lösung der Krise setzt deshalb zwingend eine Bereinigung der faulen Schulden – was zwangsläufig auch entsprechende Verluste für die Gläubiger bedeutet - und eine Neuordnung der Mitgliedsländer voraus. Hier müsste die deutsche Regierung einen Beitrag leisten, der auch die Bereitschaft beinhaltet, Schuldenrestrukturierungen mitzutragen.

Habeck statt Merz

Bei meinen Vorschlägen gebe ich mich keinen Illusionen hin. Jeder Leser wird einige gute Dinge darin erblicken und einige Aspekte, die gar nicht zusagen. Womit wir auch beim Kern des Problems sind. Ein wirklicher Wandel im Land setzt derart fundamentale Reformen voraus, dass man sie nicht entlang der bestehenden Konfliktlinien im Parteiensystem durchsetzen kann. Deshalb ist es höchst unwahrscheinlich, dass es zu tiefgreifenden Reformen kommen wird. Selbst dann, wenn Friedrich Merz morgen die Mehrheit der Delegierten für sich gewinnen sollte.

Vermutlich kommt die Wahl für Merz ein Jahr zu früh. Zu sehr beherrscht die Illusion vom reichen Land noch die öffentliche Wahrnehmung. Annegret Kramp-Karrenbauer passt perfekt in diese Illusion und steht damit für die Fortsetzung eines vermeintlich erfolgreichen Kurses für Land und Partei. Spiegelbild einer gesellschaftlichen Stimmung, die zu dem Szenario passt, dass wir uns auch einen grünen Kanzler leisten könnten. Für mich der Höhe- und wohl auch Endpunkt einer völligen Selbstüberschätzung.

Wenn die Konjunktur kippt und die Illusion platzt, ist Merz endgültig Geschichte. Die letzte Chance wäre vertan. Noch gibt es etwas Hoffnung. Und die stirbt bekanntlich zuletzt.

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