Im übrigen ist Demokratie nicht alles, ein bisschen Rechtsstaat gehört schon dazu, man möchte sich schließlich weder von einer Minderheit noch von einer Mehrheit unterdrücken lassen. Es hat seinen Sinn, wenn der liberale Konstitutionalismus dem Wählerwillen Grenzen setzt und es wäre bedenklich, wenn, wie Karl-Peter Schwarz in der FAZ analysiert, sich ein radikaler Demokratismus durchsetzte, der rechtsstaatliche Kollateralschäden in Kauf nimmt.
Es geht allerdings nicht an, sich für „Basisdemokratie“ nur dann stark zu machen, wenn sie einen in den Kram passt. Wahrscheinlich würde mit der Stimmengewalt der Städter in Deutschland Glyphosat schlankweg verboten, ob es gefährlich ist oder nicht und egal, ob die Alternative womöglich schädlicher wäre. Ähnliches gilt für Atomkraft: kaum ein überzeugter Teilhaber am deutschen Nationalsport namens German Angst ließe sich wohl davon überzeugen, dass die Technologie sich längst weiterentwickelt hat und moderne Atomkraftwerke weder allzu viel Abfall erzeugen noch ein zweites Hiroshima auslösen könnten und dass sie im übrigen weit weniger umweltschädlich sind als die landschaftsverschandelnden Spargel, die vor allem eines erreicht haben: dass Energie immer teurer wird. Doch wenn es um die Regierungspolitik unter Kanzlerin Merkel geht, ist des Volkes Willkommensapplaus mittlerweile kaum noch zu hören.
Auf das Volk und seine Stimme ist also kein Verlass. Als gefährlich gilt es vor allem, wenn Mehrheiten zu befürchten sind, die den Parteien nicht in den Kram passen. Insofern ist wohl kaum zu erwarten, dass sie die Bundespräsidentenwahl in Österreich als Lehre annehmen. Denn dass der Kandidat, der nicht dem Mehrheitswillen der Mainstreamparteien entspricht, also Norbert Hofer von der FPÖ, die rechtspopulistisch zu nennen in Deutschland schon zu den höflicheren Beschimpfungen gehört, um die 50 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, zeigt vor allem eines mehr als deutlich: in Österreich ebenso wie hier bei uns hat eine große Zahl der Bürger die Nase wohl vom einlullenden Singsang der Konsensparteien. Die Wahl ist das Menetekel an der Wand.
Doch die Warnung kam schon für König Belsazar zu spät, dem die Schrift einst verkündete, dass die Tage seiner Herrschaft gezählt seien.