
Warum ist links, „wo das Herz schlägt“, also warm und gut, liberal hingegen kühl, „verkopft“ und irgendwie unmenschlich? Das kommt einem beim Blick in die Geschichte nicht nur unlogisch, sondern geradezu herzlos vor.
Sozialistische Experimente in der Sowjetunion, in China, in Korea oder Kambodscha haben Millionen an Menschenopfern gekostet, und immer noch gilt die „Idee“ als irgendwie richtig, auch wenn die Ausführung zu wünschen übrig ließ? Und was ist „warm“ am Marxismus, an diesem grauen hochaufgetürmten Theoriegebäude, das nur mit erheblichem Abstraktionsvermögen, aber gewiss nicht mit menschlicher Wärme zu erfassen ist? Was ist „fortschrittlich“ an einem linken Dogmatismus, der keinen abweichenden Gedanken zulässt?
Und warum müssen Liberale sich das Prädikat „mitfühlend“ zulegen – weil es ihnen niemand glaubt, wenn sie es nicht extra erwähnen? Ja, den Liberalen fehlen die „Pathosformeln“ (Rainer Hank) – positiv formuliert: sie werfen nicht mit Nebelkerzen.
Der olle Spruch „Wer mit 20 nicht links war, hat kein Herz, wer es mit 30 immer noch ist, keinen Verstand“, erklärt zwar nicht die vielen linken Terrorgreise der Geschichte, aber er löst womöglich einen Teil des Rätsels: idealistische Jugend möchte Gerechtigkeit. Ich wollte das als Dreizehnjährige auch und fand es herzlos, dass mein Vater, Landgerichtsrat liberaler Prägung, mich mit dem Satz abspeisen wollte: „Gerechtigkeit gibt es nicht, höchstens ein Urteil nach Recht und Gesetz.“
Als Bärbel Bohley nach der „Wende“ enttäuscht rief, sie habe Gerechtigkeit erwartet, aber den Rechtsstaat bekommen, konnte ich darüber längst lächeln und „glücklicherweise“ sagen.
Was die Menschen vom Kapitalismus halten
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 16 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 75 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 8 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 6 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 47 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 43 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 5 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 59 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 29 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 5 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 56 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 29 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 13 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 57 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 19 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 25 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 53 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 13 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 11 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 58 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 18 Prozent
Kapitalismus funktioniert gut und würde durch Regulation nur geschwächt: 12 Prozent
Kapitalismus hat Probleme, die mit mehr Regulation behoben werden könnten: 44 Prozent
Kapitalismus ist am Ende, ein neues Wirtschaftssystem muss her: 23 Prozent
Doch seit der Wiedervereinigung geht es in Deutschland nicht liberaler zu, im Gegenteil: seit Angela Merkel die Wahl gegen Gerhard Schröder 2005 nur knapp gewann, wird Politik im Wohlfühlmodus betrieben. Denn was war die Bazooka, mit der Gerhard Schröder die Kanzlerin beinahe geschlagen hätte? Sie nannte sich „Projekt Wärmestrom“, ihre Projektile hießen Solidarität, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, die dem „kalten“ Marktliberalismus, den Angela Merkel damals noch pflegte, entgegengeschleudert wurden.
Das hat sich die Kanzlerin gemerkt – und das haben wir nun davon. Oben moralisierende Symbolpolitik, unten die Müllhalde gescheiterter Großprojekte zum Wohle der Menschheit (der Frauen, der Umwelt, des Globus). Und dafür schlägt das Herz? Der Kopf schüttelt sich.





Gerecht, solidarisch, menschlich und gut
Der erzliberale Buchautor und "FAZ"-Redakteur Rainer Hank hat über das Phänomen „Links, wo das Herz schlägt“, ein Buch geschrieben, und wer sich bislang als Konvertit zum Liberalismus allein gefühlt hat, darf sich beruhigt zurücklehnen: auch Hank war mal einer von denen, die er heute zu seinen Feinden zählt – ein Linker, so ein bisschen nach Herz-Jesu-Art, als ehemaliger Ministrant. Und als gelernter Theologe geht er mit dem eigenen und dem Irrtum anderer durchaus liebevoll um, hier wird nicht mit Renegatenfuror scharf abgerechnet und polemisiert.
Nein, es ist viel schlimmer. Hank möchte dem linken Mainstream sein Liebstes wegnehmen: den Glauben, links sei gerecht, solidarisch, menschlich und gut. Denn der Liberalismus ist in seiner Geschichte nicht nur mit entschieden weniger Menschenopfern ausgekommen, er verfügt auch über die besseren Lösungen für die Frage aller Fragen: wie können wir dafür sorgen, dass es sowohl gerecht als auch frei zugeht im Zusammenleben?