Stephans Spitzen

Deutschlands neues Männer-Problem

Cora Stephan Politikwissenschaftlerin

Die Täter von Köln haben Körper und Seele hunderter Frauen auf schreckliche Art attackiert. Noch schrecklicher: Es ging ihnen nicht um die Frauen, sondern um deutsche Männer. Sollten die sich wehren, droht erst recht Chaos. Eine Kolumne.

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Teilnehmer eine Demonstration

Liebe Männer aus Deutschland, es geht um euch. Ob groß, ob klein, ob Gläubige oder Atheisten, ob schwul oder metrosexuell, Vater, Bruder oder Ehemann: ihr seid gemeint.

Nicht etwa, weil ihr alle „potentielle Vergewaltiger“ seid. Potentiell ist man ja alles Mögliche. Und nein, auch nicht, weil ihr auf dem Oktoberfest üblicherweise kollektiv sexuelle Straftaten begeht. Lasst euch von den wenigen Frauen nicht verunsichern, die bemüht sind, die Ereignisse der Silvesternacht in Köln zu relativieren und es dabei auffallend an Mitgefühl für die angegriffenen Frauen fehlen lassen. Was junge Männer, offenbar mehrheitlich stimuliert von einer „giftigen Mischung aus nordafrikanisch-arabischer Kultur und Religion“, nicht nur in Köln getrieben haben, hat mit „alltäglichem Sexismus“, jenem Generalverdacht gegen Männer schlechthin, wenig bis nichts zu tun.

Es ging dem Mob dort um Macht und Verachtung. Opfer sind nicht nur die misshandelten Frauen. Sie waren Mittel zum Zweck. Opfer seid auch ihr Männer.

Denn die Frauenverachtung, die sich in der Silvesternacht massenhaft manifestierte, zeigt sich gerade darin, dass Frauen nicht das wahre Objekt der Übergriffigen waren. So viel Einsatz sind sie in den Augen vieler Angreifer ja gar nicht wert.

Hintergründe zu den Übergriffen in Köln

Der Angriff richtete sich vielmehr, ganz gemäß einer arabisch-islamischen Kulturalisierung, gegen die „Ehre“ jener Männer, die es nicht fertig gebracht haben, ihre Mütter, Schwestern, Frauen zu schützen. Angefangen von der (ja noch immer überwiegend männlichen) Polizei, die ihre Schutzfunktion nicht ausübte, bis zu den nächtlichen Begleitern, die, hätten sie sich gegen die Übermacht zur Wehr gesetzt, im Zweifelsfall zu Märtyrern ihres Rittertums geworden wären.

Das ist die wahre Herausforderung nach Köln: Ist unsere Vorstellung vom modernen, vom moderaten Mann einem so archaisch auftretenden Männlichkeitsideal überhaupt gewachsen?

Notabene: Alles, was hier und woanders gesagt und geschrieben wird, steht unter dem Vorbehalt, dass immer noch nicht alle Fakten zu den Ereignissen der Silvesternacht bekannt und verbürgt sind. Mir fällt es im Übrigen zugegebenermaßen schwer, bei diesem Thema die Distanz zu wahren und nicht emotional zu werden. Seit ich aus dem Elternhaus aus- und nach Frankfurt am Main gezogen bin, habe ich mir die Freiheit genommen, jederzeit und unbegleitet die ganze Stadt zu durchqueren. Das ging nicht immer, doch so gut wie immer ohne Zwischenfälle ab. Schon deshalb kenne ich den Unterschied zwischen einem gewalttätigen Angriff und einer verbalen Anmache, die man nicht stets, aber meistens mit Selbstbewusstsein parieren kann. Was in dieser Silvesternacht geschehen ist, hat eine andere Dimension.

Politische Konsequenzen nach Kölner Übergriffen

Es ist nämlich in dieser Nacht offenbar geworden, was man spätestens ahnen konnte, als die Bundeskanzlerin Deutschlands aller Welt erklärte, dass die Grenzen des Landes nicht geschützt, seine Souveränität nicht garantiert werden könnten. Zu uns kommen derzeit eben nicht ganz überwiegend Frauen und Kinder, sondern ganz überwiegend in vollem Saft stehende alleinstehende junge Männer.

Dies offen anzusprechen, hat nichts mit einem „Generalverdacht“ zu tun, weder gegen muslimische, noch gegen junge Männer generell. Es geht vielmehr darum, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, in denen sich das alles abspielt.

Neuer Explosionsstoff

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen hatten Gesellschaften ein Problem mit ihren „überschüssigen“ jungen Männern, mit den jüngeren Söhnen, die keine Machtposition in der Familie einnehmen konnten, die nicht heiraten und keinen eigenen Hausstand gründen durften, die beim Klerus keine Sinekure bekamen, kurz: die keine Bindung, keine Beschäftigung, keinen Platz fanden. Genau das trifft heute auf eine Vielzahl der männlichen Einwanderer zu.

All dies, ihre schiere Masse, ihre zahlenmäßige Relation zu Frauen und insbesondere zu den einheimischen Männern bedeutet Explosionsstoff. Bezogen auf die gesamte Bevölkerungszahl mag die millionenfache Einwanderung noch kein Problem sein. Bezogen auf die Alterskohorte der um die Zwanzigjährigen ist sie das jetzt schon, und bezogen auf das Verhältnis zwischen jungen Männern und jungen Frauen ist sie desaströs.

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Der griechische Premierminister Alexis Tsipras während einer Parlamentsdebatte Quelle: REUTERS
Frankfurter Skyline Quelle: dpa

Unbeschäftigte junge Männer in Konkurrenz um knappe Güter wie Frauen und Arbeitsplätze sind kein angenehmes Szenario. Es dürfte nicht lange dauern, bis die feministisch gut erzogenen Männer hierzulande in der Minderheit sind.

Was tun? Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Rieker hat mit ihrem Rat, junge Frauen sollten sich um mindestens eine Armlänge Abstand bemühen, Empörung ausgelöst. Tatsächlich dürfte der Rat in einer Menschenmenge schwer zu befolgen sein. Recht aber hat Reker, wenn sie Frauen empfiehlt, nicht jedem Fremden gleich um den Hals zu fallen. Sie möge es weitersagen – all den Willkommensfreudigen und vor allem Kanzlerin Angela Merkel.

Und sonst? Ich glaube nicht an all das Gerede über notwendige neue, idealerweise härterer Gesetze. Die Gesetze sind da, sogar in wünschenswerter Härte, man müsste sich nur an sie halten. Die Grenzen zu sichern, wäre ein erster Schritt. Außerdem – und ich sage das nicht gerne, denn ich habe die Abrüstung im öffentlichen Raum immer für einen Fortschritt gehalten -  heißt das Gewaltmonopol des Staates zu garantieren auch, in mehr Polizeipräsenz zu investieren.

Sollten sich nämlich stattdessen die einheimischen Männer rüsten, das zu tun, wozu sie der Silvestermob feixend aufforderte - „ihre“ Frauen zu schützen - , so werden sie Schiffbruch erleiden. Oder wir erleben in Deutschland, was ich mir kaum ausmalen mag, wieder Straßenkämpfe.

Es stimmt natürlich: „Die“ Ausländer sind nicht das Problem, sie gehören nicht unter „Generalverdacht“ gestellt. Ebenso wenig ist aber bereits ein „Fremdenhasser“, wer Schlüsse aus der Vielzahl von Konflikten mit Männern aus der patriarchalisch-islamisch geprägten Kultur zieht - und dazu gehört, dass ihre Vorstellung von „Männlichkeit“ mit unserer nur schwer kompatibel ist.

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