Stephans Spitzen

Gegen staatlich finanzierte Schnüffelei im Netz

Cora Stephan Politikwissenschaftlerin

... schon bist du ein Verfassungsfeind. Justizminister Heiko Maas lässt in den sozialen Netzwerken nach „rechten Hetzern“ fahnden. Warum das in einer freien Gesellschaft nicht geht.

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Justizminister Heiko Maas lässt sich

Eigentlich mag ich das ja, wenn man mir zu denken gibt. Von unserem Justizminister Heiko Maas allerdings möchte ich mir lieber gar nichts geben lassen. Er ist der falsche Mann auf einem für den Rechtsfrieden nicht ganz unwichtigen Posten.

Nach einem bundesweiten Einsatz der Ermittlungsbehörden, in dem nach den Urhebern von „Hasskriminalität im Netz“ gefahndet wurde, worunter die „Verherrlichung des Nationalsozialismus sowie der Austausch von fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen als rechtsextremistisch zu beurteilenden Inhalten und Kommentierungen“ zu verstehen sei, ließ er sein Ministerium verlauten: „Das entschlossene Vorgehen der Ermittlungsbehörden sollte jedem zu denken geben, bevor er bei Facebook in die Tasten haut.“ Denn: „Der bundesweite Einsatztag dient auch der Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger beim Umgang mit rechtsgerichteten Äußerungen in sozialen Netzwerken.“ Für alle, die es immer noch nicht verstanden haben, assistiert der „Spiegel“: „Die offensiv kommunizierten Razzien sind ein Warnschuss, eine Art erzieherische Maßnahme mit verschärften Mitteln.“

Nun geht es bei einer Durchsuchung nicht um Sensibilisierung und schon gar nicht um Erziehung, sondern um das Sichern von Beweismitteln, belastende und entlastende. Sie ist auch nicht als Strafe gedacht, die überlässt man hierzulande normalerweise dem rechtsstaatlichen Procedere. Ein Justizminister müsste das eigentlich wissen.

In diesen Bundesländern sind Facebook und Co. besonders beliebt
Hamburg Quelle: dpa
Schloss in Stuttgart Quelle: dpa
Mainz Quelle: dpa
Neues Rathaus in Hannover Quelle: dpa
Brandenburger Tor in Berlin Quelle: dpa
Saarschleife Quelle: dpa/dpaweb
München Quelle: dpa

Doch es geht ja „gegen rechts“, und da sagen selbst normalerweise abgeklärte Menschen schon mal „Dankeschön, liebe Antifa“. Deren Hasspropaganda mitsamt den entsprechenden Aktionen lockt keinen GroKo-Minister hinter dem Schreibtisch hervor, auch wenn sie sich gegen staatliche Organe wie die Polizei richtet: „Es soll angeblich 123 verletzte Schweine geben“, bilanzieren die Brandbeschleuniger von der Berliner Rigastraße. „Mögen es beim nächsten Mal 234 verletzte Schweine sein!" Und: „Einen solchen Gewaltausbruch der Schweine haben wir so in den letzten Jahren in Berlin nicht erlebt. In dem Moment haben wir uns wirklich Heckenschützen auf den Dächern gewünscht, welche uns vor dem Gewaltausbruch der Schweine hätten retten können.“ Ja, wenn die Jungs doch nur stattdessen in die Tasten gehauen hätten! Dann hätte man sie längst am Schlafittchen!

Ganz nebenbei: Gilt im Ministerium der Antisemitismus als eine biodeutsche Spezialität im rechten Lager? Bekanntlich wird er auch im muslimischen Dunstkreis gepflegt. Doch das zu behaupten gälte wahrscheinlich als fremdenfeindlich, also lieber nicht dran rühren. Der Feind steht nunmal „rechts“. Wenn man ihn dort nicht in ausreichendem Ausmaß vorfindet, hat man eben nicht intensiv genug nach ihm gesucht.

Wer falsch wählt, wird von beleidigten Meinungsführern gerne als minderbemittelt und verhockt abgestempelt. Vielleicht sollte sich manch einer mal an die eigenen Prinzipien von früher erinnern.
von Cora Stephan

Das soll sich nun ändern. In den sozialen Netzen gehen erfahrene Kader auf die Jagd, um den Gegner  zu entlarven, zu überführen, zu „stellen“. Die einschlägig qualifizierte Amadeu-Antonio-Stiftung unter Anetta Kahane gibt in einer vom Familienministerium geförderten Broschüre Tipps, wie man sie entdeckt, die rassistischen Hetzer, die sich hinter bürgerlicher Fassade verstecken. Die Grundannahme dabei: „dass sich die Hetze zwangsläufig in reale Gewalt gegen Menschen übersetzt“ – klar: niemand soll sich hinter Meinungsfreiheit verstecken dürfen. Wer es sagt, der tut es schon.

Für Ungeübte in „Entlarven“ und „Stellen“ wird klargestellt, woran man rassistische Hetze erkennt: etwa, wenn von „wir“ und „die“ gesprochen wird oder wenn „abwertende Bezeichnungen wie Wirtschaftsflüchtling“ benutzt werden. Rassistische Hetze tarne sich oft auch als Satire. Ganz schlimm seien überdies „rechtsextreme, weibliche Nutzerinnen, die über Themen wie Kindererziehung, Familie und Sexualitätsvorstellungen sprechen und andere Frauen so in rechte bis rechtsextreme Strukturen bringen.“

Klar! Wer über solche Themen auch nur spricht, vertritt ein reaktionäres Frauenbild und muss gemeldet werden.

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