Stephans Spitzen

Der Staat muss Zeichen setzen, die jeder versteht

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Polizisten als Schießbudenfiguren

Auf Menschen aber, die dort, wo sie herkommen, Gewalt als Normalzustand erleben, die keine rechtsstaatlichen Strukturen kennen oder gar einen Staat, vor dem sie Respekt haben können, wirkt die hiesige Polizei offenbar wie eine Ansammlung von Schießbudenfiguren, auf die man fröhlich draufhalten kann, sie dürfen sich ja nicht wehren. Der Rechtsstaat? Ein Papiertiger. Im besten Fall bietet er ein langatmiges Procedere an, das man sich nutzbar machen kann, etwa, um eine Abschiebung so lange wie möglich hinauszuzögern.

Für einige ist das, was wir zu schätzen gelernt haben, die Errungenschaften einer zivilen Gesellschaft nämlich, ein Zeichen für Verweichlichung und Dekadenz. Die Silvesternacht in Köln hat das in aller Fülle demonstriert.

Unter Honecker wäre das nicht passiert. Unter Erdogan auch nicht.

Angesichts der Terrorbedrohung sollen deutsche Soldaten die Polizei im Notfall entlasten. Das ist durchaus sinnvoll. Die strikte Ablehnung der SPD ist verlogen.
von Ferdinand Knauß

Nun ist die deutsche Polizei im Ernstfall mitnichten schäfchenweich. Und doch tritt sie öffentlich anders auf als noch vor zwei, drei Jahrzehnten. Bei den in der Studentenbewegung und deren radikalisierten Nachfolgesekten sozialisierten Grünen stand jahrelang die Abschaffung des „Gewaltmonopols des Staates“ im Programm – ein Missverständnis, das sich gewiss auch der Erinnerung an die Prügelexzesse der „Bullen“ etwa beim Besuch des persischen Schahs 1967 in Berlin verdankt. Eines der Opfer: der Student Benno Ohnesorg, offenkundig anlasslos in den Hinterkopf geschossen von einem Kriminalobermeister namens Karl-Heinz Kurras.

Der entpuppte sich später als Mitglied der SED und inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ob er einen Auftrag erhalten hatte, etwas zu tun, was zur Eskalation beitragen und die „BRD“ als Polizeistaat erscheinen lassen würde, bleibt Spekulation. Doch es würde passen. Die radikalen Studenten dürften vielen Politikern als „5. Kolonne“ der DDR erschienen sein, dem Gegner jenseits der Mauer, von dem man wusste, dass er sich mit großer Energie in die inneren Angelegenheiten Westdeutschlands einmischte, dass er im Westen nicht nur inoffizielle Mitarbeiter, sondern auch jede Menge Mitläufer anwarb und Desinformationskampagnen betrieb, die keineswegs wirkungslos blieben. Dazu gehörte, den westdeutschen Staat als von Altnazis betriebenes Gewaltregime hinzustellen.

Es ist bekannt, dass die SED nicht nur mit Geld und guten Worten in die Studentenbewegung und nicht zuletzt in die Terrorsekten RAF und Bewegung 2. Juni hineinwirkte. Doch die wenigsten, die damals eher unpolitisch mitdemonstrierten und die sich nun einem offenbar unverhältnismäßig tobenden „Bullenstaat“ gegenüber sahen, vermochten Verständnis dafür zu entwickeln, dass man in ihnen den politischen Gegner niederknüppelte. Der Flurschaden, den das „Durchgreifen“ der Obrigkeit bewirkte, war anhaltend und enorm.

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