
Nordrhein-Westfalen hat Datensätze zu verdächtigen Guthaben mit einem Volumen von rund 101 Milliarden Schweizer Franken an 27 Staaten weitergegeben. Die Daten stammten aus der Auswertung von Steuer-CDs sowie den daraus folgenden Razzien und Verfahren, sagte Finanzminister Norbert Walter-Borjans am Donnerstag in Düsseldorf. Sie bezögen sich auf Konten in der Schweiz - und hätten nichts mit den jüngsten Enthüllungen um Briefkastenfirmen in Panama zu tun.
Die Dimension des Steuerbetrugs sei riesig, betonte der Minister: "Wir haben es mit einer regelrechten Hinterziehungsindustrie zu tun." Es sei daher nur konsequent, die Daten auch anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Deutsche Banken seien bei diesen NRW-Datensätzen nicht im Spiel, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters.
Nordrhein-Westfalen hatte in der Vergangenheit elf CDs mit Insider-Informationen über Steuerhinterzieher gekauft. Wie die Datenträger zeigten, hatten zahlreiche Steuersünder Gelder bei Schweizer Banken versteckt. Rund 22.000 von ihnen zeigten sich selbst an, allein in Nordrhein-Westfalen fielen in Folge der Datenkäufe über fünfeinhalb Jahre Mehreinnahmen des Fiskus von rund 2,1 Milliarden Euro an.n NRW sei "Schrittmacher" beim Aufdecken von Steuerhinterziehung, sagte der SPD-Politiker.





Doch die Steuerfahnder stießen nicht nur auf Informationen zu deutschen Firmen und Bürgern, die ihr Geld am Fiskus vorbeigeschleust hatten. Unter anderem dem klammen Griechenland hatte die NRW-Finanzverwaltung bereits mehr als 10.000 Datensätze zur Verfolgung von Steuerhinterziehung zur Verfügung gestellt.
Die Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen habe in der vergangenen Woche Datensätze an mehr als zwanzig Staaten zur Prüfung und Verfolgung von Steuerhinterziehung zur Verfügung gestellt, sagte der Minister. "Wenn Steuerhinterzieher sich internationaler Kanäle bedienen, müssen die Steuerfahndungen ebenfalls grenzüberschreitend zusammenarbeiten."
Die Daten enthielten große Anlagesummen aus anderen Ländern - allein aus Großbritannien seien es über zehn Milliarden Franken gewesen, aus Spanien 9,5 Milliarden Franken. Insgesamt umfasst die Liste ein Anlagevolumen von 101,574 Milliarden Franken - das entspricht rund 93 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundestag hatte im November den Bundeshaushalt 2016 mit Ausgaben in Höhe von 316,9 Milliarden Euro beschlossen.
Bei der Auswertungen der CDs sei auch die umstrittene Anwaltskanzlei Mossack Fonseca aufgetaucht, die im Mittelpunkt eines Skandals um Briefkastenfirmen in Panama steht. Die Daten zu den 100 Milliarden Franken hätten damit aber nichts zu tun - diese stünden im Zusammenhang mit der Schweiz.
Der Skandal um Briefkastenfirmen habe in NRW bislang nicht zu einem Anstieg der Selbstanzeigen geführt, sagte Walter-Borjans. Es dauere in der Regel rund sechs Wochen, bis die ersten Steuersünder sich nach Berichten über neue Steuerhinterziehungen bei den Behörden meldeten. Insgesamt habe der Betrug eine Dimension, dass die öffentlichen Haushalte ohne ihn "ganz andere Möglichkeiten hätten". Der Fall Mossack Fonseca in Panama sei kein Unikat, sagte Walter-Borjans: "Wir haben bislang nur an einem Tentakel der Krake geschnippelt."
Walter-Borjans will aber auch noch einen Schritt weitergehen. Banken müssten härter bestraft werden, wenn sie ihren Kunden helfen, den Fiskus zu umgehen. "Es muss klar sein, dass diejenigen, die sich geschäftsmäßig an diesem Werk beteiligen, um ihre Lizenz bangen müssen", hatte er erst am Mittwoch in einer aktuellen Stunde des Bundestages gefordert.