Steuerbetrug Warum Deutschland ein Eldorado für chinesische Onlinehändler ist

Quelle: ddp images

Der E-Commerce-Experte Mark Steier schlägt Alarm: Obwohl der Fiskus Steuer-Verweigerer ins Visier nimmt, gibt es immer noch viel zu viele Schlupflöcher.

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Mehr als 20.000 chinesische Onlinehändler vertreiben ihre Waren in Deutschland. Das Problem bisher: Umsatzsteuer zahlten sie in der Vergangenheit lieber nicht. Seit die Behörden Plattformen wie Amazon oder Ebay in Haftung für Steuersünder genommen haben, melden immer mehr Chinesen dem deutschen Fiskus ihre Umsätze. Eigentlich gut, könnte man meinen. Doch E-Commerce-Experte Mark Steier sieht noch viele ungelöste Probleme. Bis 2012 war er selbst Onlinehändler und vertrieb Autoteile auf Ebay.

WirtschaftsWoche: Herr Steier, wie viele chinesische Onlinehändler gibt es in Deutschland?
Mark Steier: Aktuelle Stichproben lassen den Schluss zu, dass sich die Anzahl der chinesischen Händler noch einmal deutlich erhöht hat. Nach konservativen Schätzungen würde ich eine Zahl von mehr als 20.000 als realistisch ansehen.

Wie viele arbeiten davon illegal?
Nur eine geringe Anzahl der Händler arbeitet legal. Zwar sind sie ordentlich umsatzsteuerlich registriert, jedoch mehren sich Berichte, dass die Umsatzsteueranmeldungen sehr unvollständig sind.

Welche Tricks gibt es für die Chinesen, um dem Fiskus zu entgehen?
Da die zuständigen Finanzämter für Drittland-Händler immer noch mit zu wenig personellen Ressourcen ausgestattet sind, werden die gemeldeten Umsätze kaum geprüft beziehungsweise nachvollzogen. Es gibt ein paar wenige Dienstleister, die die Anmeldungen für chinesische Händler übernehmen. Mir liegen Informationen vor, dass die Händler deutlich zu geringe Umsätze melden.

Was muss sich ändern?
Mit ursächlich für den nach wie vor stattfindenden Betrug und den unfairen Handel sind die geringen personellen Ausstattungen der zuständigen Behörden wie Zoll und Finanzämter. Hier müssen dringend Ressourcen bereitgestellt werden, damit Betrügereien auch wirksam identifiziert und verfolgt werden können. Darüber hinaus ist aber auch zu beachten, dass Drittlandhändler ihren unfairen Vorteil ja nicht nur aus der hinterzogenen Umsatzsteuer ziehen. Sie vernachlässigen und unterlassen oft notwendige Belehrungen, Registrierungen oder missachten – wegen mangelndem Druck – die zu befolgenden Produktsicherheitsgesetze. Sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene wartet dort noch ein ganzer Berg an Hausaufgaben, die es zu machen gilt.

Wie sehen Plattformen wie Amazon das Thema?
Gerade die großen Plattformen erfüllen alle gesetzlichen Obliegenheiten, so dass sie aus der Haftung sind. Da die Plattformen selbst ein hohes Interesse an einem internationalen Warenfluss haben, unterstützen sie nicht die Wünsche des deutschen und europäischen Onlinehandels nach Fairness. Im Gegenteil, sie behindern eher den fairen Wettbewerb.

Welche Wünsche blockieren die Plattformen denn?
Konkret wurde seitens einiger Händlergruppen und Verbände bereits der Wunsch geäußert, dass Drittlandhändler ein gültiges Impressum oder aber notwendige Registrierungen im Anmeldeprozess zu hinterlegen haben. Das wurde bisher von keiner Plattform umgesetzt. Auch wurde zum Beispiel gegenüber Ebay bereits mehrmals angeregt, dass die sogenannten Tages- beziehungsweise Wow-Deals auf Rechtskonformität geprüft werden. Auch das ist nicht umgesetzt worden.

Und wie sollte ein fairer Wettbewerb aussehen?
Dem Grunde nach dreht sich alles um die Rechtsverfolgung. Während europäische Händler sehr leicht für Verstöße haftbar gemacht werden können, ist das bei Drittlandhändlern nahezu unmöglich. Das bedeutet also, dass es wichtig wäre, dass eine wirksame Verfolgung der Drittlandhändler möglich gemacht werden muss. Das kann zum einen durch eine Ausweitung der Plattformhaftung aber auch durch Aufstockung der Ressourcen bei den Vollzugsbehörden passieren. Hier darf sich keine Partei aus der Verantwortung stehlen. Um es noch einmal deutlich darzustellen: Der wettbewerbliche Vorteil der Drittlandhändler liegt – trotz der Änderungen im Umsatzsteuerrecht – noch immer bei konservativen 30 bis 40 Prozent! Zu beachten ist auch, dass das maßgeblich kleine und mittlere Onlinehändler betrifft. Große Hersteller und Marken können viel durch ihre Einkaufsmacht kompensieren, diese Möglichkeit steht dem KMU-Handel jedoch nicht zur Verfügung.

Mehr zum Thema: Es ist ein beachtlicher Erfolg für den deutschen Fiskus: Chinesische Händler, die im Onlinehandel zuhauf Steuern hinterzogen, führen nun plötzlich Millionen ab. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass der Kampf gegen die Internetkriminalität erst begonnen hat.

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