Wer einen anderen durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu einer Vermögensverfügung, beispielsweise zu einer Geldzahlung, veranlasst, der wird als Räuber bestraft. Handeln mehrere Täter gemeinsam und überwinden sie Widerstand mit bereitgehaltenen Vorkehrungen, begehen sie einen schweren Raub.
Auch Steuern werden bekanntermaßen unter der Androhung erhoben, dass der Steuerpflichtige im Falle der Nichtzahlung einer Gefängnisstrafe entgegenzusehen hat. In der Literatur wird deswegen bisweilen die Auffassung vertreten, Steuereintreibung erfülle, je nach dem Einzelfall, den äußeren Tatbestand entweder des Raubes oder aber der räuberischen Erpressung.
Tatsächlich unterscheidet nur ein einziges normatives Tatbestandsmerkmal Raub und räuberische Erpressung einerseits von Steuerbeitreibung andererseits: Räuber ist nur derjenige, der die Zahlung mit Unrecht erwirkt. Da Steuerzahlungen nach Maßgabe der Steuergesetze jedoch als rechtmäßig bewirkt gelten, sind Finanzämter keine organisierten Räuberbanden.
Diese erstaunliche Nähe zwischen gewöhnlichem Steueralltag hier und schwerem Verbrechen dort gibt Anlass, sich mit dem einschlägigen Differenzierungskriterium namens „Recht“ eingehender zu befassen. Ein Staat, der es in der Hand hätte, jedwede bürgerliche Steuerpflicht durch Inkraftsetzung eines einschlägigen Steuergesetzes zu „Recht“ in diesem Sinne zu machen, könnte seine Bediensteten erkennbar vollends von aller strafrechtlichen Verantwortung als potentielle Räuber freistellen. Wäre nämlich jedes Steuergesetz zugleich auch immer Recht, könnte der Staat nie unrechtmäßig Steuern erheben.
Nicht ohne Grund aber unterscheiden Juristen zwischen Gesetz und Recht. Gesetze können durchaus unrechtmäßig sein. Mit anderen Worten: Recht entsteht nicht zwangsläufig dort, wo staatliche Organe in einem vorgesehenen Verfahren formal ordnungsgemäß ein Gesetz erlassen. Ob ein Gesetz wirklich auch rechtens ist, bedarf gesonderter Prüfung, worauf übrigens nicht zuletzt auch Papst Benedikt XVI. bei seiner Rede im Deutschen Bundestag, Augustinus zitierend, hinwies.
Ethisches Minimum
Die Frage nach dem Recht ist jenseits der reinen Formrichtigkeit des Gesetzgebungsverfahrens immer auch eine Frage nach der ethisch-moralischen Akzeptanz der angeordneten Regel innerhalb einer Rechtsgemeinschaft. Unterschiedliche Wertvorstellungen verschiedener Gesellschaften bilden je eigene Moralkodizes aus. Zu unserer mitteleuropäischen Moral gehört es, den Besitz- und Eigentumswillen eines Menschen prinzipiell höher zu bewerten als die Kraftpotenziale eines anderen. Aus diesem Grund halten wir die gewaltsame Wegnahme von Gegenständen gegen den Willen ihres Besitzers für sozialschädlich und also, als Raub, für strafwürdig. Ginge unsere Gesellschaft dazu über, Gewalt höher wertzuschätzen als Eigentum, bliebe alles Rauben absehbar bald straflos. Mithilfe ethischer Überlegungen werden moralische Grundvorstellungen wie diese dann in einen konkreten sozialen Handlungsrahmen umgesetzt.
Aus diesem ethisch gewonnenen Gerüst können im Anschluss einzelne, konkrete Rechtsregeln abgeleitet werden. Wegen dieser Zusammenhänge bezeichnet man das, was Recht ist, bisweilen auch als das „ethische Minimum“. Anders gesagt: Moralisch mag ein Mensch bisweilen zu mehr verpflichtet sein, als er nach dem Recht schuldet, aber das Recht darf ihn nie zu Unmoralischem verpflichten. Diese Rückanbindung des Rechtes an die Moral wird im Alltag durch den Maßstab der gesellschaftlichen Akzeptanz geleistet. Was eine Gesellschaft als Rechtsregel nicht akzeptiert, weil es ihren Moralvorstellungen nicht entspricht, das wird nicht (mehr) gelebt und verwandelt sich bald zu totem Recht. Erkennt der Gesetzgeber in diesem Falle, dass sein geschriebenes Gesetz nicht mehr allgemein als Recht akzeptiert wird, setzt er dieses Gesetz außer Kraft. Weigert er sich hingegen, das inakzeptabel gewordene Gesetz aufzuheben, riskiert er seine eigene Akzeptanz als juristische Autorität.
Welche Strafen Steuertricksern drohen
Hier wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt, die in etwa einem Jahresnettoeinkommen des Steuerpflichtigen entspricht.
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln die Geldstrafe nach so genannten Tagessätzen. Der Geldbetrag für einen Tagessatz soll dem Tagesnettoeinkommen entsprechen.
Hat jemand ein Jahreseinkommen von 50.000 Euro brutto und Abzüge von 20.000 Euro für Steuern, Versicherungen und ähnlichem, so wäre der Tagessatz 82 Euro (gerechnet: 30.000:365).
Bei einer Hinterziehung von 10.000 Euro werden in der Regel 365 Tagessätze verhängt. Das bedeutet im Beispielsfall 365x82 = 29.930 Euro. Die Geldstrafe läge also bei rund 30.000 Euro.
Bei hohen Einkommen kann laut Experten die Strafe durchaus höher als die hinterzogene Steuer sein. Schließlich soll sich Steuerhinterziehung ja nicht lohnen.
Bei 20.000 Euro kommt man zu rund 440 Tagessätzen. Die Strafe läge im Beispielsfall dann 36.080 Euro.
Es ist bekannt, dass in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich streng bestraft wird. Eine interne Tabelle weist dies nach. Insofern gelten die hier genannten Strafrahmen nicht absolut, sondern sind lediglich Faustregeln.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Az. 1 StR 525/11) ist die Chance, auch bei schweren Steuervergehen um eine Haftstrafe herumzukommen, deutlich gesunken. Die Karlsruher Richter haben mit ihrer Entscheidung ein Urteil des Landgerichts Augsburg kassiert, das einen Unternehmer wegen 1,1 Millionen Euro hinterzogener Steuern nur zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt hatte. Dieses Strafmaß sei zu gering, entschied der BGH. Das Urteil liegt im Trend, glaubt Martin Wulf von der auf Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Streck Mack Schwedhelm: „In der Tendenz ziehen die Sanktionen an“, sagt der Jurist.
Betrachtet man diese begrifflichen Zusammenhänge, wird schnell eines deutlich: Die gegenwärtigen Debatten über die sogenannte „Steuermoral“ sind in bemerkenswerter Weise intellektuell verkürzt. Üblicherweise wird bei diesen Diskussionen nämlich jeder, der eine bestimmte formalgesetzliche Steuerpflicht nicht erfüllt, bereits – wörtlich – zum „Steuersünder“ erklärt. Der Rückgriff auf das theologische Verdikt gegen den „Sünder“ legt also nahe, dass der Verstoß gegen das Gesetz bereits einen Verstoß gegen die Moral bedeute. Genau dieser Rückschluss ist jedoch, wie gezeigt, gerade nicht zulässig. Denn nicht das staatliche, förmliche Gesetz gibt die Wertskalen vor, denen die Moral dann zu folgen hätte. Vielmehr hat das Gesetz, exakt umgekehrt, den Grundlegungen des moralisch Akzeptierten zu folgen.
"Sünder" oder "Nichtsünder"
Zum allgemein anerkannten Handwerkszeug jedweder ethischen Untersuchung gehört es nun, eine bestimmte Handlung nicht nur je für sich zu betrachten. Vielmehr sind darüber hinaus auch ihre dabei beabsichtigten (ebenso wie ihre nicht beabsichtigten) Folgen zu bedenken. Während sich jede ethische Erörterung aller Fernwirkungen einer Handlung erfahrungsgemäß schnell vom Hundertsten ins Tausendste verlieren kann, so darf doch bei der Frage nach der moralischen Bewertung einer Steuerzahlung jedenfalls ihre nächstanschließende Wirkung nicht außer Betracht bleiben: Die Frage nämlich, was der Steuereintreiber mit der von ihm eingenommenen Zahlung zu tun beabsichtigt bzw. welches weitere Handeln ihm infolge einer gesetzlich pflichtwidrigen Nichtzahlung unmöglich bleibt.
Kurz: Ob derjenige, der eine Steuer nicht bezahlt, tatsächlich moralisch ein „Sünder“ ist, lässt sich nur dann ethisch ordnungsgemäß entscheiden, wenn man zugleich auch bewertet, ob das, was mit seiner erfolgten Zahlung hätte geschehen sollen oder durch seine Nichtzahlung nicht geschieht, seinerseits moralisch akzeptabel ist. Ohne eine solche abwägende Betrachtung ist eine ethisch vertretbare Einordnung des Steuerpflichtigen als „Sünder“ oder „Nichtsünder“ unzulässig verkürzt und mithin schlechterdings unmöglich.
Abseits der von einschlägigen Experten vielleicht noch halbwegs überschaubar zu beantwortenden Frage, ob eine unterbliebene Steuerzahlung formal gesetzeswidrig war, bleibt die Frage nach ihrer materiellen Rechtswidrigkeit. Sollte die ethisch gebotene Abwägung zwischen der Steuereinnahme- und der Steuerausgebeseite nämlich erweisen, dass die moralischen Gründe für die Nichtzahlung auch jenseits der nur individuellen Betrachtung des Handelnden in der gesellschaftlichen Akzeptanzbetrachtung schwerer wiegen als die moralischen Motive und Ziele des anschließenden Steuermitteleinsatzes, dann könnte das Nichtzahlen einer Steuer durchaus als rechtmäßig anzusehen sein. Das Steuereintreiben wäre in diesem Falle folgerichtig spiegelbildlich unrechtmäßig, mit allen hier eingangs dargestellten Konsequenzen.
Käme man demgemäß an den Punkt, dem Steuerstaat in Ansehung beispielsweise entgleisender Großbauprojekte, exzessiver Staatsverschuldung, der Rettung maroder Banken und Staaten oder insgesamt unbeschränkter Zentralbankaktivitäten zu Lasten der Steuerzahler eine nicht unerhebliche Verschwendung von Steuermitteln im Grundsätzlichen anlasten zu müssen, dann verringerte dies nicht nur die Zahl der moralischen „Steuersünder“.
Es wäre dann wohl auch nur eine Frage der Zeit, bis die Frage im Raum stünde, ob das Nichtzahlen von Steuern notwehr- oder notstandsrechtlich gerechtfertigt ist.