
Die Meldung war ungewöhnlich, weil sie in der Form niemand erwartet hatte, die Experten selbst auch nicht: Im hessischen Finanzministerium gingen im Januar 348 Selbstanzeigen von Steuerflüchtigen ein, die ungemeldetes Kapital aus der Schweiz nachträglich deklarieren wollten. Im Dezember waren es nur 203 gewesen – ein kleiner Boom also, und das obwohl seit dem Jahreswechsel deutlich härtere Strafen für Steuerhinterzieher bei der strafbefreienden Selbstanzeige gelten.
Das Gegenteil wäre also zu erwarten gewesen. „Überraschend“ befand deshalb Hessens Finanzminister Thomas Schäfer ganz offen, eine Erklärung lieferte sein Haus nicht dazu. War es ein Einzelfall? Ein Zufall? Oder doch mehr? Eine Umfrage der WirtschaftsWoche bei allen 16 Finanzministerien der Länder ergab: ein Einzelfall ist der Neujahrsauftrieb bei den Selbstanzeigen in der Tat nicht. Aber möglichweise gibt es doch eine ganz profane Erklärung für den Run im Jahr 2015.
So erstatten Steuersünder Selbstanzeige
Eine Selbstanzeige kann persönlich oder durch einen bevollmächtigten Vertreter erstattet werden. Achtung: Eine Vollmacht kann nicht nachgereicht werden.
Auch wenn es keine Formvorschriften gibt. Papier ist angesagt. Die Anzeige sollte schriftlich erfolgen und den Eingangsstempel des Finanzamtes tragen. Denn das erleichtert im Falle eines Falles die Beweisführung.
Adressat ist das Finanzamt, nicht die Staatsanwaltschaft. Wer aber sicher gehen will und eine Durchsuchung oder ähnliches befürchtet, kann auch dem Staatsanwalt eine Kopie schicken.
Alles muss angegeben werden. Wirklich alles. Gradmesser hierfür: Der Fiskus muss mit den Angaben ohne langwierige Nachforschungen in der Lage sein, die Steuer festzusetzen.
Gerade wer Geld aus der Schweiz weiß waschen will, sollte mit Wartezeiten rechnen. Denn es müssen bei der eidgenössischen Bank Zins- und Erträgnis-Aufstellungen angefordert werden. Meistens dauert es dann zwei bis drei Monate bis die Papiere da sind. Und dann müssen die Unterlagen auch noch ausgewertet werden.
Straffreiheit gibt es nur bei pünktlicher Zahlung. In einer bestimmten Frist, die recht knapp sein kann, müssen die hinterzogenen Steuern nachgezahlt werden. Klappt das nicht, droht Strafe.
Eben wegen dieser schnellen Zahlungsverpflichtung, sollten Betroffene sich vorbereiten. Die finanziellen Mittel sollten verfügbar sein, sonst kann die Sache ins Auge gehen.
Wer sich nicht wirklich gut auskennt, sollte einen Fachmann hinzuziehen. Kleine Fehler in einer Selbstanzeige können sich später böse rächen. Es gibt genügend Anwälte, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben.
Nicht bei jeder Unehrlichkeit ist eine Selbstanzeige angesagt. Sind die falschen oder unterbliebenen Angaben nicht „steuerlich erheblich", so entfällt auch die Grundlage für eine strafbare Steuerhinterziehung. Und dann ist eine Selbstanzeige gar nicht nötig.
Von immerhin 12 der 16 Landes-Behörden liegen nach der Umfrage die Dezember- und Januar-Daten zu Selbstanzeigen vor (Brandenburg und Bayern schlüsseln nicht nach einzelnen Monaten auf, Sachsen-Anhalt und Thüringen antworteten auf die Anfrage nicht).
Zehn goldene Regeln für die Selbstanzeige
Die Selbstanzeige ist nur strafbefreiend, wenn die Tat noch nicht entdeckt ist. Daher ist Eile geboten.
Quelle: BRANDI Rechtsanwälte
Stand: Oktober 2017
Ist die Tat schon entdeckt, wirkt selbst eine unwirksame Selbstanzeige strafmildernd wie ein Geständnis. Es ist also nie zu spät für die Offenlegung.
Nur wer in vollem Umfang die Steuererklärungen einer Steuerart der letzten zehn Kalenderjahre korrigiert, bleibt straffrei. „Vergessene“ Sachverhalte gefährden die Wirksamkeit der Selbstanzeige.
Mit Abgabe der Selbstanzeige müssen sämtliche hinterzogenen Steuern samt Zinsen und gegebenenfalls Strafzuschlag bezahlt werden. Wer nicht zahlen kann, sollte Alternativen erörtern.
Eine Selbstanzeige erfordert strafrechtliche und steuerrechtliche Erfahrung. Ziehen Sie auf jeden Fall Berater hinzu. Die Tücke steckt im Detail.
Weihen Sie ihren Steuerberater nie in etwaige Steuerhinterziehung ein. Sollte keine Selbstanzeige abgegeben werden können, macht er sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig, wenn er weiterhin ihre Steuererklärungen bearbeitet, ohne die Hinterziehung offenzulegen.
Eine Selbstanzeige ist meist erst der Anfang. Ohne intensive Verhandlungen mit dem Finanzamt und gegebenenfalls ein gerichtliches Verfahren läuft die Selbstanzeige nur selten ab.
Es sollte genau geprüft werden, ob durch die Selbstanzeige Außenstehende oder etwa Familienangehörige belastet werden. In einem solchen Fall ist ein koordiniertes Vorgehen bis hin zur gleichzeitigen Abgabe der Selbstanzeige ratsam.
Beamten – auch verbeamteten Lehrern – und Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowie Berufsträgern wie Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern droht bei einer Selbstanzeige ein disziplinarrechtliches oder berufsrechtliches Verfahren. Dies kann bis hin zum Verlust von Pensionsansprüchen führen.
Die Finanzverwaltung ist verpflichtet, Kenntnisse über Straftaten wie Korruption oder Geldwäsche an andere Behörden weiterzuleiten. So kann eine Selbstanzeige weiterte Ermittlungen und Anklagen auslösen, selbst wenn die Steuerhinterziehung straffrei bleibt.
Die Bilanz: Neben Hessen gab es im Auftaktmonat in sechs weiteren Bundesländern einen unerwarteten Anstieg der Zahlen: in Nordrhein-Westfalen etwa von 238 (Dezember) auf 429 (Januar), in Rheinland-Pfalz von 353 auf 712 und in Berlin von 122 auf 208. In Niedersachsen stieg die Zahl der Selbstanzeigen gar von 280 auf 875. In weniger Bundesländern, nämlich fünf, verzeichneten die Statistiker hingegen einen Abfall, zum Teil auf einstellige Fallzahlen. In Baden-Württemberg beispielsweise gab es den zu erwartenden Ehrlichkeits-Jahresendspurt (Dezember: 1507) und danach einen deutlichen Rückgang der Meldungen (Januar: 130).
Ein gemischtes Bild also. Und dennoch - im Falle der Zuwächse – ein erklärungsbedürftiges. Aus den betroffenen Finanzministerien ist dazu jedoch kaum etwas zu hören, Erhellendes gibt es wenig. Vielleicht doch reiner Zufall, vielleicht wurden Steuerberater und Anwälte angesichts zu vieler reuiger Sünder nicht rechtzeitig fertig? Alles „Spekulationen“, heißt es aus einem großen Ministerium, „wir wissen es nicht“. Oder aus Sachsen: „Können wir uns nicht erklären.“
Aus Niedersachsen hingegen gibt es einen konkreten Hinweis, der darauf schließen lässt, dass der kleine Boom möglicherweise sehr weltlich zu erklären ist: „Wir gehen davon aus, dass der weit überwiegende Teil der Selbstanzeigen noch vor der ab 01. Januar 2015 greifenden gesetzlichen Verschärfung eingegangen ist und wegen des Postlaufs und auch der Feiertage erst im Januar erfasst wurde“, lautet die Antwort aus Hannover. „Die genannten Zahlen sind also nur sehr bedingt aussagekräftig und auch nicht geeignet, eine weitere Prognose anzustellen.“
Der Anstieg der Selbstanzeigen wäre dann nicht viel mehr als das: ein Verwaltungsstau. Und wahrlich keine Überraschung mehr.