Steueroasen Wie deutsche Städte von Steuerparadiesen profitieren

Der Aufschrei von Bund und Kommunen war groß, als bekannt wurde, wie große Konzerne über Tochterunternehmen im Ausland ihre Steuerschuld mildern. Nun zeigt sich: Auch deutsche Städte tricksen massiv.

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Die Kölnmesse, zu knapp 80 Prozent in der Hand der Stadt Köln, hat Tochterfirmen unter anderem in der Steueroase Hongkong, in der Sonderwirtschaftszone Singapur und an den Hauptfinanzplätzen Mailand und Tokio. Quelle: dpa/dpaweb

Städte und Gemeinden reinigen heutzutage nicht nur Straßen oder verwalten Friedhöfe. Sie sind zu wahren Wirtschaftsakteuren geworden und halten Beteiligungen an Unternehmen, die mit kommunalen Dienstleistungen kaum noch etwas zu tun haben. Die Stadt Köln tut sich hierbei besonders hervor: Sie besitzt, über weitere Tochter- und Enkeltochtergesellschaften, Anteile an Firmen etwa in Bangkok, Polen oder dem Steuerparadies Luxemburg.

Die Kölnmesse, zu knapp 80 Prozent in der Hand der Stadt Köln und zu 20 Prozent in der des Landes Nordrhein-Westfalen, hat Tochterfirmen unter anderem in der Steueroase Hongkong, in der Sonderwirtschaftszone Singapur und an den Hauptfinanzplätzen Mailand und Tokio und hat Repräsentanzen in Panama und der Schweiz.

Alte und neue Steueroasen
Ein Strand auf den Tobago Keys Quelle: dpa
Ein Schild mit dem Zeichen von Liechtenstein Quelle: REUTERS
Eine Stadt in Zypern Quelle: dapd
Festungsmuseum in Luxemburg Quelle: dpa
Wiener Opernball Quelle: dpa
Bauern in der Schweiz Quelle: dapd
Dubai Quelle: dapd

Auch in Chicago hat die Kölnmesse ein Büro. Die Kölnmesse kann auf einen gleichnamigen Immobilienskandal verweisen, bei dem es darum geht, dass der Stadt Köln im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Messehallen und einem Grundstücksdeal mit dem Oppenheim-Esch-Fonds Millionen Mehrkosten entstanden sind. Registriert wurde die Firma, die zu dem Kölnmesse-Büro in Chicago gehört, die Koelnmesse Inc., allerdings im US-Staat Delaware. Dieser gilt als größtes Steuerparadies überhaupt unter den US-Staaten und musste für seine Steuerpolitik mehrfach Kritik einstecken.

Laut Handelsregister von Delaware ist die Koelnmesse Inc. über die North Orange Street 1209 in Wilmington zu erreichen. In dem dortigen Flachdachbau mit purpurner Markise haben laut einem Bericht von Zeit Online von Mai geschätzt rund 200.000 Briefkastenfirmen ihren Sitz, darunter seien die US-Konzerne Google und Apple und die Autobauer Daimler und Volkswagen. Nach einem Bericht der New York Times aus 2012 nutzte auch der serbische Geschäftsmann und verurteilte Schmuggler Stanko Subotic die Adresse. Das Gebäude dort wird von der CT Corporation betrieben. Diese ist im Handelsregister von Delaware mit der Adresse „North Orange Street 1209“ als sogenannter „Registered Agent“ der Koelnmesse Inc. eingetragen.

Während auch die Stadt Köln mit Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die den Kommunen zusteht, zu kämpfen hat, muss die Koelnmesse Inc. in Delaware auf Einnahmen weniger oder – im Fall von Lizenz- und Kreditzahlungen, die in Delaware steuerbefreit sind – unter Umständen gar keine Steuern zahlen. Die für in Delaware tätige Unternehmen fällige „Delaware state tax“ liegt bei gerade einmal 8,7 Prozent, einschließlich der „federal tax“ zahlen Unternehmen maximal 40 Prozent Steuern; der für nur Kapital verwaltende Unternehmen fällige Steuersatz ist erheblich niedriger. Sobald ein Konzern eine Tochterfirma in Delaware hat, profitiert er von der dortigen Steuergesetzgebung, und zwar im Falle einer Beteiligung einer Kommune wie Köln zu Lasten des hiesigen Steuersäckels.

Lorenz Jarass, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule RheinMain, ist einer der profiliertesten Experten auf dem Gebiet internationaler Unternehmensbesteuerung in Deutschland. Jarass war Mitglied der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung und des wissenschaftlichen Beirats der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. Der Stanford-Absolvent ist sich sicher: „Firmensitze in Delaware legen Steueroptimierung nahe.“

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