Steuerpolitik Friedrich Merz' Bierdeckel lebt

Friedrich Merz, die Symbolfigur für das konservativ-bürgerliche Lager der Union macht sich noch einmal stark für Steuervereinfachungen – und spart nicht mit Seitenhieben auf die Große Koalition.

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Friedrich Merz (CDU) Quelle: AP

An dieser Stelle hat Friedrich Merz schon lange nicht mehr gestanden. „Danke, dass Sie mir mal wieder die Gelegenheit geben, hier vorne zu stehen", witzelte der ehemaliger CDU-Spitzenpolitiker – prompt lachen die Zuschauer im CDU/CSU-Fraktionssaal des Deutschen Bundestages. Hier findet heute Nachmittag keine Unions-Fraktionssitzung statt – dann stünde auch nicht der hochgewachsene Herr Merz in der ersten Reihe, sondern hier diskutieren heute auf Einladung der Stiftung Marktwirtschaft Experten über das Thema Steuervereinfachung.

Merz, der sich im Jahre 2002 nach einem heftigen Machtkampf mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel von der Fraktionsspitze zurückgezogen hatte, wird von der Moderatorin als „DER Wirtschafts- und Finanzexperte der Union" vorgestellt. Doch tatsächlich wissen die Zuschauer, dass der Rechtsanwalt, der lange als das wirtschaftsliberale Gewissen seiner Partei galt, längst kein offizielles Mandat mehr auf diesem Fachgebiet innehat. Merz steht sogar kurz vor seinem kompletten Rückzug aus der Politik. Aus Verbitterung über den Kurs der Union, die in seinen Augen so gut wie alles aufgegeben hat, was sie über Jahrzehnte für richtig gehalten hatte und aus Frust über Bundeskanzlerin Angela Merkel, die er dafür verantwortlich macht, wird Merz nach der nächsten Bundestagswahl aus dem Bundestag ausscheiden.

Heute kann der Erfinder der Steuererklärung im Bierdeckelformat, die der Finanzausschuss des Bundestages auf einer Sitzung im März 2005 zu Grabe getragen hatte, seinem Ärger noch einmal richtig Luft machen. Das tut er auch, aber wie es so seine Art ist, sachlich, unaufgeregt, aber scharzüngig. Ohne „Ironie" und „Zynismus" sage er, „dass es vielleicht die große Leistung der großen Koalition ist, dass die Bevölkerung nicht mehr die Illusion hat, große Koalitionen könnten großes leisten." Das Steuerkonzept, dass Merz gemeinsam mit 70 Experten aus Politik und Wissenschaft erarbeitet hat „ist das Kontrastprogramm, zu dem, was die Regierung innerhalb der ersten drei Jahre gemacht hat", sagt der Unionsmann, dessen Partei eben genau in diesen drei Jahren mitregierte.

Hier, wo es um die reine Lehre, wo es um klare Prinzipien geht, fühlt sich der beinahe aus der Politik verschwundene Unionsmann sichtlich wohl. „Einfach, gerecht und verständlich" solle das Steuerrecht sein", dekliniert Merz durch, „international wettbewerbsfähig" und es müsse sich harmonisch einfügen in das europäische Regelwerk. „Auch diese Chance wurde leider mit der Unternehmenssteuerreform verpasst", sagt Merz, „sie hat die Unternehmenssteuer komplizierter gemacht, es sie je zuvor war." Allzu bissige Bemerkungen zur noch nicht abgeschlossenen Erbschaftssteuerreform verkneift sich der Unionsfachmann lieber. Was dazu zu sagen ist, hatte sein Vorredner, Michael Eilfort von der Stiftung Marktwirtschaft ohnehin schon gesagt: „Die große Chance zur Steuervereinfachung wurde verpasst."

Als Merz den Saal verlässt, stürzen sich gleich zwei Kamerateams von N24 und dem ZDF auf ihn. Was er vom Konjunkturprogramm halte, und ob er denn überhaupt jemals wieder eine Chance auf eine Steuerreform im Bierdeckel-Format sehe. Merz hält den Kopf leicht geneigt, schaut konzentriert in die Kamera und sagt: Vielleicht müsse es erst einmal alles so schwierig werden wie in der großen Koalition, damit dann ein neue politische Diskussion beginnen könne. Will heißen: Vielleicht gibt es nach der großen Koalition wieder eine Chance für eine umfassende Steuerreform. „Bierdeckels Tod" hatte 2005 eine Zeitung getitelt. „(Der) Bierdeckel lebt!" würde Merz nach der Bundestagswahl gerne lesen - doch er selbst wird diesen Deckel nicht mehr übernehmen.

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