Steuerrechts-Experte Thomas Koblenzer "Auch der Fiskus muss sich an Recht und Gesetz halten"

Koblenzer, 44, betreibt eine Steuerkanzlei mit Büros in Düsseldorf und Zürich. Der Jurist und Ökonom ist zudem Honorarprofessor an der Universität Siegen Quelle: Presse

Der Ankauf von Steuer-CDs ist nach Überzeugung des Düsseldorfer Steuerrechts-Experten Thomas Koblenzer illegal. Nun hat auch noch der Bundesfinanzhof das Vorgehen der Steuerfahnder in anderem Zusammenhang kritisiert. Mit einer Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Oberfinanzdirektion Rheinland will Professor Koblenzer deutlich machen, „dass sich auch der Staat an seine Gesetze halten muss“. Im Interview erläutert der Steuerjurist, warum er von den Finanzbehörden mehr Gesetzestreue fordert.

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WirtschaftsWoche: Professor Koblenzer, der Bundesfinanzhof hat gerade die Arbeitsweise der Steuerfahndung harsch kritisiert. Das sei oft so, als schicke man die GSG 9 zur Regelung des Straßenverkehrs. Ist es in der Praxis so schlimm?
Thomas Koblenzer: Diese Pauschalkriminalisierung im Steuerverfahren ist unerträglich und allein auf Einkommensmaximierung gerichtet. Die Grenzen zwischen Steuerfahndung und Veranlagungsverfahren verschwimmen, was faktisch mit einer Entrechtung der Steuerpflichtigen einhergeht, weil natürlich im Steuerstrafverfahren die Mitwirkungspflichten eingeschränkt sind.

Gibt es schon Reaktionen auf Ihre Strafanzeigen gegen Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen und gegen den dortigen Finanzminister Norbert Walter-Borjans?
Ja, es gibt zumindest ein Aktenzeichen, was beweist, dass strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden. Inzwischen versucht man aber, zu verzögern. Dafür spricht, dass man nach Wochen den Vorgang angeblich zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben hat. Man gibt also den Vorgang an diejenige Behörde zur Ermittlung, die selbst auch Gegenstand der Ermittlungen ist. Jeder mag sich seinen Teil dazu denken. Ich werde dran bleiben.

Sie werfen Beamten der Finanzbehörden vor, sich strafbar gemacht zu haben, in dem sie Gesetze gebrochen haben sollen. Starker Tobak, können Sie ein Beispiel nennen?
Wenn die CD-Lieferanten von deutschen Behörden mit Überweisungen auf Tarnkonten und unter dem irreführenden Begriff „Erbschaftsaufteilung“ belohnt werden, ist das ein klarer Verstoß gegen das Geldwäschegesetz. Außerdem muss den Behörden bekannt gewesen sein, dass diese Gelder vom Empfänger nicht versteuert werden sollten. Das ist eine Straftat.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Sie Steuerhinterzieher schützen wollen.
Auf gar keinen Fall. Wer Steuern hinterzieht, muss bestraft werden. Aber um Täter zu überführen, müssen sich auch Behörden an rechtsstaatliche Grundsätze und Prinzipien halten. Und das tun sie nach meiner Überzeugung in Sachen Daten-CD nicht.

Der Finanzminister in NRW, Norbert Walter-Borjans, behauptet, dass das Bundesverfassungsgericht den Kauf dieser Steuer-CDs für rechtens erklärt habe. Hat er Recht?
Nein, natürlich nicht! Das ist Unfug! Aber Walter-Borjans glaubt das wirklich! Der hat vermutlich diesen Beschluss noch nie in der Hand gehabt. Den Beschluss hat damals der heutige BFH-Präsident Rudolf Mellinghoff als Richter verantwortet. Dieser Beschluss betraf den Fall Liechtenstein und einen ganz anderen Sachverhalt.

Tradition des Zwecks, der die Mittel heiligt

Können Sie uns das erläutern?
Der Bundesnachrichtendienst hatte diese CD im Rahmen der Terrorismus-Gesetze zur Aufdeckung von Geldwäsche erworben. Die Finanzbehörden haben dann im Wege der Amtshilfe diese CDs angefordert, weil man glaubte, dass da auch steuerlich was zu holen ist. Auf der Basis dieser CDs wurden dann Hausdurchsuchungen veranlasst. Bei dem nun von Walter-Borjans ins Feld geführten Beschluss des BVG ging es nur darum, ob eine solche CD eine Hausdurchsuchung rechtfertigen kann. Das hat das BVG in engen Grenzen bejaht. Es ging nicht um die Verwertung der CD als Beweismittel. Nur die bei der Hausdurchsuchung gefundenen Beweise wären verwertbar gewesen.
Und das Verfassungsgericht hat gesagt, dass sich die verfassungsrechtliche Beurteilung ändert, sobald ein solcher CD-Kauf „systematisch und planmäßig“ erfolgt. Und spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem der Minister sich öffentlich hinstellt und sagt „Wir kaufen alles an“ ist das systematisch und planmäßig. Das BVG geht sogar davon aus, dass die Beschaffung der CD durch den BND – obwohl es dafür eine gesetzliche Grundlage gab – strafbar war. Also selbst das BVG unterstellt die Strafbarkeit, musste aber diese Frage nicht beantworten, weil sie im Rahmen des zu verhandelnden Falles gar keine Rolle spielte.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt aber ebenfalls zu dem Schluss, dass der CD-Kauf rechtens sei.
Das ist kompletter Unsinn. Das Gutachten meint, dass der Staat verpflichtet wäre, Beweismittel zu beschaffen. Darin wird sogar der Beschluss des BVG erwähnt. Aber diese Leute lesen sich den Beschluss einfach nicht genau durch. Oder sie biegen ihn so hin, dass sich die Öffentlichkeit täuschen lässt. Ich verstehe nicht, warum das BVG dies nicht mit einer Pressemitteilung klargestellt hat. Es gibt kein Urteil des BVG, das so falsch interpretiert und so politisch instrumentalisiert worden ist. Die Rechtslage in Deutschland ist absolut eindeutig.

Aber es gibt auch Juristen, die das anders sehen?
Das ist unter Juristen, die sich damit beschäftigen, unstrittig. Hier wird eine unheilvolle Tradition sichtbar, die bis in Dritte Reich zurück reicht: Nach dem Motto, dass der Zweck die Mittel heiligt. Das kann und darf doch aber nicht unser Handeln in einem Rechtsstaat beeinflussen.

Deutschlands absurdeste Steuern
A customer sips her coffee in Starbucks' Mayfair Vigo Street branch in central London Quelle: REUTERS
Die Bettensteuer war ein besonders beliebtes Abkassier-Instrument der deutschen Kommunen. Rund 20 Städte und Kommunen hatte sie eingeführt, mehr als 70 hatten die Abgabe geplant – bis das Bundesverwaltungsgericht die Abgabe gestoppt hat. Gäste in Pensionen oder Ferienwohnungen sollten pro Nacht 1 Euro zahlen, Hotelgäste 1,50 Euro. Für eine Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel allerdings wurden 2 Euro fällig. Die Mehreinnahmen sollten für die Tourismusförderung eingesetzt werden. Als eine der erste Städte hatten Köln die Bettensteuer eingeführt. Seitdem müssen Hoteliers fünf Prozent auf Übernachtungen zahlen. Die Einnahmen sollten in den Kulturetat fließen, die Stadt hofft auf sieben Millionen Euro pro Jahr. Quelle: dpa
Hotel Adlon in Berlin Quelle: dpa-dpaweb
Grand Elysée Hotel in Hamburg Quelle: Presse
Jäger sammelt erlegte Wildschweine ein Quelle: dpa
Blaulicht eines Polizeifahrzeugs Quelle: dpa
Sonnenbank in Düsseldorf Quelle: dapd

Wie stellt sich der Bundesfinanzhof zu dieser Thematik, dessen Präsident Rudolf Mellinghoff ja damals noch beim Bundesverfassungsgericht genau diesen Beschluss vertreten hat?
Herr Mellinghoff vertritt immer wieder sehr pointiert bei Juristentagen meine Rechtsauffassung. Wenn ich ihn richtig verstehe, würde der BFH dieses Thema CD-Kauf der Finanzverwaltung gerne um die Ohren hauen. Diese Beweismittel hält auch er für mehr als fragwürdig. Und zwar nicht nur im Strafverfahren, sondern auch im Steuerfestsetzungsverfahren. Es geht ja auch darum, ob die Steuer-Festsetzungsverfahren auf der Grundlage solcher Beweismittel überhaupt Bestand haben.

Viele Steuerberater raten zu einer Selbstanzeige, wenn CDs gekauft wurden. Ist das richtig?
Viele Steuerberater fürchten, sich der Beihilfe schuldig zu machen und drängen deshalb auf Selbstanzeige. Doch die Daten auf einer CD sind per se kein Beweis für strafbares Verhalten. Personenbezogene Daten unterliegen einem sehr, sehr hohen verfassungsrechtlichen Schutz. Die Verletzung dieses Rechtsguts kann nicht gerechtfertigt werden. Die Daten zeigen, dass ein Konto eröffnet wurde, Geld einbezahlt wurde und wie hoch das Guthaben ist. Aber das kann doch alles auch ganz legal sein. Das Problem der Daten-CD ist es doch, dass auch Unschuldige durchleuchtet werden. Dies ist aber nur bei sehr gravierenden Straftaten möglich. Steuerhinterziehung ist in diesem Katalog von Schwerverbrechen nicht aufgeführt und kann eine Rasterfahndung nicht rechtfertigen.

Finanzverwaltung irrt sich nie

Was kann der Staat denn tun, um Steuerhinterziehern mit Schweizer Konten auf die Schliche zu kommen?
Wenn der strafprozessuale Instrumentenkasten nicht ausreicht, dann ist der Gesetzgeber angehalten, die verfassungskonformen Grundlagen zu schaffen. Nur eins geht nicht: In Ermangelung der Rechtsgrundlagen darf die ausführende Gewalt in einem Rechtsstaat nicht zur Selbsthilfe greifen.

Nachdem das Steuer-Abkommen mit der Schweiz gescheitert ist, fragen sich viele, ob die beschuldigten Steuerfahnder jetzt nicht wieder fürchten müssen, in der Schweiz verhaftet zu werden.
Vom Grundsatz haben Sie Recht. Ich vermute allerdings, dass die Schweiz die Stimmung nicht weiter anheizen will. In der Schweiz sitzt ja zudem ein Mann in Haft, der glaubhaft belegt hat, dass er von NRW wegen seiner Steuerschulden unter Druck gesetzt wurde, um zu kooperieren. Der Mann ist soweit ich weiß Informatiker und wird von den Schweizer Behörden wohl als Zeuge dafür benannt, dass der BND quasi detaillierte Aufträge erteilt habe, welche Informationen bzw. Daten-CDs besorgt werden sollen. Ein über die strafrechtliche Wertung hinaus skandalöser Vorgang.

Michael Balke, Finanzrichter in Hannover, spricht ganz allgemein in Deutschland von „Steuer-Tyrannei“. Teilen Sie seine Auffassung?
Balke ist einer der wenigen Richter, die nur nach ihrer richterlichen Überzeugung handeln. Wenn er von Tyrannei spricht, dann meint er ein Phänomen, das ich auch feststelle: Die Finanzverwaltung hat eine enorme Machtfülle. Im Grunde genommen ist eine Gewaltenteilung in diesem Bereich nicht mehr vorhanden. Die Finanzverwaltung kann Forderungen selbst festsetzen, sie kann sie vollstrecken und sie kann die Strafverfolgung vornehmen. Es gibt also eine fast unkontrollierbare Machtfülle; und diese Machtfülle wird in der letzten Zeit extrem missbraucht, und zwar vor allem in NRW.

Wo Ihnen das Finanzamt Steuern schenkt
Unter einer Lupe sind mehrere Kontoauszüge zu sehen Quelle: dpa/dpaweb
Besen und Schneeschaufel Quelle: dpa
Ein Schild vor einem Kiosk wirbt für belegte Brötchen. Quelle: dpa
Leuchtanzeigen auf einer Schilderbücke über der Autobahn A8 München-Salzburg Quelle: AP
Menschen tippen an ihren Laptops. Quelle: dpa
Ein Plattenbau in Berlin-Reinickendorf Quelle: dapd
Der Briefkasten eines Finanzamtes Quelle: APN

Wie können Sie das belegen?
Die Anzahl der Steuerstrafverfahren im Rahmen von Betriebsprüfungen ist explosionsartig nach oben geschossen. Die Finanzverwaltung neigt dazu, im Zweifelsfall immer sofort ein Steuerstrafverfahren anzustrengen. Wenn wir z.B. in einer Betriebsprüfung sind und wir unterhalten uns über einen Betrag von 150.000 Euro, mit Hausdurchsuchung und allem Drum und Dran. Dann wird man versuchen, den Steuerberater der Beihilfe zu beschuldigen, weil der dann auch nicht mehr an seine Verschwiegenheitspflicht gebunden ist. Wenn also diese Betriebsprüfung in ein Steuerstrafverfahren übergeht, – und es gibt die Anweisung, beim kleinsten Verdacht ein Verfahren einzuleiten! – dann erhöht sich der Druck immens, denn bei 150.000 Euro droht Gefängnisstrafe, ab einer Million ohne Bewährung. Die wenigsten haben die finanzielle Möglichkeit, ihr Recht durch die Instanzen durchzukämpfen. Das kann zehn Jahre dauern.

Sieht die Finanzverwaltung nicht auch mal ein, wenn sie falsch liegt?
Nein, im Gegenteil. Am Ende ist der Steuerpflichtige genötigt, mit der Faust in der Tasche auf einen Deal einzugehen. Die Finanzbehörde weiß das und spielt das nach meiner Wahrnehmung zum Teil auch bewusst aus. Die wissen, dass sie – auch wenn sie im Unrecht sind! – immer noch was rausholen können, weil sich so einen langwierigen Prozess finanziell kaum jemand leisten kann. In NRW muss man von einer regelrechten Betriebsprüfungs-Orgie sprechen. Das permanente Misstrauen der Finanzbehörden stellt eigentlich jeden Bürger von vornherein unter Verdacht der Steuerhinterziehung. Bei einer Betriebsprüfung müsste der Prüfer von Rechts wegen auch mal etwas finden, wo der Geprüfte zu seinen Ungunsten etwas vergessen hat. Aber das ist ja nicht das Ziel einer Prüfung, sondern mehr Steuern einzunehmen. Und wenn der Prüfer nichts findet, werden irgendwelche Sachen konstruiert. Und in bestimmten Bereichen findet man immer etwas, z. B. im Bereich der Bewirtungsbelege und des Fahrtenbuchs. Das muss nicht immer einen vorsätzlichen Hintergrund haben. Viele Steuerpflichtige verzichten da lieber auf ihre Rechte, etwas von der Steuer abzusetzen.

Offenlegung ist nicht erwünscht

Haben Sie auch persönliche Erfahrungen dieser Art gemacht?
Ja. Bei mir wurde mal mein Fahrtenbuch nicht anerkannt, weil es unter anderem eine Ringbindung hatte. Im Gesetz steht an keiner Stelle, wie ein Fahrtenbuch auszusehen hat. Das basiert alles auf Verwaltungsanweisungen und Richterrecht. Danach muss das Fahrtenbuch in „gebundener“ Form geführt werden. An diesem Punkt wurde dann mit Blick auf das Missbrauchsrisiko behauptet, dass man eine Ringbindung aufbiegen und Seiten austauschen kann. Das können Sie aber nicht mit einem Bundestagsabgeordneten besprechen, weil der das nicht versteht. Er hat ja seine steuerfreie Pauschale von 48.000 Euro im Jahr, für die er keinen einzigen Beleg vorweisen muss. Der Unternehmer oder Freiberufler muss jeden Cent nachweisen. Solche grotesken Regelungen führen dazu, dass die Steuermoral sinkt. Es sind also nicht die Steuersätze, sondern der immense Aufwand, der dem Steuersystem geschuldet ist. Nachweispflichten, eine misstrauische Bürokratie und oft Schikanen ohne Ende.
Die Politiker kritisieren eine angebliche schlechte Steuermoral, scheren sich aber nicht um die Moral des Geldausgebens. Der Steuerzahler sieht, wie Milliarden in Rettungsschirmen oder in immer teurer werdenden Groß-Bauprojekten verbraten werden, und er selbst wird ständig verdächtigt, Steuern zu hinterziehen.

Könnte da ein einfaches Steuerkonzept à la Paul Kirchhoff helfen?
Vom Grundsatz her wäre das sehr gut möglich, diese Missstände zu beseitigen. Es gäbe zum Beispiel die Möglichkeit, gut verdienenden Selbständigen anzubieten, den Umsatz mit 35 Prozent pauschal zu versteuern, ohne dass der Betreffende irgendwelche Werbungskosten oder Ausgaben absetzen kann. Ich bin sicher, dass da viele drauf eingehen würden.

Warum ist das Misstrauen gegenüber dem Steuerbürger nirgendwo so ausgeprägt wie in Deutschland?
Da gibt es schon Gründe. Es gibt ja durchaus Steuerhinterziehung. Wir haben durch die Zunahme der Betriebsprüfungen in NRW auch ein erheblich höheres Ergebnis erzielen können. Bei einem Arbeitnehmer ist die Möglichkeit, zu hinterziehen, eingeschränkt. Bei einem Unternehmen ist es oft keine Hinterziehung, sondern eine Interpretationsfrage. Wenn ein Unternehmen international arbeitet, geht es oft um Verrechnungspreise. Hier unterstellt das Finanzamt gerne prinzipiell, dass angeblich Gewinne ins niedriger besteuernde Ausland verlagert werden. Das muss natürlich nicht stimmen, aber es wird unterstellt. Was macht das Unternehmen? Es einigt sich notgedrungen auf einen Betrag, anstatt sich zehn Jahre mit der Finanzverwaltung herumzustreiten.

Die Verstecke der Schwarzgeld-Schmuggler
"Haben Sie Bargeld dabei?"Zöllner kontrollieren stichprobenartig, ob Reisende hohe Bargeldsummen im Gepäck haben. Die Kontrollen können direkt am Grenzübergang stattfinden, aber auch durch mobile Einsatztrupps, die einige Kilometer im Landesinneren lauern. Wer mehr als 10.000 Euro dabei hat, muss dies den Zöllnern mitteilen. Wenn Reisende schweigen und die Ermittler trotzdem hohe Summen finden, informieren sie per Kontrollmitteilung das Finanzamt des Betroffenen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Schmuggelroute Bregenz - Lindau: Besonders häufig sind die Zöllner an den Grenzen zu Luxemburg und der Schweiz unterwegs. Zahlreiche Bargeldfunde melden traditionell die Beamten aus der Region Lindau am Bodensee. Dort - im Dreiländereck Schweiz-Österreich-Deutschland - kommen zahlreiche Steuerflüchtige vorbei, die ihr Schwarzgeld zurück in die Heimat schmuggeln wollen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Daten-CD's schrecken Hinterzieher auf: 2010 war für Deutschlands Bargeld-Fahnder ein Rekordjahr. Die Tatsache, dass der deutsche Fiskus eine CD mit Kundendaten der Schweizer Großbank Credit Suisse gekauft hatte, schreckte zahlreiche Hinterzieher auf. Viele entschieden sich für eine strafbefreiende Selbstanzeige beim Finanzamt, andere versuchten, ihr Geld heimlich zurückzuholen. Aber längst nicht allen Steuersündern gelang es, durch die Zollkontrollen zu schlüpfen. Quelle: Reuters
Angst vor dem Abkommen:Auch 2011 blieb die Angst vor Entdeckung groß - vor allem wegen des Steuerabkommens, über das Deutschland und die Schweiz verhandeln. Es sieht eine engere Kooperation der eidgenössischen Banken mit deutschen Steuerfahndern sowie eine pauschale Strafsteuer für Schwarzgeld vor. Ob das Abkommen in Kraft tritt, steht aber noch nicht fest, da die SPD Nachbesserungen fordert. Quelle: dapd
Scheine ohne Ende: Allein die Fahnder im Großraum Lindau (Bodensee) stellten 2011 rund drei Millionen Euro Bargeld sicher und fanden in den Unterlagen von Reisenden Konto- und Depotauszüge, die auf ein Auslandsvermögen von satten 500 Millionen Euro hindeuten. Schätzungen zufolge dürften sich daraus Steuernachzahlungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich für den deutschen Fiskus ergeben - allein durch Funde in Lindau und Umgebung, wohlgemerkt. Quelle: dpa
Schlechtes Versteck im Koffer:Nur selten liegt das Bargeld ganz offen im Koffer wie im Fall dieses Krimi-Fans, den die Lindauer Zöllner kürzlich schnappten. Die meisten Schmuggler lassen sich bessere Verstecke einfallen. Quelle: Hauptzollamt Ulm
Cash am Körper: Großer Beliebtheit erfreuen sich Taschen, die unter der Kleidung ganz eng am Körper getragen werden. Anfang März erwischten Zöllner am Grenzübergang Bietingen einen 59-jährigen Metzgermeister aus Bayern, der 147.000 Euro in zwei Bauchtaschen schmuggelte. Wegen Nichtanmeldens des Bargeldes muss er nun ein Bußgeld zahlen, zudem wird sein Heimatfinanzamt informiert - dem er dann erklären muss, woher das Geld stammt. Quelle: Hauptzollamt Ulm

Warum wird das Flat-Tax-Steuermodell Kirchhof von vielen als ungerecht empfunden?
35 Prozent von einer Million sind nun einmal mehr als 35 Prozent von 50.000. Es geht doch letztlich nicht um die Höhe des Steuersatzes, sondern darum, wie viel der einzelne bezahlt. Es gibt eine politische Tendenz in Deutschland: Man will gar nicht die Offenlegung und Klarstellung der System-Ungerechtigkeiten, die in Richtung der Leistungsträger gehen. Man will die Leistungsträger stigmatisieren, weil man das System nicht ändern will. Die Politik will diesen nebulösen, nicht nachvollziehbaren Umverteilungstopf erhalten.

Umverteilung ist doch aber kein Selbstzweck, sondern notwendig, oder?
Wenn man das analysiert, wird schnell klar, dass 70 Prozent der Bevölkerung quasi alimentiert werden. Wir leisten uns einen Lebensstandard in der unteren Mittelschicht und in der Unterschicht, der weit über dem liegt, was diese Schichten zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Das ist auch in Ordnung, wir wollen ja nicht leben wie im Busch. Durch die unterschiedlichen Beiträge zum Bruttoinlandsprodukt entsteht aber rein mathematisch ein Ungleichgewicht, das aufgefangen werden muss. Das funktioniert bislang durch Steuer-Umverteilung und durch Schuldenmachen.

Rechtfertigung der Umverteilungsorgie

Sollten nicht die Reichen mehr in die Pflicht genommen werden?
Das ist eine ideologisch geprägte Diskussion, um diese Umverteilungsorgie weiter zu rechtfertigen. Nur die wird nicht mehr lange funktionieren, denn man wird die Leistungsträger nicht mehr an Deutschland binden können. Diese Entwicklung macht sich ja schon zum Beispiel in der Medizin bemerkbar. Da haben wir schon einen signifikanten, beängstigenden Brain-Drain. Der führt in Teilen von NRW inzwischen soweit, dass wir eine medizinische Unterversorgung haben wie in der Dritten Welt. Viele Vermögende leben nicht mehr in Deutschland, Unternehmen investieren nicht mehr hier, das ist eine bedenkliche Entwicklung.

Was ist zu ändern?
Leistungen des Staates müssen wieder auf den Einzelnen übertragen werden. Hilfe in Notlagen selbstverständlich ja. Der OECD-Armutsbegriff ist aber völlig falsch. Danach ist jemand arm, der weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens monatlich zur Verfügung hat. Eine vierköpfige Familie kommt so monatlich auf Netto-Gesamtleistungen um die 1.900 Euro. Das hat mit arm nichts zu tun. Gerechtfertigt wird das damit, dass es nicht nur um Grundversorgung, sondern um gesellschaftliche Teilhabe als „Grundrecht“ geht. Aus meiner Sicht ist das aberwitzig, selbst wenn ich der letzte bin, der das nicht jedem Menschen gönnt, sofern wir es uns leisten können. Wir können es uns aber nicht leisten.
Der Anspruch der „Teilhabe an der Gesellschaft“ ist überzogen, wie wir es bei Hartz IV immer diskutieren. Es muss nicht jeder ins Kino gehen können. Und es muss auch nicht jeder einen Flatscreen-Fernseher haben. Die Menschen müssen sich wieder mehr anstrengen, sich einen solchen Fernseher kaufen zu können. Und das würden die dann auch machen, wenn Fördern und Fordern als Symbiose zu Leitlinien unserer Sozial- und Bildungspolitik gemacht würden. Dass hier was schief läuft, ist doch offensichtlich: Noch nie hatten die öffentlichen Haushalte so viel Steuereinnahmen wie 2012, und trotzdem recht das Geld nicht; es werden sogar weiter Schulden gemacht. Wo soll das enden?

Woran scheitert das fiskalpolitische Umdenken?
Steuerpolitik ist Machtpolitik. Deshalb will jede Regierung soviel Verteilungsmasse wie möglich haben. Deshalb hat kein Politiker wirklich ein Interesse, die Steuereinnahmen zu reduzieren. Viel einfacher ist es da zu behaupten, die Leistungsträger entzögen sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung. Was im übrigen Unsinn ist, weil ein Großteil der Leistungsträger mittelständische Unternehmen sind, die nicht mit Ferraris durch die Gegend fahren. Es ist auch nicht richtig, dass alle Leistungsträger latente Steuerhinterzieher sind.

Und wie wird die Politik Ihrer Meinung nach reagieren?

Sie wird noch viel mehr in die Substanzbesteuerung wie Grundsteuern, Erbschaftssteuern gehen, das Außenbesteuerungsrecht verschärfen. Im Klartext: Die Mauern der DDR werden ersetzt durch steuerrechtliche Mauern, um Leistungsträger und Unternehmen an die Kette zu legen. Wer weg will, muss dafür teuer bezahlen. Die Niederlassungsfreiheit wird massiv eingeschränkt werden. Das Außensteuerrecht ist mittlerweile so engmaschig, dass die Unternehmen nicht mehr weg können, ohne vorher abkassiert zu werden.
Frau Merkel wird in einer großen oder schwarz-grünen Koalition ihren Partnern hier weit entgegenkommen, weil sie Machtpolitikerin ist und vor allem Kanzlerin bleiben will.

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