Steuerrechts-Experte Thomas Koblenzer "Auch der Fiskus muss sich an Recht und Gesetz halten"

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Tradition des Zwecks, der die Mittel heiligt

Können Sie uns das erläutern?
Der Bundesnachrichtendienst hatte diese CD im Rahmen der Terrorismus-Gesetze zur Aufdeckung von Geldwäsche erworben. Die Finanzbehörden haben dann im Wege der Amtshilfe diese CDs angefordert, weil man glaubte, dass da auch steuerlich was zu holen ist. Auf der Basis dieser CDs wurden dann Hausdurchsuchungen veranlasst. Bei dem nun von Walter-Borjans ins Feld geführten Beschluss des BVG ging es nur darum, ob eine solche CD eine Hausdurchsuchung rechtfertigen kann. Das hat das BVG in engen Grenzen bejaht. Es ging nicht um die Verwertung der CD als Beweismittel. Nur die bei der Hausdurchsuchung gefundenen Beweise wären verwertbar gewesen.
Und das Verfassungsgericht hat gesagt, dass sich die verfassungsrechtliche Beurteilung ändert, sobald ein solcher CD-Kauf „systematisch und planmäßig“ erfolgt. Und spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem der Minister sich öffentlich hinstellt und sagt „Wir kaufen alles an“ ist das systematisch und planmäßig. Das BVG geht sogar davon aus, dass die Beschaffung der CD durch den BND – obwohl es dafür eine gesetzliche Grundlage gab – strafbar war. Also selbst das BVG unterstellt die Strafbarkeit, musste aber diese Frage nicht beantworten, weil sie im Rahmen des zu verhandelnden Falles gar keine Rolle spielte.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt aber ebenfalls zu dem Schluss, dass der CD-Kauf rechtens sei.
Das ist kompletter Unsinn. Das Gutachten meint, dass der Staat verpflichtet wäre, Beweismittel zu beschaffen. Darin wird sogar der Beschluss des BVG erwähnt. Aber diese Leute lesen sich den Beschluss einfach nicht genau durch. Oder sie biegen ihn so hin, dass sich die Öffentlichkeit täuschen lässt. Ich verstehe nicht, warum das BVG dies nicht mit einer Pressemitteilung klargestellt hat. Es gibt kein Urteil des BVG, das so falsch interpretiert und so politisch instrumentalisiert worden ist. Die Rechtslage in Deutschland ist absolut eindeutig.

Aber es gibt auch Juristen, die das anders sehen?
Das ist unter Juristen, die sich damit beschäftigen, unstrittig. Hier wird eine unheilvolle Tradition sichtbar, die bis in Dritte Reich zurück reicht: Nach dem Motto, dass der Zweck die Mittel heiligt. Das kann und darf doch aber nicht unser Handeln in einem Rechtsstaat beeinflussen.

Deutschlands absurdeste Steuern
A customer sips her coffee in Starbucks' Mayfair Vigo Street branch in central London Quelle: REUTERS
Die Bettensteuer war ein besonders beliebtes Abkassier-Instrument der deutschen Kommunen. Rund 20 Städte und Kommunen hatte sie eingeführt, mehr als 70 hatten die Abgabe geplant – bis das Bundesverwaltungsgericht die Abgabe gestoppt hat. Gäste in Pensionen oder Ferienwohnungen sollten pro Nacht 1 Euro zahlen, Hotelgäste 1,50 Euro. Für eine Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel allerdings wurden 2 Euro fällig. Die Mehreinnahmen sollten für die Tourismusförderung eingesetzt werden. Als eine der erste Städte hatten Köln die Bettensteuer eingeführt. Seitdem müssen Hoteliers fünf Prozent auf Übernachtungen zahlen. Die Einnahmen sollten in den Kulturetat fließen, die Stadt hofft auf sieben Millionen Euro pro Jahr. Quelle: dpa
Hotel Adlon in Berlin Quelle: dpa-dpaweb
Grand Elysée Hotel in Hamburg Quelle: Presse
Jäger sammelt erlegte Wildschweine ein Quelle: dpa
Blaulicht eines Polizeifahrzeugs Quelle: dpa
Sonnenbank in Düsseldorf Quelle: dapd

Wie stellt sich der Bundesfinanzhof zu dieser Thematik, dessen Präsident Rudolf Mellinghoff ja damals noch beim Bundesverfassungsgericht genau diesen Beschluss vertreten hat?
Herr Mellinghoff vertritt immer wieder sehr pointiert bei Juristentagen meine Rechtsauffassung. Wenn ich ihn richtig verstehe, würde der BFH dieses Thema CD-Kauf der Finanzverwaltung gerne um die Ohren hauen. Diese Beweismittel hält auch er für mehr als fragwürdig. Und zwar nicht nur im Strafverfahren, sondern auch im Steuerfestsetzungsverfahren. Es geht ja auch darum, ob die Steuer-Festsetzungsverfahren auf der Grundlage solcher Beweismittel überhaupt Bestand haben.

Viele Steuerberater raten zu einer Selbstanzeige, wenn CDs gekauft wurden. Ist das richtig?
Viele Steuerberater fürchten, sich der Beihilfe schuldig zu machen und drängen deshalb auf Selbstanzeige. Doch die Daten auf einer CD sind per se kein Beweis für strafbares Verhalten. Personenbezogene Daten unterliegen einem sehr, sehr hohen verfassungsrechtlichen Schutz. Die Verletzung dieses Rechtsguts kann nicht gerechtfertigt werden. Die Daten zeigen, dass ein Konto eröffnet wurde, Geld einbezahlt wurde und wie hoch das Guthaben ist. Aber das kann doch alles auch ganz legal sein. Das Problem der Daten-CD ist es doch, dass auch Unschuldige durchleuchtet werden. Dies ist aber nur bei sehr gravierenden Straftaten möglich. Steuerhinterziehung ist in diesem Katalog von Schwerverbrechen nicht aufgeführt und kann eine Rasterfahndung nicht rechtfertigen.

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