Nach jahrelangen Debatten und auf Druck des Bundesverfassungsgerichts ist es endlich so weit: Am Mittwoch wird Bundesfinanzminister Olaf Scholz den Bundesländern zwei verschiedene Modelle zur Reform der Grundsteuer vorlegen, wie die WirtschaftsWoche aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums erfahren hat. So beinhaltet Scholz‘ Vorschlag zum einen ein rein an der Grundstücks- und Gebäudefläche orientiertes Modell. Die Fläche multipliziert mit einem sogenannten Äquivalenzwert ergäbe dann die neue Grundsteuer.
Doch dieser Vorschlag könnte gegen das Grundgesetz verstoßen, denn er bezieht den Wert der Immobilie nicht mit ein und verstoße damit eventuell gegen das Gleichheitsprinzip. Möglicherweise deshalb enthält der zweite Vorschlag des Bundesfinanzministeriums auch ein wertabhängiges Modell. Demnach soll die Grundsteuer sich aus den Komponenten Bodenrichtwert mal Grundstücksfläche, Alter des Gebäudes und Nettokaltmiete zusammensetzen. Für Eigenheimbesitzer beziehungsweise selbstgenutztes Wohneigentum soll anstatt der Nettokaltmiete der Mietersatzwert nach Mikrozensus herangezogen werden.
Doch das ist noch nicht alles. Die weiteren Ergebnisse des Reformvorschlags kompakt zusammengefasst:
- Grundsteuer C: Eine Extra-Steuer für unbebaute Grundsteuer (Grundsteuer C) wird es nicht geben,
- Umlage auf die Mieter: die bisherige Regelung einer Umlage der Grundsteuer auf die Mieter soll beibehalten werden,
- Grundsteuerermittlung: zur Ermittlung der Grundsteuermesszahl sollen Vermieter und Selbstnutzer ab 2020 die Wohn- bzw. Gebäudefläche in ihrer Steuererklärung ausweisen,
- Grundsteueraufkommen: Die Reform soll aufkommensneutral ausgestaltet werden, das heißt, die bisherigen Einnahmen von bundesweit 14 Milliarden Euro sollen beibehalten werden,
- Aktualisierung: alle sieben Jahre sollen die Komponenten überprüft und aktualisiert werden,
- Hebesatz: Auch künftig sollen Kommunen die Möglichkeit bekommen, über einen kommunalen Hebesatz die Grundsteuereinnahmen individuell anzupassen,
- Vereinheitlichung: Eine bundeseinheitliche Steuermesszahl soll die bisherigen Staffelungen und Unterscheide zwischen alten und neuen Bundesländern abschaffen. Der bundeseinheitliche Satz soll ein Bruchteil des bisherigen Standardsatzes von 0,35 Prozent betragen, um den gestiegenen Wert in der Steuerbemessung auszugleichen
- Gewerbe: für gewerblich genutzte Immobilien soll die Grundsteuer nach einem Ertragswertverfahren ermittelt werden, das heißt, nach den Einkünften, die mit der Immobilie zu erzielen sind,
„Der beste Ansatz fehlt“
Im Vorfeld des Reformvorschlags war unter Ökonomen eine Debatte entbrannt, welches Modell aus ökonomischer Sicht die bisherige Grundsteuerregelung am besten ersetzen sollte. Die Initiative „Grundsteuer zeitgemäß“, darunter das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), hatte sich für eine sogenannte Bodenwertsteuer, also einer reinen Besteuerung der Grundstücksfläche unabhängig vom Gebäudewert stark gemacht. Doch dieses Modell scheint nach dem Reformvorschlag von Olaf Scholz nun aus dem Rennen zu sein.
Unterstützer des Bodenwertmodells, wie der Immobilienexperte Ralph Henger vom IW, zeigten sich daher enttäuscht. „Beide vorgeschlagenen Modelle gehen in die falsche Richtung.“ Außerdem fehle mit der Bodenwertsteuer das beste Modell,“ schlussfolgerte Henger. Den Gebäudewert richtig zu besteuern, das sei immer viel zu aufwändig. Als Wertkomponente reiche es, den Bodenwert (Bodenrichtwert) heranzuziehen.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
Nach Ansicht der Befürworter ist der Bodenwert wichtig, da er Investitionsanreize schafft, wie beispielsweise in Innenstädten verstärkt in die Höhe zu bauen. „Auch aus Gerechtigkeitsaspekten eignet sich der Bodenwert, da er die Wertunterschiede zwischen den Immobilien widerspiegelt,“ sagte Henger der WirtschaftsWoche.
Nun liegt es an den Bundesländern, welches Modell letztlich die bisherige Grundsteuerregelung ersetzt. Denn sie müssen der Reform zustimmen. Viel Zeit bleibt ihnen allerdings nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Frist bis Ende 2019 gesetzt, sonst muss die Erhebung der Grundsteuer ausgesetzt werden.