Steuerschätzung auf Rekordniveau Schäuble erwartet bessere Entwicklung für Länder und Kommunen

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Forderungen nach Mehrausgaben und Steuersenkungen

Schon in den vergangenen Tagen, als Vor-Schätz-Zahlen bekannt wurden, kam es zu Forderungen nach Mehrausgaben und Steuersenkungen. Schäuble selbst erklärte an diesem Donnerstag, an seinen Steuersenkungsvorschlägen mit einer Entlastung der Bürger um rund 15 Milliarden Euro festhalten und ab 2020 den Solidaritätszuschlag sukzessive abschaffen zu wollen.

Ob das reicht, da haben insbesondere die FDP und der Union-Wirtschaftsflügel ihre Zweifel. FDP-Parteichef Christian Lindner verlangt 30 bis 40 Milliarden Euro jährliche Entlastung, ähnlich äußert sich Carsten Linnemann von der CDU. Immerhin steigt damit die Chance, dass im Falle einer künftigen schwarz-gelben Koalition die Steuerlast sinkt.

Anders sähe es dagegen bei einer Fortsetzung der großen Koalition aus. Denn SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz will lieber mehr Geld für öffentliche Aufgaben ausgeben und vorzugsweise Geringverdiener bei ihren Sozialabgaben entlasten. Gleichwohl käme auch die SPD kaum an einer Verschiebung des Einkommensteuertarifs nach rechts herum, weil bereits knapp vier Millionen Bürger hierzulande den Spitzensteuersatz von 42 Prozent (plus Soli) zahlen. Da ist auch der ein oder andere IG Metall-Facharbeiter dabei.

Laut OECD muss der allein stehende deutsche Durchschnittsbeschäftigte aktuell eine Steuer- und Abgabenlast von 49,4 Prozent seines Einkommens stemmen – das ist in Europa Spitze, nur die Belgier werden noch stärker geschröpft. Ein Großteil der Bundesbürger darf die Früchte seiner Arbeit also nur zur Hälfte genießen, die andere Hälfte wird sofort kassiert und sozialisiert.

Das Ergebnis der im Arbeitskreis Steuerschätzung vereinten Experten ist die Basis für den Haushaltsplan des Bundes für 2018 und für die mittelfristige Finanzplanung über die kommenden fünf Jahre. In dem 1955 gegründeten Gremium, das stets hinter verschlossenen Türen tagt, sind Wissenschaftler von 27 Institutionen mit von der Partie. Dazu zählen das Wirtschafts- und Finanzministerium, Kommunalverbände, die Bundesbank, der Sachverständigenrat, die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, das Statistische Bundesamt und die Finanzministerien der Länder. Über gut 40 Einzelsteuern haben die Schätzer beraten, angefangen bei der Lohnsteuer über die Kaffeesteuer bis hin zur Rennwett- und Lotteriesteuer.

Weil die Einkommen deutlich gestiegen sind, die Steuertarife aber kaum angepasst wurden, fallen zunehmend auch Normalverdiener unter den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. 2017 dürften sich die Zahl sogar noch verdoppeln.

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