
Düsseldorf Die Operation „Gutten-Back“ hat begonnen. Ein erster öffentlicher Auftritt in Kanada, ein groß angekündigtes Interview-Buch und nun das erkaufte Ende des Strafverfahrens: Der gefallene Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bemüht sich nach Kräften, einen Schlussstrich unter die Plagiatsaffäre zu ziehen, die ihn erst seine Glaubwürdigkeit und dann seine politische Karriere kostete.
Äußerlich hat er sich gewandelt, ein paar Kilo zugelegt, seine runde Brille abgesetzt, trägt die Haare nun ins Gesicht fallend statt streng nach hinten gegeelt. Doch bei den Handelsblatt-Lesern provoziert der Ex-CSU-Star noch immer die gleichen lebhaften Reaktionen wie vor seiner Metamorphose.
In dem Strafverfahren, das Guttenberg durch die Zahlung von 20.000 Euro vermeiden konnte, hätte der Freiherr die Chance auf einen Freispruch ebenso gehabt wie das Risiko einer Verurteilung. Dem Tribunal der öffentlichen Meinung kann sich Guttenberg aber nicht entziehen. Die wenigsten Beobachter denken dabei wie „ille1975“: „Der Mann ist unschuldig. War doch alles nur ein Versehen, nur ein fiese Hetzkampagne.“ Oder wie „champagner“: „So ist unsere Republik: linkslastig und neidisch.“
Für „User111111“ und die meisten anderen Leser ist klar: „Guttenberg ist und bleibt ein Blender“. Denn er „hat die Öffentlichkeit und den Bundestagsausschuss bewusst belogen, er hat sich den Doktortitel erschlichen und dies ganz sicher nicht versehentlich“ findet „wohe“. Von Hetzkampagne könne keine Rede sein, findet „DerBernd“: „Ich möchte keinen Klempner im Haus haben, der seine Prüfung erschummeln musste.“
„In Deutschland ist Recht käuflich“
Doch Schuld oder Unschuld Guttenbergs sind auch nach dem eingestellten Verfahren für die Leser nicht das entscheidende Thema. Vielmehr erregt die Gemüter, welches schlechte Licht der Fall auf den Rechtsstaat in Deutschland wirft: „Hat Justitia für einen „besonderen“ Fall die Augenbinde abgenommen?“, fragt sich „sterbende_demokratie“. Die Antwort der Leser ist eindeutig: „Zwei-Klassen-Justiz und eine riesige Sauerei“, bewertet „Otternase“ die Einstellung des Verfahrens. „Bei uns in Deutschland ist Recht käuflich. Das ist zwar kein tragbarer Zustand, doch es ist Realität“, findet auch „RechtUndGesetz“. „Alle Menschen sind gleich, aber manche sind gleicher: siehe auch Ex-Bundeskanzler Kohl“, resümiert „Unfassbar“.
Einzig „EU-Jurist“ gibt zu bedenken, dass in Deutschland die meisten Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt würden, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft also gängiger und notwendiger Praxis entspräche. „Die Vorwürfe gegen Guttenberg mögen populär, aber nicht strafrechtlich vorrangig gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft kann nicht allen Anzeigen nachgehen.“
Doch mehr noch als die Einstellung des Verfahrens stört viele Leser, wie einfach sich Guttenberg aus der Affäre ziehen konnte. Das Urteil sei im Prinzip in Ordnung, findet „petervonbremen“. Nur die Höhe sei lächerlich: „Mit Faktor 25 hätte es auch einen Karl Theodor zum Nachdenken gebracht.“ Dass Guttenberg so von der Angel gelassen wird, ist für „einGast“ und viele andere „einfach ein Witz: Der Mann hat kürzlich eine Villa für drei Millionen gekauft. Die Verbreitung von Filmen und Musik im Internet wird teilweise härter bestraft.“
Aus Sicht der Leser dürfte Guttenberg den Makel der Affäre auch mit dem Ende des Verfahrens noch lange nicht los sein. „In vielen Fällen hat die Staatsanwaltschaft übrigens strafrelevante Punkte gefunden. Dieser dünne Freispruch zweiter Klasse ist kein Ruhmesblatt und dürfte der Familie Guttenberg überhaupt nicht gefallen“, mutmaßt „schaefer2“. Für „derBP“ bleibt nach dem erkauften Ende des Verfahrens vor allem eine Erkenntnis: „Fehler machen kann jeder, aber der Umgang damit zeigt die wahre Charakterstärke - oder halt auch nicht!“