Straße, Bahn, Luftverkehr Wie unsere Infrastruktur kaputtgespart wird

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Was der Bund in den Verkehr investiert

In den vergangenen Jahren hat sich im Bundesnetz alleine für Straße und Schiene ein Investitionsstau von rund 16 Milliarden Euro gebildet – und das ohne die Annahme, dass die spätere Reparatur unterlassener Wartung noch teurer kommt. Städte und Kommunen leiden unter einem Nachholbedarf von rund 22 Milliarden Euro, errechnete die KfW Bankengruppe. Oben drauf kommt noch die Nachsorge der Wetterkapriolen: Der Winter 2010 hat zu Schäden von rund 2,3 Milliarden Euro geführt, bilanzieren die Kommunen. Die neuerliche Schlaglochflut 2011 wird kaum weniger kosten.

Immer gravierender wird die akute Unterversorgung, weil die Belastung stetig wächst. Vor allem im Güterverkehr, so schätzt das Bundesverkehrsministerium, steigt das Transportaufkommen bis 2025 um rund 48 Prozent. Der größte Anteil -davon geht auf die Schiene, prognosti-ziert die Strategieberatung ProgTrans. „Die verfügbaren Mittel reichen kaum noch aus, alles Notwendige zur Sub-stanzerhaltung zu tun“, warnt Stefan Rommerskirchen, Geschäftsführer von ProgTrans.

Auch Straßen und Brücken haben ein Demografieproblem

Droht Deutschland also bald der Mobilitäts-GAU, den man bislang nur aus Entwicklungs- und Schwellenländern kannte? Ist die Infrastruktur auf das enorme Wachstum überhaupt vorbereitet? Der Zustand auf den Straßen, Schienen und Flughäfen weckt jedenfalls starke Zweifel, ob die Verkehrsrepublik Deutschland der Herausforderungen Herr wird.

Die mehr als 53 000 Kilometer Bundesfernstraßen und Brücken haben ein Demografieproblem. Die meisten wurden zwischen Ende der Sechziger- und Anfang der Achtzigerjahre gebaut und sind alt geworden. Sie entwickeln sich zum Sicherheitsproblem: „Wenn Tempo-80-Schilder aufgestellt werden, ist etwas im Argen“, sagt ADAC-Verkehrsexperte Wolfgang Kugele. Drei Milliarden Euro pro anno müssten allein in den Erhalt der Straßen fließen, schätzt der Experte. Die Erhöhung von 2,1 auf 2,2 Milliarden, die Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vergangene Woche ankündigte, ist deshalb nur die Fortsetzung der „Flickschusterei“, die der Minister selbst bekämpfen wollte.

Doch das Geschäft läuft anders. Obwohl im Bundeshaushalt die Mittel für Erhalt und Ausbau der Straße in unterschiedlichen Töpfen liegen, wird munter verschoben. „Zwischen 400 und 600 Millionen Euro“ flössen jährlich vom Erhalt in den prestigeträchtigeren Aus- und Neubau, schätzt der Verkehrsberater Frank Schmid. Bunte Bänder zu zerschneiden war für Politiker stets verlockender, als schnöde Sanierung zu organisieren. Für mangelnde Effizienz sorgt zudem der Föderalismus. Zwar finanziert der Bund sein Straßennetz selbst, Planung und Bau aber obliegen den Ländern. Nur haben die kein Interesse, mit dem Berliner Geld besonders wirtschaftlich umzugehen.

Auf der Schiene, bei der Deutschen Bahn, wird hingegen gespart, was die Bilanz hergibt. Die Staatstochter habe in den vergangenen Jahren ihre „Reserven deutlich heruntergefahren“, sagt Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Investierte der Konzern im Jahr 2003 noch 3,5 Milliarden Euro in Fahrzeuge und Schienenverkehr, gab er dafür 2009 nicht einmal eine Milliarde Euro aus. Gleichzeitig liegen die Abschreibungen seit Jahren deutlich höher. Der Konzern habe unterm Strich „desinvestiert“ und damit seine „Gewinne für den Börsengang in die Höhe getrieben“, sagt Böttger.

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