Straße, Bahn, Luftverkehr Wie unsere Infrastruktur kaputtgespart wird

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Abmagern für die Börse

Die Folge: Dem Konzern fehlen dringend benötigte Ersatzfahrzeuge. ICE-Züge müssen wegen außerordentlicher technischer Probleme zehnmal häufiger in die Werkstatt als vor zwei Jahren, und die restliche Flotte reicht bei Weitem nicht aus, die defekten Züge zu ersetzen. Denn auch sie ist fehleranfällig: Allein die Intercity-Flotte hat inzwischen ein Durchschnittsalter von 32 Jahren. Doch neue Züge sind kaum zu beschaffen.

Als Betreiber der Gleise und Bahnhöfe leidet die Deutsche Bahn außerdem unter den Fehlentscheidungen der Vergangenheit. So wurden seit Mitte der Neunzigerjahre allein rund 5700 Kilometer Schiene abgebaut, zahlreiche Ausweichmöglichkeiten für liegen gebliebene oder langsame Züge sind verschwunden. Das Bundesverkehrsministerium sieht deshalb einen zusätzlichen Investitionsbedarf von 700 Millionen Euro pro Jahr.

Anfällige Bahnflotte

Nicht zuletzt fordert die Moderne ihren Tribut. Mit elektronischen Stellwerken steuern Eisenbahner die Weichen aus ihren Betriebszentralen in ein- bis zweihundert Kilometer Entfernung. Was Personal einspart, wird bei Schnee und Eis zum teuren Problem. Wenn eine Weiche einfriert, hilft manchmal „einfach nur ein Pinsel mit Öl oder ein Stemmeisen, mit dem ein Eisbrocken entfernt werden kann“, sagt Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer. Doch oft vergehen Stunden, bis Personal angerückt ist. Und das System gerät aus dem Takt.

Ganz anders auf deutschen Flughäfen. Wenn es um Geld für ihre Infrastruktur geht, müssten Bahn oder Straßenbauämter neidisch werden. Besonders die größeren Airports haben in der Regel genug in der Kasse, wenn sie eine neue Startbahn oder ein Terminal bauen wollen. Zum einen dürfen die Pistenbetreiber die Kosten grundsätzlich bei den Fluglinien und den Passagieren eintreiben und Gebühren und Entgelte erhöhen. Zudem steigen besonders bei den großen Landeplätzen wie Frankfurt, München oder Düsseldorf die Einnahmen durch Nebengeschäfte wie Laden- und Büromieten.

Das Problem ist die Zeit: Bis die Flughäfen ihr Geld ausgeben dürfen, dauert es nicht selten bis zu 15 Jahre. Dafür sorgt das rigide deutsche Planungsrecht. Es zieht Genehmigungsverfahren extrem in die Länge. „Es hat länger gedauert, die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen zu bauen, als den Airbus A380 zu entwickeln, das anspruchsvollste Verkehrsflugzeug unserer Zeit“, beschreibt der gerade ausgeschiedene Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber das Problem. Selbst Umbauten werden zum Problem. „Wenn wir eine Startbahn nur um 200 Meter verlängern wollen, kann es sein, dass die Baugenehmigung bisherige Auflagen für den Betrieb verschärft und wir die Zahl der Nachtflüge verringern müssen“, klagt ein Flughafenchef. „Da wird jeder Umbau zum Risiko.“ Seit der Eröffnung des Flughafens München 1992 haben die deutschen Großflughäfen deshalb unterm Strich keine zusätzliche Bahn dazubekommen. Dabei könnte Deutschland sechs weitere Pisten gut gebrauchen. Geschätzte Kosten: vier Milliarden Euro.

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