Straße, Bahn, Luftverkehr Wie unsere Infrastruktur kaputtgespart wird

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Anflug aufs Limit

Das bringt auch die Flugbranche an Grenzen. „Wir werden in den kommenden 15 Jahren im Schnitt jedes Jahr um drei Prozent wachsen“, sagt Ralph Beisel, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. „Das bedeutet, dass wir bis 2025 von rund 190 Millionen auf dann 300 Millionen Passagiere zulegen – und die müssen irgendwo hin.“

Und das wird schwer. Zwar haben alle Flughäfen heute noch Platz für zusätzliche Flüge. Aber zu den Spitzenzeiten morgens und abends sowie am Ferienbeginnsind mindestens ein halbes Dutzend -deutscher Flughäfen dicht und müssen Fluglinien abweisen, die neue Strecken auflegen wollen. Und selbst wo der Ausbau beschlossen ist, wie in Frankfurt, München und Berlin, ist das Problem nur vorübergehend gelöst. Insider berichten, dass in Frankfurt, wo eine neue Bahn ab dem Herbst 120 statt bisher 80 Flüge pro Stunde zulässt, von den bis zu 40 neuen Startzeiten pro Stunde bereits bis zu 15 blockiert sind – auch weil die Ausbaugenehmigung das Nachtflugverbot verschärft und einige Flüge am Tag stattfinden müssen. Der Rest der Kapazität ist dann schnell ausgefüllt.

„Die Politik rechnet nicht wie ein vorsichtiger Kaufmann“

Die Augen der Verkehrsmanager und der genervten Reisenden richten sich deshalb vor allem auf Verkehrsminister Peter Ramsauer. Die Ausrede, er müsse die Fehler seiner Vorgänger ausbaden, wird ihm nicht mehr lange helfen. Nachdem BahnChef Rüdiger Grube vergangene Woche im Berliner Abgeordnetenhaus und vor den Länder-Verkehrsministern Buße tun musste, legt Ramsauer erst kommenden Mittwoch im Bundestag Rechenschaft ab. Vorrang für Erhalt statt Neubau hat er bereits gefordert, ebenso die bessere Organisation von Streusalzlagern und Enteisungsmittel-Vorräten. Darüber hinaus dürften von Ramsauers Winterbilanz keine Wunderdinge erwartet werden, heißt es aus seinem Haus. Allen Beteiligten ist klar, dass die Rekordverschuldung keinen plötzlichen Geldsegen zulässt. Die Pkw-Maut bleibt vorerst ein Tabu, die chronische Unterversorgung aber erhalten.

Auf einen echten Systemwandel hoffen Experten schon lange. „Die Politik rechnet nicht wie ein vorsichtiger Kaufmann“, sagt Tilman Bracher, Infrastrukturexperte am Deutschen Institut für Urbanistik. Obwohl jedes Bauwerk altert und irgendwann quasi neu finanziert werden muss, „bildet der Staat keine Rückstellungen“.

Unter Fachleuten findet deshalb eine Idee immer mehr Anhänger, die den Bund zum Besteller von Straßeninfrastruktur machen würde. Die Länder würden nicht mehr nur planen und ausführen, sondern in die Mitverantwortung geholt. Statt jährlicher Haushaltsmittel könnten sie im Gegenzug über fünf Jahre hinweg garantierte Bundesmittel je nach Bedarf einsetzen und eingespartes Geld selber verwenden – wenn sie die vereinbarte Qualität geliefert haben. So entstünden Anreize für wirtschaftlichen Straßenbau.

Besonders grotesk wird das Milliardenspiel beim Staatskonzern Bahn. Rund vier Milliarden Euro lässt sich der Bund das Schienennetz pro Jahr kosten – ein Viertel für den Neubau. Weitere 500 Millionen Euro zahlt die Deutsche Bahn. Es wirkt absurd, wenn der Bund in den kommenden Jahren 500 Millionen Euro Dividende von der Bahn einfordert, nachdem er vorher vier Milliarden investiert hat. Doch der Verzicht auf die Dividende ist kein Thema: „Bei einer Aktiengesellschaft ist es normal, dass Aktionäre über Dividenden am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens partizipieren“, bekräftigt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). „Seit der Bahnreform 1994 hat der Bund weit über 100 Milliarden Euro in das Unternehmen gesteckt und bis heute nicht einen Euro zurückerhalten.“ Nun ginge es vor allem um „eine intelligente Umstrukturierung des alten Staatskonzerns Bahn“.

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