Streit mit den USA Merkel sucht bei Besuch in China Verbündete für Iran- und WTO-Abkommen

Angela Merkel reist zu einem Kurzbesuch nach Peking und in die Wirtschaftsmetropole Shenzhen. Dort könnte die Kanzlerin neue Verbündete finden.

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China: Angela Merkel sucht Verbündete für Iran- und WTO-Abkommen Quelle: Reuters

Berlin Reisen der Bundeskanzlerin werden derzeit mit Argusaugen beobachtet. Denn obwohl Angela Merkel offiziell nur den Reigen an Antrittsbesuche ihrer vierten Amtszeit hinter sich bringt, stellt sich bei den Visiten in den USA, Russland und am Mittwoch nun China stets die Frage, ob sich hier die künftige internationale Aufstellung in Großkonflikten ablesen lässt.

Immerhin sorgt US-Präsident Donald Trump mit seinem Ausscheren aus dem internationalen Regelsystem bei Klima, Handel und Iran dafür, dass sich die Europäer nach anderen Partnern umschauen. „Mit solchen Freunden kann man sich fragen, wer Feinde braucht“, hatte der überzeugte Transatlantiker und EU-Ratspräsident Donald Tusk vergangene Woche mit Blick auf Trump gesagt.

In der aufstrebenden Weltmacht China findet Merkel Ansprechpartner vor, die sowohl bei Iran, Klima und – in eingeschränktem Maße – auch beim Handel eher europäische Positionen teilen. „China und Deutschland bekennen sich zu den Regeln der WTO“, betonte Merkel deshalb am Samstag in ihrem Video-Podcast – fügte aber hinzu, dass sie sehr wohl darüber sprechen werde, wo China die Regeln trotz blumiger Worte nicht einhalte: etwa beim gegenseitigen Marktzugang oder Fragen des geistigen Eigentums.

Ganz so harmonisch wird der kurze Besuch in Peking und der südlichen Wirtschaftsmetropole Shenzhen also nicht verlaufen. Zumal sich in der EU auch zunehmend Skepsis aufbaut, ob Chinas Seidenstraßen-Initiative wirklich im Sinne der teilnehmenden Staaten ist.

Der Chef des China-Instituts Merics, Sebastian Heilmann, fordert jedenfalls eher die Formulierung knallharter Interessenpolitik – sieht da aber derzeit viel Übereinstimmung gerade in der Aufstellung gegenüber den USA. „Die EU und China sollten jetzt die Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen forcieren – dies würde auch Druck auf die USA entfalten“, sagte er im Reuters-Interview. „Beide Seiten sollten auch aktiv daran arbeiten, den privilegierten Rang des Dollar als internationale Leit- und Reservewährung schrittweise zu begrenzen.“

Hintergrund sind vor allem die Sanktionsdrohungen der USA auch gegen Firmen aus Drittstaaten, die sich nicht an die neuen amerikanischen Iran-Sanktionen halten wollen. Einer der Hebel dafür ist, dass US-Gerichte beanspruchen, für weltweite Geschäfte zuständig zu sein, wenn sie in Dollar abgewickelt werden.

Sowohl die EU als auch China als weltweit größte Handelsblöcke haben aber Interesse daran, dass der Euro und der Yuan weltweit an Bedeutung gewinnen. Trumps Alleingänge, so argumentiert Heilmann, mache es den Europäern leicht, endlich eigene Interessen zu formulieren und durchzusetzen. Dazu gehört, gemeinsam den US-Sanktionsdrohungen zu trotzen.

Allerdings sehen dies deutsche Firmen trotz des großen Interesses am chinesischen Markt viel zurückhaltender. „Grundsätzlich bin ich nicht der Meinung, dass Deutschland und die EU, auch zusammen mit China, Schritte unternehmen sollten, die gegen die Vereinigten Staaten gerichtet sind“, sagte etwa der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Hubert Lienhard, zu Reuters. „Langfristig wäre das einfach nicht klug“, fügte er mit Blick auf die Bedeutung des US-Marktes für die Firmen hinzu.

Auch bei ihrem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Merkel deshalb vermieden, trotz des gemeinsamen Bekenntnisses etwa zum Iran-Abkommen nun einen Schulterschluss mit Russland gegen den Nato-Partner USA zu zelebrieren.

In China dürfte dies ähnlich sein, auch wenn Merics-Chef Heilmann erwartet, dass die Bedeutung des Iran- und WTO-Abkommens Streitthemen etwas in den Hintergrund treten lassen dürfte. Aber die Kanzlerin verwies bereits auf Differenzen etwa bei Rechtsstaatlichkeit. EU-Diplomaten beklagen zudem ein erheblich aggressiveres Verhalten in der chinesischen Außenpolitik.

Angesichts des Gefühls der eigenen Einzigartigkeit und Weltmachtrolle, so ein EU-Diplomat, sei Chinas Bereitschaft zu echtem Multilateralismus wie bei Trump immer nur auf die Punkte beschränkt, die dem Land aus Sicht der kommunistischen Führung gerade nutzten. Ein Warnsignal für Merkel und die EU könnte die Vereinbarung der beiden Supermächte USA und China sein, ihren Handelsstreit beizulegen, weil sich China plötzlich bereit erklärt, sehr viel mehr US-Waren zu kaufen.

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