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Streit um Armutszuwanderung spitzt sich zu "Die CSU hat Europa nicht verstanden"

Im Streit um Armutszuwanderung und Arbeitnehmer-Freizügigkeit wird der Ton schärfer. Nicht nur die SPD gibt der CSU in der Diskussion kräftig Kontra, auch vom Auswärtigen Amt kommen deutliche Worte.

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Michael Roth, Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, spricht von

Der Koalitionsstreit um den Umgang mit Armutszuwanderung aus osteuropäischen EU-Staaten verschärft sich. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte der "Süddeutschen Zeitung" vom Donnerstag mit Blick auf die Forderungen der CSU nach Beschränkungen für Menschen aus Bulgarien und Rumänien, wer die Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stelle, schade Europa und Deutschland. "Die europäischen Freiheiten sind der Kern unserer Idee von Europa, die Arbeitnehmer-Freizügigkeit ist ein unverzichtbarer Teil der europäischen Integration. Deutschland hat davon ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert", sagte der SPD-Politiker.

Bürger Bulgariens und Rumäniens haben seit dem Jahreswechsel volle Freizügigkeit in Deutschland und können auch hier arbeiten. Die CSU fordert schärfere Beschränkungen, um eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" zu verhindern. CSU-Chef Horst Seehofer hatte diese Position am Mittwoch bekräftigt.

In einer Beschlussvorlage der CSU-Landesgruppe für ihre Klausur in wenigen Tagen wird der "Süddeutschen Zeitung" zufolge der "fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung" angeprangert. Die CSU fordert eine Wiedereinreisesperre etwa nach Sozialbetrug und brachte eine Aussetzung aller Sozialleistungen während der ersten drei Monate des Aufenthalts in die Debatte. Die Bundesregierung hatte zurückhaltend auf die Forderungen reagiert.

Das sozialdemokratisch geführte Arbeitsministerium verweist dagegen darauf, dass es keine größeren Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Freizügigkeit für Bürger aus Rumänien und Bulgarien erwarte.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), attackierte die CSU noch deutlicher. "Die CSU hat Europa nicht verstanden. Und offenkundig will sie es auch nicht." Dies habe sich bereits in den Koalitionsverhandlungen gezeigt, sagte er der SZ. Deutschland profitiere als Exportnation von offenen Märkten und Freizügigkeit. Die CSU mache mit "dummen Parolen" Stimmung gegen Migranten und beherrsche "noch nicht einmal die Faktenlage". „Das ist nicht das Niveau, auf dem die große Koalition arbeiten darf“, sagte Roth. Wenn es Probleme in einzelnen Kommunen gebe, stehe die SPD bereit, zu helfen. Die Klaviatur, auf der die CSU spiele, sei aber „äußerst gefährlich“.

Der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, wies die Kritik an seiner Partei zurück. Er habe keinerlei Verständnis, „wenn die CSU die Einhaltung des EU-Rechts fordert und dafür in die rechte Ecke gestellt wird“, sagte Ferber der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag). Die europäische Rechtslage sei eindeutig: „Jeder EU-Bürger darf sich 90 Tage lang in einem anderen EU-Land aufhalten, um sich eine Arbeitsstelle zu suchen. In dieser Zeit hat er keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Und er muss in sein Land zurückkehren, wenn er keinen Job findet.“ Er gab sich zuversichtlich, das auch in deutsche Gesetze umsetzen zu können: „Wir werden die richtige Balance finden.“

In der CDU hob Parteivize Armin Laschet erneut seine komplett andere Sichtweise hervor. Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien werde „ein Gewinn für unsere älter werdende Gesellschaft sein“, sagte der Landeschef von Nordrhein-Westfalen und dortige frühere Integrationsminister der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag). Er stellt aber auch klar: „Nur wer einen Arbeitsplatz hat, kann nach Deutschland kommen.“ Eine Einwanderung in die Sozialsysteme sei europarechtlich ausgeschlossen.

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