Streit um Finanzierung Warum das Grundeinkommen sehr wohl finanzierbar ist

Quelle: imago images

Eine Studie der ökonomischen Berater des Finanzministeriums kommt zu dem Schluss: Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht finanzierbar. Diese Behauptung wird professoralen Beiräten nicht gerecht, schreibt Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar in einem Gastbeitrag.

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Beginnen wir mit einem simplen Experiment. Morgens zahlen Sie 1000 Euro an den Fiskus, abends erhalten Sie vom Staat 1000 Euro auf Ihr Konto zurücküberwiesen. Wie hoch ist Ihre Steuerlast? Richtig: Null. Die morgendliche Zahlung wird durch die abendliche Rückzahlung vollständig neutralisiert.

In Stufe zwei des Experiments geht es nicht allein um Sie, sondern um alle. Da soll der Staat jeder in Deutschland lebenden Personen Monat für Monat ein Grundeinkommen von 1000 Euro ausbezahlen, was sich im Jahr auf 12.000 Euro addiert. Dazu bedarf er bei einem aktuellen Bevölkerungsstand von 83,1 Millionen Personen ziemlich genau einer Billion Euro (genau genommen sind es nur 996 Milliarden). Um diese Billion Euro ausschütten zu können, würde nun der Fiskus im Laufe des Jahres eine Steuer erheben, so dass er insgesamt genau eine Billion Euro einzusammeln in der Lage ist.

Wie hoch fällt damit die Steuerlast für die Bevölkerung insgesamt aus? Richtig: null. Die Billion Steuereinnahmen (deren Sinn und Zweck ja war, damit das Grundeinkommen finanzieren zu können) wird in voller Höhe als Grundeinkommen an die Bevölkerung zurückgegeben. Die gesamtwirtschaftliche Steuerbelastung wird durch ein Grundeinkommen in keiner Weise verändert. Oder anders ausgedrückt: Das Grundeinkommen ist gesamtwirtschaftlich steuerneutral und lässt sich vollumfänglich ohne Steuererhöhung finanzieren.



Angesichts der unbestreitbaren Logik des Experiments ist es schon verblüffend mit welcher intellektuellen Chuzpe immer wieder behauptet wird, dass ein Grundeinkommen nicht finanzierbar sei. So wird ein noch unveröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium folgendermaßen zusammengefasst: Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde demzufolge 900 Milliarden Euro kosten – und radikale Steuererhöhungen nötig machen. Und weiter: Selbst wenn ein Grundeinkommen nur teilweise eingeführt würde, müssten die Steuern stark steigen. Ein umfassendes und existenzsicherndes BGE sei „überhaupt nicht mehr aufkommensneutral zu finanzieren“. Diese Folgerung ist schlicht falsch. Ein Grundeinkommen lässt sich sehr wohl ohne eine höhere Steuerbelastung der Bevölkerung finanzieren. Das hat nichts mit Hokuspokus, falschen Versprechungen oder naiver Ideologie zu tun. Es ist – wie im genannten simplen Gedankenexperiment veranschaulicht – die nüchterne Folge einfacher Logik.

Was die Bevölkerung mit der einen Hand an Steuern zur Finanzierung des Grundeinkommens zu zahlen hat, erhält sie direkt und unmittelbar mit der anderen Hand in Form des Grundeinkommens in vollem Umfang zurück. Dafür bedarf es nicht eines einzigen Euros höherer Steuern. Denn der Nettoeffekt für die Gesellschaft insgesamt ist ein Saldo von Null – deshalb auch der Begriff Nullsummenspiel. Weder steigen die Steuerbelastung für die Gesellschaft insgesamt noch die Durchschnittssteuerbelastung pro Kopf. Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote bleibt mit oder ohne Grundeinkommen auf exakt dem gleichen Niveau. So einfach ist es, das so provokativ vorgetragene Argument der Nicht-Finanzierbarkeit zu widerlegen.

Was gegenüber der heutigen Situation allerdings fundamental anders aussehen würde, sind die Nettosteuerbelastungen für unterschiedliche Einkommenshöhen. Denn die Bruttosteuersätze würden je nach Ausgestaltung der Finanzierungsgrundsätze mehr oder weniger dramatisch ansteigen. Für die Besserverdienenden dürften auch die Nettosteuersätze (bei denen das Grundeinkommen dagegen gerechnet wurde) deutlich höher als heute liegen. Geringverdienende hingegen dürften netto weniger stark als bis anhin zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen müssen. Denn die meisten müssen ja nicht nur Steuern zahlen, sondern auf ihren Gehältern als Unselbständige auch noch Abgaben an die Sozialversicherungssysteme entrichten.

Dabei ist eines wichtig: Was als paritätische Finanzierung hoch gehandelt wird, ist im Endeffekt immer eine einseitige Sache. Ob der Arbeitgeber seinen Teil der Sozialversicherungsbeiträge auf ein Konto der Sozialkassen oder direkt auf das Konto von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern ausbezahlt, ändert rein gar nichts daran, dass es für ihn Kosten sind, die durch Ansprüche der Beschäftigten entstehen. Oder kurz gesagt: Es ist immer das Geld der Beschäftigten – selbst, wenn es auf die Konten der Sozialversicherung fließt. Es sind immer die Arbeitgeber, die 100 Prozent zahlen und sind immer die Beschäftigten, die die Sozialversicherungen zu 100 Prozent finanzieren.

Damit zeigt sich eines ganz deutlich: Ein Großteil des Streits für oder gegen ein Grundeinkommen dreht sich um (Um-)Verteilungseffekte. Es geht gar nicht darum, ob ein Grundeinkommen finanzierbar ist, das ist es in jedem Falle immer und zwar ohne höhere Steuerlasten für die Bevölkerung. Viel mehr dreht sich alles um die Frage, wer finanziert was und wen? Viele Kritiker des Grundeinkommens verfolgen mit dem Argument der Unbezahlbarkeit sehr oft gar nicht das große Ganze, sondern verteidigen die Besitzstände jener, die von der bisherigen Situation profitieren.

Grundeinkommen müsste den heutigen Sozialstaat ersetzen

Richtig ist, dass es kein „Sowohl als auch“ geben kann. Würde das Grundeinkommen auf das bestehende Sozialsystem aufgepfropft, müssten die Brutto-Steuersätze in der Tat enorm angehoben werden und für die Maße der Bevölkerung würde die Nettosteuerlast jenseits dessen liegen, was sie zu akzeptieren gewillt ist. Da hat der Beirat beim Bundesfinanzministeriums zweifelsfrei recht. Nur ein „Entweder-oder“ kann die Akzeptanz von Wirtschaft und Gesellschaft finden. Ein Grundeinkommen müsste den heutigen Sozialstaat ersetzen –und zwar vollständig und nicht nur in Teilen.

Der irrige Vorwurf der Nicht-Finanzierbarkeit macht hingegen deutlich, dass das Grundeinkommen im Wesentlichen eine große Steuerreform im Fokus hat. Denn es genügt eben nicht, nur ein Grundeinkommen zu fordern oder zu kritisieren, ohne gleichzeitig nicht auch aufzuzeigen, durch welche Quellen es finanziert werden soll. Denn nur wenn beide Seiten, das Grundeinkommen und seine Finanzierung offengelegt werden, wird transparent gemacht, wer wen und was finanziert und wie sich am Ende und in Summe für Einzelne die Nettosteuerbelastung mit oder ohne Grundeinkommen darstellt.

An der Stelle die steuerlichen Nettowirkungen aufzuzeigen und Klartext zu reden, würde offenlegen, in welchen Dimensionen der heutige Sozialstaat systematisch Frauen gegenüber Männern, Junge gegenüber Älteren diskriminiert und Kapitaleinkünfte gegenüber Arbeitseinkommen privilegiert. Und es würde ersichtlich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen genau diese systematische Benachteiligung der einen und Bevorteilung der anderen verhindert, weil es alle gleich behandelt – unabhängig von Alter und Geschlecht oder ob Einkünfte durch Arbeiter oder Roboter geschaffen werden. Wäre es für professorale Beiräte nicht intellektuell redlicher, sich damit auseinanderzusetzen, anstatt eine Nicht-Finanzierbarkeit zu behaupten, die sich mit einfachen Überlegungen als komplett falsch widerlegen lässt?

Von Thomas Straubhaar ist gerade das Buch Grundeinkommen jetzt! Nur so ist die Marktwirtschaft zu retten“ erschienen.

Mehr zum Thema: Die Hälfte der Deutschen ist für ein staatliches Grundeinkommen. Doch die meisten Politiker sind dagegen, auch der Finanzminister. Warum? Eine Studie seiner ökonomischen Berater gibt Antworten.

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