Streit um Kindergrundsicherung „Noch mehr Geld für Eltern führt in den wenigsten Fällen zu mehr Erfolg“

Die Ampel-Koalition ist uneinig, wie Kinder künftig unterstützt werden sollen. Quelle: imago images

Die Grünen drängen auf eine direkte Kindergrundsicherung. Geschätzte Mehrkosten: mindestens 10 Milliarden Euro. Zu aufwendig und an den Bedürfnissen vorbei, kritisiert FDP-Finanzexperte Markus Herbrand. Ein Gastbeitrag.

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Für uns Freie Demokraten gehören das Aufstiegsversprechen und Chancengleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger zu den Grundwerten unseres politischen Handelns. Das klare Bekenntnis der Ampel-Koalition zur Stärkung vor allem von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen und ärmeren Bevölkerungsgruppen ist daher absolut richtig und wird von uns uneingeschränkt unterstützt. In diesem Sinne haben wir auch gemeinsam die Gestaltung einer Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag vereinbart. Die von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hierfür nun vorgelegten Eckpunkte und die von ihr und ihrer Partei geforderten Milliardenbeträge – die Diskussion reicht von 10 bis hin zu 30 Milliarden Euro – schießen allerdings über das Ziel hinaus.

Bereits jetzt stellt die Ampel-Koalition ärmeren Familien mit der Kindergelderhöhung, den höheren Regelsätzen in SGB II und XII, dem Kindersofortzuschlag und einem erhöhten Kinderzuschlag zusätzlich bis zu 116 Euro im Monat und pro Kind zur Verfügung.

Die nun von Ministerin Paus geforderte vollständige Verlagerung der Kindergrundsicherung ins Sozialrecht verkennt die Notwendigkeit, finanzielle Ansprüche fachgerecht zu prüfen und mit den Daten der Finanz- und Steuerbehörden abzugleichen, um Missbrauch zu verhindern.

Markus Herbrand Quelle: PR

Zur Person

Bloß keine Sozialhilfekarriere fördern

Die richtigen Ziele Armutsprävention und verbesserte Teilhabe von Kindern dürfen nicht dazu führen, dass wir uns gutgläubig ausnutzen lassen. Auch die Grünen müssen erkennen, dass noch mehr Geld für die Eltern allein in den wenigsten Fällen automatisch zu mehr Erfolg führt. Stattdessen benötigen wir mehr Personal in Schulen und Jugendämtern, mehr digitale Lernangebote und eine Neubelebung des Aufstiegsversprechens.

Auch die Eltern müssen stärker in die Pflicht genommen werden, um den langfristigen sozialen Aufstieg ihrer Kinder durch Ausbildung oder Studium zu unterstützen und nicht einfach mehr Geld für die minderjährigen Kinder abzukassieren. Wenn die Kindergrundsicherung als bequemes Ruhekissen bis zur Volljährigkeit missverstanden wird, ist der Weg zum anschließenden Bürgergeld-Bezug nicht weit und wir haben bis auf gestiegene Kosten nichts erreicht.

Vorsicht bei Zentralismus

Kritisch ist auch der überaus ambitionierte Plan zur Zentralisierung aller Leistungen in der Kindergrundsicherung zu betrachten. Es ist ein naiver Glaube der Bundesfamilienministerin, dass ein automatischer Datenabgleich im föderalen Dschungel aus Dutzenden Finanz- und Sozialverwaltungen in den Ländern und unterschiedlichsten Bundesbehörden in weniger als zwei Jahren reibungslos funktioniert. Immerhin hängen wir ja leider auch bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und dem digitalen Angebot aller Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen massiv hinterher.

Frau Paus verkennt die Realität staubiger Handakten und Faxgeräte in nach wie vor zu vielen Behördenzimmern. Das zurecht hohe Datenschutzniveau in unserem Land tut sein Übriges, um den von ihr angestrebten Zeitplan von Beginn an ins Wanken zu bringen. Anstatt auf diesen Turbogang bei der Digitalisierung zu hoffen, täten die Grünen gut daran, endlich ihre ideologiegetriebene Blockadehaltung bei den Verhandlungen über Planungsbeschleunigungsmöglichkeiten aufzugeben, damit tatsächlich schneller geplant und umgesetzt werden kann.




Mehr Kindergeld kommt oft nicht Kindern zugute

Bis dahin schlagen wir Freien Demokraten vor, verbesserte Antragstellungen und das von uns geforderte Kinderchancenportal unkompliziert vorzuziehen, um die Situation von Familien zügig zu verbessern. Ein Kinderchancenportal könnte die bestehenden Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket einfach online abrufbar machen und einen Beitrag leisten, dass die vorhandenen Instrumente umfassender als bisher genutzt werden. Und es würde im Gegensatz zu den grünen Vorschlägen deutlich erschweren, dass Eltern das zusätzliche Geld einfach für ihre eigenen Bedürfnisse wie beispielsweise Alkohol oder Zigaretten verwenden.

Neben einer besseren Kontrolle der eingesetzten Gelder für bedürftige Kinder ist auch die Abstimmung auf andere Sozialleistungen wie beispielsweise das erst kürzlich verabschiedete Bürgergeld und auf das Steuersystem notwendig.

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Vom Bundesfamilienministerium wünsche ich mir zudem eine objektive Bestandsaufnahme, welche Möglichkeiten zum Bürokratieabbau durch die geplante Bündelung von Einzelmaßnahmen bestehen und wie mögliche Doppelstrukturen verhindert werden können. Ohne diesbezüglich klare Konzepte besteht die große Gefahr, dass durch die im grünen Eckpunktepapier geforderte Ausgestaltung der Kindergrundsicherung vor allem Geld verbrannt und Chaos im Behördendschungel verursacht wird.

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