Ob sich Bodo Ramelow wieder auf eine Runde „Candy Crush“ einstellt, ist nicht bekannt – aber auf Thüringens Ministerpräsident kommt am Dienstag wohl wieder eine längere Sitzung zu. Gemeinsam mit den anderen Länderchefinnen und -chefs ist er von der Kanzlerin zur Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) eingeladen worden, um über weitere Pandemiemaßnahmen zu beraten. Los geht's am Mittag, per Videoschalte.
Ende März hatte die Runde ihren bisherigen Sitzungsrekord aufgestellt. Damals tagte sie bis 2.30 Uhr in der Nacht, heraus kam die „Osterruhe“, die kurz darauf für nicht umsetzbar erklärt wurde. Angela Merkel (CDU) entschuldigte sich öffentlich für den Flop.
Kommt ein MKP heraus?
Doch auch an diesem Dienstag dürfte aus der MPK keine Master-Plan-Konferenz werden. Zu groß ist der Streit über die richtige Strategie: Ist die Inzidenz noch der richtige Indikator? Und vor allem: Sollten Ungeimpfte die gleichen Rechte haben wie Geimpfte? Am Ende droht ein MKP: Ein Mini-Kompromiss-Programm.
Keine Bund-Länder-Runde war so beeinflusst von der anstehenden Bundestagswahl wie diese. Pandemie, nein danke. Profilierung, ja bitte. Das gilt dieses Mal noch mehr also sonst – was jedoch allein wenig bringt, um die vierte Welle auszubremsen: 17 Landkreise haben die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 bereits wieder überschritten, Flensburg steht an der Spitze mit einem Wert von 89,8 (Stand 10.8.).
Unstimmigkeiten über die Strategie gibt es nicht nur über Ländergrenzen hinweg, sondern auch innerhalb der Parteien. Dass er den Konfrontationskurs mit der jetzigen Regierung nicht scheut, machte NRW-Ministerpräsident, CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet bereits klar. „Wer geimpft, genesen oder getestet ist, den darf der Staat nicht von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnehmen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Geimpft, Genesen oder Getestet, das ist die so genannte 3-G-Regel, die aus Laschets Sicht „sinnvoll, maßvoll und umsetzbar“ ist.
Damit widerspricht er jedoch ausgerechnet den Überlegungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der ihn in seiner Kandidatur um den Parteivorsitz unterstützt hatte. Denn Pläne aus Spahns Ressort sehen vor, dass es für Ungeimpfte unter bestimmten Entwicklungen bei Impfquote, Inzidenz und Intensivstationsbelegung weitgehende Einschränkungen geben könnte.
Nur Geimpfte und Genesene – also 2G statt 3G – dürften dann etwa Veranstaltungen und die Gastronomie besuchen. 54,9 Prozent der Bevölkerung sind bisher vollständig geimpft (Stand: 8.8.).
Konzerte und Restaurants nur für Geimpfte und Genesene?
Beendet werden soll nach BMG-Vorschlag ab Mitte Oktober auch das Angebot der kostenlosen Schnelltests. Nur für Menschen, die nicht geimpft werden können oder für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt wie Schwangere oder Unter-18-Jährige, solle es weiterhin kostenlose Tests geben.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) geht ohnehin davon aus, dass sich die 3G-Frage spätestens im Herbst quasi durch den Markt regeln wird, „weil Hoteliers, Clubs, Veranstalter sagen werden: ,Sorry, bei mir kommst du nur mit einem Test nicht mehr rein.‘“, erklärte Brinkhaus der „Welt am Sonntag“: „Ich glaube, der Druck durch den geimpften Teil der Bevölkerung wird enorm zunehmen.“
„Die Regierung arbeitet nach der alten Methode“
Unterstützung erhält Laschet von der FDP, mit der er in NRW regiert. Die bisherige Bundesregierung verfolge mit ihrer Impfstrategie einen Kurs von oben herab, der vor allem Widerwillen schüre, kritisiert Andrew Ullmann: „Die Regierung arbeitet immer noch nach der alten Methode: Wir sagen der Bevölkerung, wo es lang geht. Das ist eine Art Erziehung“, sagte Infektiologe und Obmann der FDP im Gesundheitsausschuss des Bundestags der WirtschaftsWoche. Zudem sei die 2G-Regel „unbegründet und nicht verhältnismäßig“. Denn auch Geimpfte und Genesene könnten theoretisch Viren tragen und ansteckend sein. „Die 2G-Regel ist für mich eine indirekte Impfpflicht.“
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) teilt eine ähnliche Ansicht: „Ich glaube, mit Überzeugung kommt man weiter als mit Druck“, sagte er dem „Handelsblatt“. Ansätze, Nicht-Geimpfte von bestimmten Veranstaltungen oder Besuchen auszuschließen, halte er für „wenig zielführend“. So sei es nicht möglich, eine klare Abgrenzung zur Grundversorgung eines Menschen zu treffen.
„Wir laufen in eine Katastrophe hinein“
Ullmann fordert derweil mehr Aufklärung über Impfungen gegen das Coronavirus. „Ich halte es für sehr problematisch, wie die Querdenker teilweise auftreten. Da müssen wir seriös dagegenhalten“, forderte der Bundestagsabgeordnete. „Warum kann das Gesundheitsamt keinen Informationsstand fürs Impfen in der Fußgängerzone aufstellen?“
Gebe es bei den Impfungen zu wenig Fortschritt, würden Herbst und Winter problematisch. „Wir laufen in eine Katastrophe hinein, wenn wir es nicht vernünftig und verhältnismäßig angehen. Wir müssen noch vieles tun dafür“, betonte Ullmann.
Für Merkel könnte es die letzte MPK vor der Bundestagswahl sein – einen weiteren Flop wird sie verhindern wollen.
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