Streitgespräch Brauchen wir die D-Mark neben dem Euro?

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Meyer: Zeitgewinn durch Parallelwährung

Jeder dritte Deutsche sehnt sich nach der D-Mark
Der Fünf-Euro-Schein zeigt Bettina von Arnim: Vor allem Menschen zwischen 40 und 49 Jahren sind skeptisch. Hier wünscht sich knapp die Hälfte der Befragten die alten Zahlungsmittel zurück. Quelle: Bundesbank
In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sind lediglich 16 Prozent skeptisch gegenüber dem Euro. 35 Prozent der 60-bis 69-Jährigen wünschen sich die D-Mark ebenfalls zurück. Quelle: Bundesbank
Annette von Droste-Hülshoff ziert den 20 D-Mark-Schein: Besonders Arbeiter und Hausfrauen trauern der D-Mark nach; Schüler und Studenten hingegen nur in ganz geringem Maße. Quelle: Bundesbank
"Früher war alles besser" sagen mit 37 Prozent vor allem Menschen, die mit einem Netto-Einkommen zwischen 1000 und 2000 Euro leben. Sie sind die D-Mark-Liebhaber unter den Deutschen. Quelle: Bundesbank
Unter denjenigen, die mehr als 4000 Euro im Monat verdienen, sind lediglich 21 Prozent D-Mark-Liebhaber. Sie machen sich schlicht keine Gedanken darüber. Quelle: Bundesbank
Zum Thema Inflation: Der Aussage "Durch die Inflation werden die Sparer schleichend enteignet" stimmten lediglich 34 Prozent zu. Quelle: Bundesbank
Rund die Hälfte der 60- bis 69-jährigen Befragten stimmt der Aussage nach der Enteignung allerdings zu - das ist der höchste Wert. Lediglich 28 Prozent in den Altersklassen der 18 bis 49-Jährigen ist davon überzeugt. Quelle: Bundesbank

Meyer: Das Parallelwährungskonzept schließt interne Abwertungen nicht aus. Jedes Land soll selbst entscheiden, welchen Weg es gehen will oder kann. Gerade für Länder mit massiven Reformwiderständen bietet die externe Abwertung durch eine eigene Parallelwährung einen Zeitgewinn, der langfristigen Reformen den Weg ebnen kann.

Rolf Langhammer Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Langhammer: Ich glaube, dass Sie und andere Befürworter von Parallelwährungen nicht die Sicht der Krisenländer vertreten, sondern die der Gläubiger, die Angst haben, dass sie die Zeche zahlen müssen. Nicht umsonst kommen die Vorschläge zu Parallelwährungen vor allem aus Deutschland, nicht aber aus Griechenland oder Portugal. Sie haben immer noch nicht verstanden, wie ein Binnenmarkt funktioniert. Das Defizit an Vertrauen, das zwischen den Ländern der Euro-Zone herrscht, kann man nur dadurch beseitigen, dass man die Integration vorantreibt. Parallelwährungen hingegen bewirken das Gegenteil. Sie führen zu Desintegration.

Meyer: Wer wie Sie auf mehr Integration setzt, verweigert sich der Erkenntnis, dass die Länder der Währungsunion nicht zusammenpassen. Es gehen tiefe Risse durch Europa. Der Streit zwischen Deutschland und Frankreich über die Rolle und die Politik der EZB belegt dies deutlich. Parallelwährungen können das zerrüttete Verhältnis zwischen den Ländern entspannen, weil jedes Land zu einer eigenständigen Geldpolitik zurückkehren kann.

Welche konkreten Folgen hätten Parallelwährungen denn für den Alltag der Bürger. Müssen wir mit zwei Portemonnaies herumlaufen?

Meyer: Sicherlich nicht. Es dürfte sich schnell eine Währung als Transaktionsmittel für Güterkäufe durchsetzen. In Deutschland könnte das die D-Mark sein, in Griechenland die Drachme. Es wäre sogar möglich, die nationale Währung nur als elektronisches Geld einzuführen. Dann würden alle Käufe weiter in Euro abgewickelt und die Beträge anschließend in D-Mark oder Drachme umgerechnet. In Deutschland etwa könnte die Preisauszeichnung in den Supermärkten auf D-Mark lauten. An der Kasse wird dann zum tagesaktuellen Kurs in Euro umgerechnet und in Euro gezahlt.

Langhammer: Dann erfüllt Ihre Parallelwährung aber nicht alle drei zentralen Funktionen von Geld, nämlich die des Zahlungsmittels, der Recheneinheit und der Wertaufbewahrung.

Dirk Meyer Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Meyer: Das muss sie auch nicht. Für Deutschland käme es darauf an, dass die Bürger D-Mark als Mittel zur Wertaufbewahrung halten können, um sich gegen Inflationsgefahren zu schützen. In Griechenland stünde die Zahlungsmittelfunktion im Vordergrund, weil es darum geht, durch die Abwertung billiger zu werden, die Standortattraktivität zu erhöhen und Investitionen anzukurbeln. Sparen könnten die Griechen weiter in Euro.

Langhammer: Mit einer Parallelwährung richten Sie in kleinen offenen Volkswirtschaften wie Griechenland, die auf den Import von Investitionsgütern angewiesen sind, um wieder auf die Beine zu kommen, großen Schaden an. Sie treiben einen Keil in die Wirtschaft. Unternehmen, die nicht über genügend Euro verfügen und mit Drachme zahlen müssen, werden Waren aus dem Ausland nur noch gegen Vorkasse beziehen. Das ist ein Nährboden für massive Verteilungskonflikte innerhalb der heimischen Wirtschaft.

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