
Aller guten Dinge sind drei? Diese Redewendung gilt offenbar nicht für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zum dritten Mal trat die CDU-Politikerin am Sonntagabend zum TV-Duell. Zwei Mal verlor sie, so jedenfalls die Bewertung der Zuschauer. 2005 gegen Amtsinhaber Gerhard Schröder und 2009 gegen SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Auch dieses Mal konnte sie im Streitgespräch mit ihrem Herausforderer Peer Steinbrück nicht entscheidend punkten – obwohl sich auch der SPD-Kandidat zunächst schwer tat.
Die erste Frage ging an den ehemaligen Finanzminister unter Merkel. Doch statt zu attackieren und klar zu machen, was er in den kommenden Minuten vorhat, rattert der SPD-Mann seinen Text herunter. Gut auswendig gelernt, aber Fließpunkte gibt es nicht zu holen. Angela Merkel macht ihre Sache zunächst besser. Deutschland gehe es gut, unter ihrer Führung kann das Land heute Rekordzahlen bei der Beschäftigung vorweisen. „Wir haben die besseren Konzepte. Wie kommen die Menschen zu mehr Geld? Das kann nur über Arbeit gehen“, sagt Merkel und punktet zum ersten Mal.
Die Regeln des TV-Duells
ARD-Journalistin Anne Will und ProSieben-Entertainer Stefan Raab bilden ein Moderationspaar. Das andere Gespann sind die ZDF-Polittalkerin Maybrit Illner und RTL-Anchorman Peter Kloeppel.
Die erste Frage geht nach einem Losentscheid an Steinbrück. Insgesamt beträgt die Brutto-Zeit des Duells 90 Minuten.
Das letzte Wort hat Kanzlerin Merkel. Beide dürfen ein bis zu 90 Sekunden langes Schluss-Statement halten, um die Bürger zu überzeugen.
Regelmäßig wird eingeblendet, wer wie lang bisher gesprochen hat. Die Moderatoren müssen darauf achten, dass Merkel oder Steinbrück nicht zu viel Redezeit haben. Vertraglich festgelegt ist, dass es am Ende weniger als 60 Sekunden Unterschied geben muss.
Der Syrien-Konflikt überschattet auch das TV-Duell. Das Thema dürfte im Block „Aktuelles“ diskutiert werden. Daneben geht es um Soziales und Arbeit; Geld und Finanzen sowie Sicherheit. Damit werden Themen wie Mindestlohn, Steuererhöhungen und Steuerbetrug, Euro-Krise und die NSA-Spähaffäre mit Sicherheit in dem Duell angesprochen.
Die Kanzlerin setzt nach: Das Wichtigste sei, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die Steuererhöhungspläne der SPD würden die Ausgangslage nicht verbessern, sondern Jobs vernichten. Steinbrücks Antwort: Die Union betreibe Propaganda. Ausräumen kann er die Zweifel an der Steuerplänen der Partei einmal mehr nicht. 2:0 für Merkel.
Was ist los mit dem SPD-Kanzlerkandidaten, der eigentlich attackieren müsste, so deutlich wie er in den Umfragen zurückliegt? Er war es doch, der am liebsten gleich zwei Mal in einem TV-Duell gegen Merkel angetreten wäre – und die Bedeutung des TV-Duells kennen müsste. Beim letzten Mal schauten 14,21 Millionen Deutsche zu, das Duell zwischen Merkel und Gerhard Schröder 2005 hatte gar 20,98 Millionen vor die Fernseher gezogen. Und anders als es in der Öffentlichkeit gerne dargestellt wird, besitzt das Duell durchaus eine Bedeutung im Wahlkampf. Glaubt man den Daten der German Longitudinal Election Study (GLES), hätten Angela Merkel und die CDU 2009 ein um 2,7 Prozentpunkte besseres Wahlergebnis erzielt, wenn alle Zuschauer das Duell gesehen und die die Bundeskanzlerin als Siegerin betrachtet hätten.
Was Schwarz-Gelb nicht geschafft hat
Hier haben Union und FDP gegen ihren eigenen Vertrag verstoßen. Sie wollten den Wehrdienst von neun auf sechs Monate verkürzen, aber die Wehrpflicht erhalten. Zum 1. Juli 2011 wurde der Pflichtdienst für Männer aber durch einen Freiwilligendienst ersetzt. Gleichzeitig leitete der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) überraschend eine große Bundeswehrreform ein.
Die angekündigte Steuerentlastung um bis zu 24 Milliarden Euro im Jahr blieb aus. Eine Minireform, per Umbau des Einkommensteuersystems die «kalte Progression» zu mindern, scheiterte am Widerstand der Länder. Vom Tisch ist ein Stufentarif. Gescheitert sind eine Reform der Gewerbesteuer und eine Neuregelung der Kommunalfinanzen. Die Reform des Mehrwertsteuersystems wurde verfehlt. Das Steuerabkommen mit der Schweiz trat wegen des Länderwiderstands ebenfalls nicht in Kraft. Pläne zur breiten Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung wurden aus Kostengründen aufgegeben. Im Kern blieb es beim deutschen Modell zur Konzernbesteuerung statt einer modernen Gruppenbesteuerung.
Das gegen Altersarmut vereinbarte Konzept einer Lebensleistungsrente kommt nicht mehr vor der Wahl. Geplant war, dass Menschen, die ein Leben lang Vollzeit gearbeitet und privat vorgesorgt haben, auch als Geringverdiener ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung erhalten. Dieses sollte bedarfsabhängig und steuerfinanziert sein. Auch die vor allem von der CSU angepeilte Besserstellung älterer Mütter bei der Rente muss weiter warten. Nicht umgesetzt wurde bislang die im Koalitionsvertrag versprochene Rentenangleichung Ost/West.
„Wir wollen eine neue, differenziertere Definition der Pflegebedürftigkeit“, verabredeten Union und FDP 2009. Die immer zahlreicheren Demenzkranken sollen verstärkt in die Pflegeversicherung eingruppiert werden. Ende Juni soll ein Expertenbeirat Vorschläge vorlegen - eine entsprechende Reform in dieser Wahlperiode ist aber nicht mehr möglich. Und Kritiker bemängeln, mangels Vorgabe der Regierung zu den Kosten sagen die Vorschläge nichts darüber aus, wer künftig konkret wieviel aus den Pflegekassen bekommen soll.
Bei Mindestlöhnen hat Schwarz-Gelb sich im Koalitionsvertrag nicht festgelegt und dennoch geliefert: Seit 2009 wurden in fünf Branchen Mindestlöhne in Kraft gesetzt.
Das Dauerstreitthema Vorratsdatenspeicherung wird wohl bis zum Ende der Legislaturperiode ungelöst bleiben. Dabei geht es um die anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten der Bürger zu Fahndungszwecken. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine entsprechende Regelung 2010 gekippt. Im Koalitionsvertrag stand dazu lediglich, dass das Urteil abgewartet werden soll. Seitdem streiten aber Union und FDP über die Neufassung. Die EU-Kommission hat Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, weil Berlin das entsprechende EU-Gesetz nicht in nationales Recht übertragen hat.
Das mit Abstand größte Vorhaben im Innenressort war im Koalitionsvertrag 2009 nicht abzusehen: Als im November 2011 die verstörenden Verbrechen der rechtsextremen „Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ans Licht kamen, wurde klar, dass die Sicherheitsbehörden dringend reformbedürftig sind. Die Terroristen waren jahrelang mordend und raubend durchs Land gezogen, ohne dass Polizei und Nachrichtendienste ihnen auf die Spur kamen. Vor allem dem Verfassungsschutz steht ein großer Umbau bevor.
Ein Gesetz zur Gesundheitsvorsorge ist seit Jahren geplant - auch von Schwarz-Gelb. Angesichts der ablehnenden Haltung von SPD und Grünen ist aber sehr fraglich, ob das mittlerweile vorliegende Gesetz noch durch den Bundesrat kommt.
Das stand nicht im Koalitionsvertrag, ist aber einer der größten Schwerpunkte dieser Wahlperiode: der Atomausstieg. Zunächst hatte die Regierung 2010 eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen. Dann sorgte sie 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima für den Atomausstieg bis 2022. Bei der Förderung zukünftiger Energien - dem Kernstück der Energiewende - gibt es nun aber nicht die von Experten als nötig erachteten Fortschritte.
Die Neuordnung der Bankenaufsicht wurde nicht so umgesetzt wie geplant. Eigentlich sollte die Bankenaufsicht in Deutschland bei der Bundesbank konzentriert werden. Bundesbank und Finanzaufsicht Bafin teilen sich aber nach wie vor die Kontrolle.
Schwarz-Gelb wollte den Salzstock im niedersächsischen Gorleben zunächst weiter als Standort für ein Atommüll-Endlager prüfen und das bestehende Moratorium aufkündigen. Ende 2011 verkündete der damalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) aber einen Neustart bei der Endlager-Suche. Das Gesetz ist im parlamentarischen Verfahren - doch sicher war es zuletzt nicht, dass es wirklich kommt.
Die wichtigste Erkenntnis: Selbst wenn man langfristige Überzeugungen, die Kanzlerpräferenz und die Beurteilung der Parteien berücksichtigt, hat das TV-Duell immer noch einen signifikanten Einfluss auf die Wahlentscheidung.
Doch erst nach einer Viertelstunde taut Steinbrück auf. Er spricht nun Merkel direkt an, hört sich nicht mehr so an, als gäbe er nur auswendig Gelerntes wider. Als Merkel lobt, wie sie den Haushalt saniert hat, verweist Steinbrück auf die gute Konjunktur. In Zeiten von Rekord-Steuereinnahmen müsste doch längst mehr möglich gewesen sein, sagt er. Recht hat er, 1:2.