
Er sieht nicht aus wie ein Maschinenstürmer oder gar Revolutionär. Gerhard Behrens ist vielmehr ein freundlicher älterer Herr mit stillem Humor. Als Kleinunternehmer bestückt er Werbetafeln mit Anzeigen heimischer Handwerker und Hotels. Und doch stemmt sich Behrens gegen die Großen, stellt sich schützend vor die bedrohte Natur. „Vorsichtig, bitte nicht drauftreten“, ermahnt er den Gast, einen Bogen um den leuchtend rosa blühenden Fingerhut im Unterholz zu schlagen. „Der steht unter Naturschutz!“ Dass sie seine grüne Heimat mit einer Stromtrasse durchschneiden, eine 70 Meter breite Schneise durch den Thüringer Wald und über den berühmten Rennsteig schlagen, das will er verhindern.
Gerhard Behrens steht im Weg. Gegen Reiche stellt er sich und gegen einen Mächtigen. Die Reichen, das sind die Energieversorger und Investoren, die Windparks in Norddeutschland und vor der Küste bauen. Der Strom aus ihren Mühlen soll durch armdicke Kabel auf gigantischen Masten gen Süden fließen und dort die Industrie antreiben, wenn die heimischen Kernreaktoren vom Netz gehen.
Achtung Hochspannung
Der Mächtige, das ist der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer. Er möchte – geschockt vom Siegeszug der Grünen – nun selbst der Mustermann der Energiewende werden. Die Leitung durch den Thüringer Wald soll ihm nicht den Ökostrom von der Küste an die Alpen bringen, sondern Energie von Solarzellen auf Äckern und Scheunen sowie aus künftigen bayrischen Windparks in die Industriezentren im Westen liefern. Die neuen Stromautobahnen brauche man auch für „Solarstrom aus dem Süden“, verkündet der CSU-Vorsitzende vollmundig. Die einstige Kernenergie-Hochburg möchte er zum Exporteur von Grünstrom umpolen.
Gerhard Behrens steht im Weg, und er steht nicht allein. Eine ganze Region kämpft mit ihm und seinen Freunden. Ihre Interessengemeinschaft „Achtung Hochspannung“ verbindet die Bürgerinitiativen der umliegenden Gemeinden, aus Langewiesen und Großbreitenbach, Riechheim und Jesuborn. Die CDU-Bürgermeister sind dabei und die von der Linkspartei; auch die Landkreise ziehen mit, sogar über die Landesgrenze nach Bayern hinweg. „Der Landkreis Coburg war manchmal sogar aktiver als wir“, lobt Behrens. Aktivisten, Kommunen und Kreise brachten gemeinsam 60 000 Euro für ein Rechtsgutachten auf, bezahlen eine Münchner Anwaltskanzlei.
Der stille Ostdeutsche Behrens steht zwischen den geschäftlichen Interessen der Strombranche und den politischen Zielen von Seehofer, doch sein direkter Gegner heißt Boris Schucht. Denn dessen Firma 50Hertz Transmission, die im gesamten Ostdeutschland das Überland-Netz betreibt, will jene Leitung bauen, die Behrens partout nicht vor seiner Tür haben möchte. „Die Trasse ist gar nicht notwendig, und wenn, dann gäbe es eine Alternative über Ostthüringen“, sagt Behrens. „Wir müssen den Ausbau der Netze akzeptieren. Sonst ist ein Umbau der Energieversorgung Illusion“, sagt Schucht.