Strukturschwache Regionen Bayerns Heimat-Strategie könnte Aufbau Ost neuen Schwung geben

Der Aufbau Ost leidet auch darunter, dass es dort kaum Bundesbehörden gibt. Dem neuen Ostbeauftragten könnte nun ein Konzept aus Bayern helfen.

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Arbeiter in Brandenburg nach getaner Arbeit (Archivbild): Strukturschwache Regionen sollen mit neuer Strategie gestärkt werden. Quelle: dpa

Berlin Der künftige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), hat sich für eine Förderung strukturschwacher Gebiete in Ostdeutschland nach dem Vorbild Bayerns ausgesprochen. „Das Heimatministerium in Bayern hat in den letzten Jahren vorgemacht, dass man mit Standortentscheidungen auch Impulse in strukturschwächeren Regionen setzen kann“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium dem Handelsblatt. „Das hielte ich auch für den Bund für ein Modell, das man prüfen könnte.“

Die bayerische Staatsregierung hatte ihr Konzept vor drei Jahren mit dem Ziel auf den Weg gebracht, gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen im gesamten Freistaat herzustellen. Wesentlicher Teil dieser sogenannten Heimatstrategie ist die Verlagerung von Behörden in strukturschwächere Regionen.

Damit will die Staatsregierung für zusätzliche Arbeitsplätze und wirtschaftliche Impulse sorgen. Dass auch der Bund in dieser Form aktiv wird, ist gut möglich. Zumal CSU-Chef Horst Seehofer das mit neuer Macht ausgestattete Innenministerium leitet, das nun auch fürs Bauen und für Heimat zuständig ist.

Entsprechend groß ist etwa die Erwartung der sächsischen Landesregierung. „Von der neuen Bundesregierung und vom Ostbeauftragten erwarten wir auch weiterhin Unterstützung bei der Ansiedlung von Bundesbehörden sowie der Stärkung und Förderung von Forschungseinrichtungen“, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dem Handelsblatt. „Beide sind wichtige Wirtschaftsfaktoren für die Regionen und schaffen dringend notwendige Arbeitsplätze.“

Das Wirtschaftsministerium sieht in dieser Hinsicht Nachholbedarf. Auf Anfrage des Handelsblatts verwies das Ministerium auf den Beschluss der Unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992.

Danach habe die Ansiedlung von neuen Bundesbehörden „solange vorrangig in den ostdeutschen Bundesländer zu erfolgen, bis eine ausgewogene Verteilung von Bundeseinrichtungen und Institutionen über alle Bundesländer erreicht ist“. Damit solle zur Beseitigung von bestehenden Strukturunterschieden beigetragen werden.

Das Ministerium räumte jedoch ein, dass diese Vorgabe, deren Umsetzung in der Verantwortlichkeit des jeweiligen Ressorts liegt, „in der Vergangenheit nicht immer beachtet“ worden sei.

Das zeigen auch Zahlen aus dem Bundesinnenministerium. Demnach haben von 217 Bundeseinrichtungen 194 ihren Hauptstandort im Westen (89,4 Prozent), 23 im Osten (10,6 Prozent). Die Übersicht, die dem Handelsblatt vorliegt, hat das Ministerium auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktions-Abgeordneten Gesine Lötzsch erstellt.

Vor allem Nordrhein-Westfalen (NRW) hat offenbar in den vergangenen Jahren bei der Ansiedlung von Bundeseinrichtungen profitiert. Dort haben 60 Einrichtungen ihren Hauptsitz. Dahinter rangieren Niedersachsen (28), Berlin (25) und Bayern (19). Mit jeweils nur zwei Bundeseinrichtungen belegen Thüringen, das Saarland und Bremen den letzten Platz. Davor rangieren mit jeweils 5 Bundeseinrichtungen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.

Bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die vom Bund oder gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden, ergibt sich ein ähnliches Bild. Von den 132 in der Übersicht aufgeführten Forschungseinrichtungen haben demnach 98 ihren Hauptstandort im Westen (74,2 Prozent) und 34 im Osten (25,8 Prozent).

Laut den Ministeriumsangaben liegt Berlin mit 22 Forschungseinrichtungen, die dort ihren Hauptsitz haben, vorn. Dahinter rangieren NRW (17) und Bayern (14) sowie mit jeweils 10 Forschungseinrichtungen Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen. Ganz am Ende rangiert das Saarland mit 2 Forschungseinrichtungen. Davor liegen Thüringen (3) sowie mit jeweils 4 Forschungseinrichtungen Hamburg und Rheinland-Pfalz.

Die Linksfraktions-Abgeordnete Gesine Lötzsch wertet die Zahlen als Beleg dafür, dass der Bund den 1992 getroffenen Beschluss der Föderalismuskommission ignoriert hat. „Die Standardausrede der Ministerien sind Kosten-, Infrastruktur- und Personalgründe“, sagte Lötzsch dem Handelsblatt. „Mit der Argumentation hätte man auch den Umzug von Bonn nach Berlin ganz verhindern können.“ Denn in der alten Hauptstadt und in den alten Bundesländern habe es die nötige Infrastruktur und das entsprechende Personal gegeben.

Dessen ungeachtet sieht das Wirtschaftsministerium Ostdeutschland bei der Ansiedlung von Forschungseinrichtungen gut aufgestellt. „Die öffentlich geförderte Forschungsinfrastruktur braucht ein Vergleich mit den westlichen Bundesländern nicht zu scheuen, obwohl sich die Hauptsitze großer deutscher Forschungsgesellschaften wie zum Beispiel die Fraunhofer-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Helmholtz-Gemeinschaft in den westlichen Bundesländern befinden.“

Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer blickt jedenfalls zufrieden auf die Situation in seinem Bundesland. „14 Institute und Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft, sechs Max-Plank-Institute, sechs Institute und zwei Außenstellen der Leibnitz-Gemeinschaft, zwei Helmholz-Zentren und ein Helmholzinstitut zeigen, dass der Freistaat Sachsen gemeinsam mit dem Bund die außeruniversitäre Forschung intensiv fördert“, sagte er.

Diese gemeinsam getragenen Einrichtungen kooperierten mit den 14 staatliche Hochschulen des Freistaates Sachsen und den neun landesfinanzierten Forschungseinrichtungen. „Forschung und Entwicklung“, so Kretschmer, „verstehen wir als eine wichtige Zukunftsaufgabe.“

Deshalb setze der Freistaat seit vielen Jahren hier einen Schwerpunkt und werde dies auch in Zukunft tun. „Gleichwohl bleibt es Aufgabe und Herausforderung, Forschungseinrichtungen, die die Wissenschafts- und Wirtschaftslandschaft sinnvoll ergänzen, zu gewinnen.“

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