Strukturwandel Noch viel Arbeit nach dem Ende der Kohleförderung im Ruhrgebiet

Seit einem halben Jahr wird in Deutschland nun keine Steinkohle mehr gefördert. Auf der letzten Zeche in Bottrop gibt es aber noch viel zu tun.

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Auf dem Bergwerk sind inzwischen etwa zwei Drittel der nicht mehr benötigten Maschinen abgebaut worden. Quelle: dpa

Essen Das letzte Kohlestück kam ins Arbeitszimmer von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier - auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop laufen ein knappes halbes Jahr nach dem Ende der Steinkohleförderung in Deutschland die Aufräumarbeiten. Doch das Kohlezeitalter ist für das Ruhrgebiet längst nicht beendet.

Noch laufen zahlreiche Kraftwerke, die mit Importkohle betrieben werden. Sie sollen in Zuge des Kohleausstiegs spätestens bis zum Jahr 2038 abgeschaltet werden. Für das ohnehin unter dem Strukturwandel leidende nördliche Revier bedeutet das eine zusätzliche Belastung.

Auf dem Bergwerk Prosper-Haniel, wo Ende Dezember im Beisein von Steinmeier das symbolische letzte Kohlestück gefördert worden war, sind inzwischen etwa zwei Drittel der „Raubarbeiten“ geschafft. So nennen die Bergleute das Entfernen von Maschinen und anderen zum Abbau nötigen Geräten aus der Schachtanlage.

Unter anderem seien 132 Kilometer Stromleitungen und die großen Untertage-Förderbänder nach oben geholt worden, sagte ein Sprecher des Bergbaukonzerns RAG. Aus der Grube wird alles geholt, was noch verwertbar ist oder eine Belastung für das Grundwasser sein könnte. Bis Ende des Jahres sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Grubenwasser darf ansteigen

Beim Bergwerk Auguste Victoria in Marl, die 2015 als vorletzte Ruhrgebietszeche geschlossen worden war, sind die Arbeiten schon weiter. In den vergangenen Monaten sind fast 100 000 Tonnen Sand zum Zechengelände gebracht worden. Der Sand wird benötigt, um die beiden Schächte der Zeche mit Beton zu verfüllen. Diese Arbeiten haben Ende Mai begonnen und werden fast ein Jahr dauern. Auf dem Zechengelände soll ein Industrie- und Gewerbepark entstehen.

Die RAG hat von den Bergbehörden zudem die Erlaubnis erhalten, das Grubenwasser in der stillgelegte Zeche kontrolliert ansteigen zu lassen. Aus deutlich unter 1000 Meter Tiefe darf der Wasserspiegel bis auf 600 Meter unter der Oberfläche klettern. Dabei muss das Wasser intensiv auf Belastungen mit Schwermetallen und dem Umweltgift PCB untersucht werden.

Diese sogenannte Wasserhaltung ist die wichtigste Aufgabe der RAG seit dem Ende der Kohleförderung. Sie muss dafür sorgen, dass sich das Grubenwasser nicht mit dem darüber liegenden Grundwasser mischt. Pro Jahr müssen deshalb rund 110 Millionen Kubikmeter Wasser aus den Zechen nach oben gepumpt werden. Mit dem Wasser ließe sich die Möhnetalsperre im Sauerland zu 80 Prozent füllen.

Damit nicht der Steuerzahler für diese Ewigkeitskosten aufkommen muss, baut die eigens für diesen Zweck gegründete RAG-Stiftung ein Milliardenvermögen auf, vor allem aus Dividenden des Chemiekonzerns Evonik, bei dem die Stiftung Hauptaktionärin ist. Am Donnerstag stellt sie ihre Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr vor. Wie ihr bisheriger Finanzchef Helmut Linssen bereits der „Rheinischen Post“ gesagt hat, hat die Stiftung im vergangenen Jahr 454 Millionen Euro erwirtschafte. Die Rücklagen für die Ewigkeitskosten sind demnach auf 7,3 Milliarden Euro angewachsen.

Mehr: Ein beschäftigungsfreundlicher Strukturwandel gelingt, wenn alte Fehler vermieden werden. Noch ist genug Zeit, die Reviere in die Zukunft zu führen.

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