Die Rentenerhöhungen in Deutschland sollten dem Ifo-Institut zufolge von der Lohnentwicklung abgekoppelt werden. „Nur wenn die Renten langsamer steigen als die Löhne, werden die Kassen geschont und die Steuer- und Beitragszahler nicht überfordert“, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Aufsatz des Forschers Joachim Ragnitz vom Ifo in Dresden. „Denn die vielen Baby-Boomer gehen bald in den Ruhestand. Die politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre werden dazu führen, dass sich ein gigantisches Finanzloch auftut.“ Im Jahr 2050 müssten rund 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung zusätzlich für die Rente aufgebracht werden.
Er befürchte, dass die künftigen Koalitionspartner weitere teure Rentenbeschlüsse fällen dürften, sagte Ragnitz. SPD und Grüne etwa hätten im Wahlkampf versprochen, dass das Rentenniveau auch nach 2025 nicht unter 48 Prozent des Lohnniveaus hinaus sinken solle. „Dann aber müsste der Beitragssatz auf 25 Prozent im Jahr 2050 steigen“, sagte der Experte. „Will man das verhindern und stattdessen die Rente über Steuern finanzieren, müssten im Jahr 2050 rund 60 Prozent des Bundeshaushalts für die Rente ausgegeben werden.“
Derzeit loten SPD, Grüne und FDP aus, ob sie in Koalitionsverhandlungen eintreten. Anknüpfungspunkte sieht der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum etwa im FDP-Vorschlag zur Aktienrente. „Er ist gut und wichtig“, sagte Südekum kürzlich der Nachrichtenagentur Reuters. Nun sollten aber nicht unbedingt Millionen von Menschen individuell versuchen Aktiensparpläne aufzubauen. „Besser wäre eine Bündelung durch einen Staatsfonds, der für die Bürger ein globales Aktienportfolio verwaltet und sich durch Beiträge und in der Anfangsphase auch durch Kredite refinanziert“, sagte Südekum, der Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ist. „Dieses Projekt wäre, trotz Kreditaufnahme, kompatibel mit der Schuldenbremse.“
Auch die führenden Wirtschaftsinstitute raten der künftigen Bundesregierung zum Umbau des Rentensystems, mehr Investitionen in die Digitalisierung und zu einem höheren Tempo beim Klimaschutz. "Unser jetziges Rentensystem ist nicht nachhaltig", sagte der Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, am Donnerstag bei der Vorstellung der Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung. Es sei angesichts einer sinkenden Erwerbsbevölkerung nicht zukunftsfest. Die künftige Regierung soll daher die Rentenleistungen nicht ausweiten, "sondern das System auf sichere Beine stellen".
Möglich wäre etwa eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung. "Langfristig können darüber hinaus die Altersbezüge durch eine schrittweise Ergänzung des Umlagesystems mit einer Kapitaldeckung gesichert werden", heißt es in dem Gutachten. So könnte der Staat schuldenfinanziert Aktien kaufen und sich dabei die sehr niedrigen Zinsen für Staatsanleihen zunutze machen. "Dies wäre mit den Regeln der Schuldenbremse vereinbar, weil sich hier finanzielle Transaktionen nicht auswirken", hieß es dazu. Dividenden könnten für Zahlungen an Rentner genutzt werden.
Mehr zum Thema: Mit einem Staatsfonds hätten die Rentenversprechen der Politik doch noch ein kleines, ehrliches Fundament. Eine Aktienrente wäre wahrhaft sozial.