Studie im öffentlichen Dienst Unzufrieden mit den Behörden? Sind auch die Beschäftigten selbst

Vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales bildeten sich 2016 immer wieder lange Schlangen. Flüchtlinge warteten darauf, sich registrieren zu lassen. Quelle: dpa

80 Prozent der Verwaltungsmitarbeiter kann sich vorstellen, den Dienstherrn zu wechseln. Knapp zwei Drittel finden die Bezahlung nicht gut. Mit zwei öffentlichen Arbeitgebern sind die Beschäftigten besonders unzufrieden.

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Was moderne Verwaltung in Zeiten der Digitalisierung bedeuten sollte: Menschen können alles online von zu Hause erledigen. Wie moderne Verwaltung oft aussieht: Der Elterngeldantrag lässt sich zwar im Netz ausfüllen – muss dann aber ausgedruckt, unterschrieben und eingeschickt werden. Willkommen in Analogistan.

Oder: Über Monate geht in der Behörde niemand ans Telefon, persönlich steht man vor verschlossenen Türen – und selbst die übergeordnete Verwaltung kann niemanden erreichen. Termine können online gebucht werden – aber man muss an einem bestimmten Tag zu einer genauen Uhrzeit die Seite laden, um vielleicht einen zu ergattern (der dann schon mal ein Vierteljahr später stattfindet).

Berliner Wahl-Chaos

Letzteres Beispiel stammt aus der Hauptstadt Berlin, wo selbst Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zu seiner Hochzeitsfeier einlud, ohne zu wissen, ob es bis dahin mit einem Termin beim Standesamt klappen würde. Der Stadt, die sich beim Bau ihres Flughafens weltweit blamierte und die selbst eine Wahl nicht fehlerfrei organisieren kann. Doch auch wenn es um die Strafverfolgung von Flüchtlingen oder die Beschaffung für die Bundeswehr geht: Zwischen dem staatlichen Auftrag und dem, was wichtige Behörden leisten, liegen oft Welten.

Aber wie bewerten eigentlich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst selbst ihr Arbeitsumfeld? Immerhin: Mit ihrer konkreten Tätigkeit sind drei von vier Verwaltungsmitarbeitern zufrieden – mit ihrem Arbeitgeber sind es etwa zwei Drittel. Allerdings können 80 Prozent der Beschäftigten sich auch vorstellen, ihren Dienstherrn zu wechseln; knapp ein Drittel würde in die Privatwirtschaft gehen. Das zeigt eine Umfrage unter Verwaltungsmitarbeitern in Bund, Ländern und Kommunen der Beratungsagentur Next Public.

Im Bund zufriedener als auf Landesebene

Dabei sind die Beschäftigten auf Bundesebene deutlich zufriedener als die der Kommunen und auf Landesebene (71 Prozent versus 62 und 60 Prozent). Knapp ein Fünftel der Verwaltungsmitarbeiter fühlt sich allerdings von seiner Arbeit auch nicht erfüllt.

Eine Tatsache, über die sich die Dienstherrn Gedanken machen sollten, denn das Personal ist ohnehin knapp: Der Gewerkschaftsbund dbb gibt an, dass derzeit etwa 300.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst fehlten. Außerdem seien fast 1,3 Millionen Mitarbeiter in den Verwaltungen älter als 55 Jahre – und gehen in den kommenden zehn Jahre in Rente. 

Gleichzeitig steigt der Bedarf für Personal im Gesundheitsdienst, in Kitas und Schulen für den Ganztagsbetrieb sowie für die Digitalisierung der Verwaltung: Das Institut für den öffentlichen Sektor geht davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen mindestens 33.000 zusätzliche IT-Fachkräfte brauchen.

Das ist eine Branche, in der die Verwaltung besonders stark mit Unternehmen konkurriert – bei der Vergütung aber oft nicht mithalten kann. Je nach Erfahrung und Standort verdienen Datenanalysten bei Konzernen auch sechsstellige Jahresgehälter. Der öffentliche Dienst dürfe sich nicht von der Privatwirtschaft abkoppeln, sagt Next-Public-Geschäftsführer Carsten Köppl: „Ich würde mir wünschen, dass die Verwaltung auch bei der Bezahlung zu mehr Attraktivität kommt.“

Bezahlung wird bemängelt 

So schätzen nur gut ein Drittel der Verwaltungsmitarbeiter ihre Bezahlung als gut oder sehr gut (knapp zehn Prozent) ein. Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen den Ebenen: Auf Bundesebene sind 43 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Bezahlung einverstanden, in den Kommunen und Ländern aber nur 28 beziehungsweise 24 Prozent. Zuletzt hatten sich Ende November die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) als Arbeitgeber auf 2,8 Prozent mehr Geld und eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1300 Euro für mehr als eine Million Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Bundesländer geeinigt.

Ähnlich schlecht fällt die Bewertung bei jungen Menschen aus: Nicht einmal jeder vierte Unter-30-Jährige empfindet die Bezahlung als gut oder sehr gut – was ebenfalls auf das Nachwuchsproblem der Verwaltung einzahlen dürfte.

von Sophie Crocoll, Karin Finkenzeller, Martin Fritz, Andreas Menn, Dominik Reintjes

Natürlich betrifft der Fachkräftemangel auch die Privatwirtschaft. Viele Unternehmen werben stark, um Personal anzuziehen. Interessant für die Behörden sind daher auch die Antworten, welche Verbesserungen die Beschäftigten erwarten, sollten sie in ein Unternehmen wechseln. Die Befragten nannten eine bessere Bezahlung, aber auch höhere Flexibilität, eine bessere Ausstattung sowie Anerkennung und Wertschätzung. Fast die Hälfte der Verwaltungsmitarbeiter gab außerdem an, von ihren Führungskräften kaum oder überhaupt nicht wertgeschätzt zu werden und keine Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt zu bekommen.

Das Ziel der Arbeit? Oft nicht ganz klar

Offenbar leidet die Zufriedenheit auch daran, zu verstehen, was das eigene Haus erreichen soll. Die Ziele ihrer Behörde seien den Beschäftigten oftmals nicht vollumfänglich bekannt, schreiben die Autoren der Studie, „darunter leidet der Grad der Identifizierung mit dem Arbeitgeber“. Das erkläre auch die mangelnde Bereitschaft von Verwaltungsmitarbeitern, ihre Behörde als Arbeitgeber weiterzuempfehlen.

Die Berater von Next Public empfehlen daher unter anderem jeder einzelnen Verwaltung, sich stärker bewusst zu machen, welche Werte sie vertrete und was – über die reine Arbeitsplatzsicherheit hinaus – ihr Alleinstellungsmerkmal sei. Ob es hilft? Interessant, zu erfahren, wie Behörden dieses definieren, wäre es allemal.

Mehr zum Thema: Es ist eine oft emotional geführte Debatte mit politischer Sprengkraft: Stehen Beamte im Vergleich zu Angestellten finanziell deutlich besser da? Ein Faktencheck zeigt, wie groß die Vorteile wirklich sind – und wie viel mehr Gehalt nötig ist, um sie auszugleichen.

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