Studie zu großen Familien Wie der Staat von Kinderreichen profitiert

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Gut verdienende Akademiker haben eher viele Kinder

Die Lebenslage der Familien habe, so die Autoren nach der Auswertung von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) einen starken Einfluss darauf, ob ein drittes Kind geboren wird. Niedrigqualifizierte Frauen mit relativ geringem Haushaltseinkommen bringen zwar überproportional oft ein drittes Kind zur Welt. Allerdings sei das teilweise dadurch zu erklären, dass vielfach Frauen mit Migrationshintergrund niedrigqualifiziert sind „und sich aufgrund anderer Wertevorstellungen häufiger für größere Familien entscheiden. Zudem kann es eine Rolle spielen, dass sich niedrigqualifizierten Frauen schlechtere Erwerbs- und Karriereperspektiven bieten und sie somit für ein drittes Kind auf ‚weniger‘ verzichten müssen.“ Betrachtet man nur Familien ohne Migrationshintergrund, ergibt sich ein anderes Bild. Nicht so sehr die sozio-ökonomisch schlechter Gestellten, sondern überdurchschnittlich viele Akademiker mit einem hohen Einkommen entscheiden sich für dritte und weitere Kinder. Daraus ergibt sich ein „U-förmiger Zusammenhang“: in der Mitte der Gesellschaft sind große Familien besonders selten geworden. „Die Politik könnte also bei einer gezielten Förderung des Übergangs zum dritten Kind vor allem Familien der Mittelschicht mit mittlerem Bildungsabschluss und Einkommen in den Blick nehmen, schreiben Plünnecke und Kollegen.

Hier stimmt die Work-Life-Balance
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Sie haben außerdem festgestellt, dass gesündere und zufriedenere Mütter und Väter sich eher für ein drittes Kind entscheiden. Zudem spiele der Zeitpunkt der Familiengründung und -erweiterung im Lebenslauf eine wichtige Rolle. „So ist die Wahrscheinlichkeit einer dritten Geburt höher, wenn Mütter und Väter früh ihr erstes Kind bekommen haben und der Abstand zum zweiten Kind nicht zu groß ist. Für die Politik heißt das, dass sie, wenn sie Kinderreichtum fördern will, Rahmenbedingungen schaffen muss, die es Paaren erleichtern, früh eine Familie zu gründen und ein gutes und gesundes Familienleben zu führen.“

Elisabeth Müller, Vorsitzende des KRFD wünscht sich von der nächsten Bundesregierung, sie solle „Mehrkindfamilien stärker als eigenständiges und wichtiges Familienmodell wertschätzen“ und sich zu einer „Bevölkerungspolitik bekennen, die Familien, Kinder und Bildung in zumindest genau so großen Teilen berücksichtigt wie das Altern und die Rente“.

Die häufig diskutierte Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte nach Müllers Ansicht mit mehr Gelassenheit geführt werden. Nach der Studie leben sehr viele Eltern in den 890.000 Mehrkindfamilien mit minderjährigen Kindern im Allein- oder Zuverdienermodell. Bei Dreikindfamilien ist die Kombination aus einem Elternteil in Vollzeit und einem in Teilzeit mit einem Anteil von 42,7 Prozent am häufigsten. Bei Vierkindfamilien am häufigsten: die Kombination aus einem Elternteil in Vollzeit und dem anderen ohne Erwerbstätigkeit, die bei 44,9 Prozent liegt. „Die allermeisten Mütter in Mehrkindfamilien entscheiden sich ganz bewusst für diese Lebensformen, weil sie genügend Zeit für ihre Kinder haben wollen.“ Umso wichtiger sei es, den Müttern speziell an ihre Bedürfnisse ausgerichtete Bildungsangebote zu machen und ihnen konkrete Optionen für den Wiedereinstieg zu bieten, damit sie nach langjährigen Berufspausen am Arbeitsmarkt leichter wieder Fuß fassen können.

In einer Forderung sind sich die Studienautoren des IW, der Kinderreichen-Verband und die Buchautorinnen Garsoffky und Sembach völlig einig: Das bestehende Rentensystem diskriminiert Eltern auf ungerechteste Art und Weise und gehört radikal reformiert. Wie auch Hans-Werner Sinn immer wieder fordert, sollten Rentenansprüche von der Zahl der eigenen Kinder abhängig werden. Die Ökonomin Susanna Kochskämper schlug zum Beispiel 2015 vor, den sogenannten „Eckrentner“, der als fiktiver Versicherter als Referenzmaßstab für Rentenansprüche dient, neu zu definieren. Die zugehörige Rente würde nur dann vollständig ausgezahlt, wenn zwei Kinder erzogen wurden. Eltern von Mehrkindfamilien würden gestaffelt für jedes weitere Kind Rentenaufschläge erhalten, die Erziehung von weniger als zwei Kindern würde zu Rentenabschlägen führen, die durch private Altersvorsorge zu kompensieren wären.

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