Studie zu Wirtschaftsauswirkungen Brexit? Welcher Brexit?

Eine ifo-Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums zeigt: Der Brexit wird der deutschen Wirtschaft kaum schaden. Die gute Konjunktur könnte den Effekt abfangen. Die britische Wirtschaft würde umso mehr leiden.

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Die deutsche Wirtschaft könnte den Brexit gut verkraften. Quelle: Reuters

Berlin Fast ein Jahr ist das Brexit-Votum Großbritanniens her. Damals war Europa geschockt. Der EU-Austritt Großbritanniens sendete ein verheerendes politisches Signal in alle Welt. Und auch wirtschaftlich, so die Befürchtung, könnte der Brexit zu seinem Desaster werden. Wenn Großbritannien nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes ist, würde darunter die ohnehin schwache Wirtschaft in Europa darunter stark leiden.

Eine Studie des Münchener ifo-Instituts im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums kommt nun zu einem anderen Schluss. Demnach wird der Austritt Großbritanniens aus der EU für die deutsche und europäische Wirtschaft kaum Folgen haben – selbst im Falle eines „harten Brexit“ nicht. Umso mehr leiden wird dafür die britische Wirtschaft.

In der Studie hat das ifo-Institut acht verschiedene Szenarien für die Ausgestaltung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich untersucht. Sollten sich die EU und Großbritannien im Rahmen der Austrittsverhandlungen auf ein umfassendes Freihandelsabkommen verständigen, würde die deutsche Wirtschaft die EU-Abtrünnigkeit der drittgrößten europäischen Volkswirtschaft kaum spüren. Um gerade mal 0,06 Prozent würde das Bruttoinlandsprodukt in diesem besten Szenario langfristig niedriger liegen, das wären etwa 1,8 Milliarden Euro im Jahr.

Falls es zu keinem bilateralen Abkommen kommen würde und somit wieder Zölle gelten würden, wären die Auswirkungen etwas stärker: Die Wirtschaftsleistung Deutschlands läge dann um 0,2 Prozent niedriger als ohne Brexit. Das wären rund 6,3 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht etwa einem Viertelprozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Während die deutsche Finanzindustrie vom Brexit profitieren könnte, müssten sich vor allem die Autobranche, Pharmahersteller und Maschinenbauer auf Verluste einstellen. Insgesamt hielte sich der Schaden aber in Grenzen.

„Auch unter ungünstigen Bedingungen dürfte der Brexit laut Studie für die Wirtschaft in der EU und insbesondere für die deutsche Wirtschaft verkraftbar bleiben“, sagte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Das gilt auch für die gesamte EU: Ihre Wirtschaftsleistung würde in diesem ungünstigsten Szenario um 0,3 Prozent schwächer wachsen.

Deutlich teurer wird der Ausstieg aus der EU für Großbritannien selbst. „Der Brexit wird auf jeden Fall deutlich teurer für das Vereinigte Königreich als für Deutschland“, schreiben die Studienautoren. Mehr als 1,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung könnten die Briten im schlechtesten Szenario verlieren – das sind fast 50 Milliarden Euro. Selbst wenn es Großbritannien gelingen sollte, ein Freihandelsabkommen mit der EU auszuhandeln, würde die Wirtschaftskraft Großbritanniens immer noch um 0,6 Prozent niedriger liegen. Damit wären die Wachstumseinbußen Großbritanniens um ein Vielfaches höher als die der EU.

Großbritannien ist für Deutschland zwar der fünfwichtigste Handelspartner. 2016 exportierte die deutsche Wirtschaft 121,6 Milliarden Euro auf die Insel, nur China, Frankeich, die USA und die Niederlande nahmen noch mehr Waren ab. „Die aktuell guten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die günstigen konjunkturellen Aussichten“ würden den Brexit abfedern, sagte Wirtschaftsministerin Zypries. Deutschland profitiert zudem davon, dass die deutsche Exportwirtschaft sehr breit aufgestellt ist. Schon zuletzt gelang es den deutschen Unternehmen immer wieder, Schwächephasen einzelner Abnehmerländer durch höhere Ausfuhren in andere Länder auszugleichen.

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