Studie zur Integration in den Arbeitsmarkt Die größten Job-Hürden für Flüchtlinge

Jobsuche, Bewerbung und Berufseinstieg sind an sich schwer genug. Für Flüchtlinge kommen eine unbekannte Sprache, eine neue Kultur und ihre teilweise traumatischen Erfahrungen hinzu. Ein neue Studie zeigt Lösungen auf.

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Noch ist es für viele Flüchtlinge sehr schwierig, eine feste Arbeitsstelle zu bekommen. Quelle: dpa

Berlin Einen festen Arbeitsplatz – die meisten Flüchtlinge wollen nichts lieber als das. Und auch viele Unternehmer können sich gut vorstellen, Flüchtlinge einzustellen. Zumal in Deutschland tausende Stellen unbesetzt sind und gerade unter Fachkräften akuter Mangel herrscht. Aber dennoch finden Flüchtlinge und Arbeitgeber oft nur schwer zueinander. Warum das so ist, zeigt eine von GfK-Verein geförderte Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Die Berliner Forscher haben zehn regionale und lokale Initiativen befragt, die Flüchtlingen dabei helfen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die wichtigsten fünf Punkte:

1. Woran scheitert die Bewerbung?

Am Anfang steht die Kontaktaufnahme. Das gilt genauso für Arbeitgeber und Flüchtlinge wie für die Initiativen, die Zuwanderern Jobs vermitteln. Aber schon hier kann vieles schiefgehen. Denn viele Flüchtlinge wissen schlicht nicht, an wen sie sich wenden sollen. Da kann schon die Suche nach einer passenden Stellenausschreibung scheitern.

„Die meisten Flüchtlinge bringen keine deutschen Sprachkenntnisse mit und sind kaum oder gar nicht für den schnellen Übergang in eine Ausbildung oder Beschäftigung bei uns qualifiziert“, heißt es von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Zugleich ist selbst bei gut oder sogar sehr gut qualifizierten Flüchtlingen die Feststellung von Kompetenzen und Einordnung ihrer Abschlüsse schwierig.“ Auch seien viele Flüchtlinge mit den Regeln von Bewerbungsprozessen nicht vertraut, heißt es in der Studie. Lebenslauf, Motivationsschreiben, Referenzen – viele Geflüchtete überfordert das.

Die befragten Hilfsgruppen versuchen diese Hürden zu überwinden. „All diese Initiativen verwenden viel Zeit darauf, den Flüchtlingen zunächst eine erste Vorstellung davon zu vermitteln, was sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt an Rahmenbedingungen und Anforderungen erwartet und welche Schritte nötig sind, um einen Job zu bekommen“, heißt es in der Studie. Erst dann würden konkrete Angebote vorgestellt. „Es muss schnell Klarheit darüber geschaffen werden, welche Fähigkeiten Flüchtlinge mitbringen und welche Nachqualifizierungen erforderlich sind und gezielt angeboten werden sollten“, fordert die BDA.

2. Wie schätzen Flüchtlinge ihre Berufsaussichten ein?

Gerade was ihre Jobaussichten angeht, machen sich Flüchtlinge oft Illusionen. Viele wollen nicht einsehen, warum sie zunächst eine längere Zeit mit wenig Geld auskommen müssen und ihre Energie auf Sprachkurse und andere Qualifikationen verwenden sollen, bevor sie voll ins Arbeitsleben einsteigen. Das gelte besonders für junge Flüchtlinge, die in ihrer Heimat bereits gearbeitet haben. Viele stünden auch unter Druck, weil sie Familien zurückgelassen haben, um möglichst schnell Geld zu verdienen.

Florian Eichenmüller vom Ausbildungscoaching für junge Flüchtlinge hat berichtet in der Studie, wie er Flüchtlinge dazu motiviert, erstmal eine Ausbildung zu absolvieren. Eichenmüller zeichne den Flüchtlingen die Löhne auf eine Tafel, die sie mit und ohne Berufsqualifikation erwarten können. Das motiviere.

Generell plädieren die Autoren der Studie aber dafür, neue Angebote zu schaffen, die Ausbildung und Berufstätigkeit vereinbaren. Etwa indem in Sprachkursen bereits auf die Erfordernisse des Berufs eingegangen wird – beispielsweise könnte der Wortschatz, den man in einer Tischlerei braucht, vorranging auf dem Stundenplan stehen. Es werden aber auch Teilzeitjobs speziell für Flüchtlinge vorgeschlagen. „Wir müssen hier flexibler werden“, fordert auch die BDA. „Die Förderung des frühzeitigen Spracherwerbs muss mit einer Ausbildung, Beschäftigung oder den oft nötigen weiterführenden Qualifizierungsmaßnahmen bestmöglich kombiniert werden können.“

3. Wie stellen sich Flüchtlinge den Berufsalltag vor?

Der erste Arbeitstag kann für manchen Flüchtling zu einem Schock werden. Acht-Stunden-Tage, strenge Zeiterfassung, wenige Pausen: viele Migranten sind ganz andere Arbeitsumstände gewohnt. Sie müssen erst lernen, was in Deutschland bei der Arbeit erlaubt ist und was nicht. Diese fehlenden Erfahrungen und Kulturunterschiede haben Arbeitgeber oft nicht auf dem Zettel, weshalb es immer wieder zu Missverständnissen kommt.

Die Initiativen haben den Studienautoren fast unisono berichtet: Mit der Jobzusage sind noch lange nicht alle Probleme gelöst. Deshalb werden immer öfter Mentoren-Programme angeboten. Dabei sollen Erfahrungen am Arbeitsplatz aufgearbeitet, diskutiert und eingeordnet werden. Andere Initiativen schulen die Flüchtlinge schon vor dem ersten Arbeitstag. Generell sei es wichtig, dass die Zuwanderer in ihren ersten Arbeitsmonaten eng betreut werden, heißt es in der Studie.
Die BDA fordert rechtliche Änderungen, damit Asylsuchende besser an das Arbeitsleben in Deutschland herangeführt werden können: „Ganz wichtig ist die vollständige Aufhebung des Beschäftigungsverbots in der Zeitarbeit, die gerade für Menschen ohne Berufserfahrung in Deutschland Chancen bietet.“


Auch Rücksicht ist gefragt

4. Was können Geflüchtete leisten?

Es kommt schon mal vor, dass ein erfolgreich vermittelter Flüchtling plötzlich nicht mehr am Arbeitsplatz erscheint. Das hat laut der Studie oft mit Überforderung zu tun. Flüchtlinge leiden häufig unter traumatischen Erfahrungen und vielen Entbehrungen. Das kann zu psychischen Krankheiten führen, die sich besonders in Belastungssituationen zeigen.

Scheinbar einfache Alltagstätigkeiten können in diesen Fällen zu einer großen Herausforderung werden. „So berichten mehrere Interviewpartner, dass ihre Teilnehmer Schwierigkeiten damit haben, auf offizielle Briefe angemessen zur reagieren“, schreiben die Studienautoren: „Einige öffnen ihre Post erst gar nicht, weil sie denken, es handle sich um Werbung, oder weil sie glauben, durch Ignorieren unnötigen Ärger zu vermeiden.“

Auch hier berichten die Hilfsgruppen, dass vor allein eine enge Betreuung wichtig ist. Auch in ganz alltäglichen Belangen. So bieten einige Initiativen Kurse, wo Flüchtlinge lernen, wie sich behördliche Briefe von Werbung unterscheiden können. Auch der Umgang mit posttraumatischen Störungen bei Flüchtlingen ist besonders relevant. Doch noch haben die wenigsten Initiativen die notwendigen Kapazitäten und das Knowhow, um adäquate Hilfe anbieten zu können.

5. Wie gelingt Frauen der Einstieg ins Berufsleben?

Besonders schwer erreichbar für Arbeitgeber und Initiativen sind weibliche Flüchtlinge. Das hat zum einen damit zu tun, dass Frauen den deutlich kleineren Teil der Flüchtlinge ausmachen. „Manche der Frauen seien es nicht gewohnt, in gemischtgeschlechtlichen Gruppen selbstbewusst aufzutreten und sich eine Perspektive zu erarbeiten“, heißt es in der Studie: „Auch ein Arbeitsverbot durch den Ehemann könne in einigen Fällen die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Jobs verhindern.“ Hinzu kommt, dass viele Frauen ihre Kinder betreuen müssen und deshalb gar nicht nach Arbeit suchen.

Dass so wenige geflüchtete Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen, habe wenig mit unter den Flüchtlingen zu tun, berichten die Studienteilnehmer. Fälle von Männern, die eine Chefin prinzipiell ablehnen, seien äußerst selten. Manche Initiativen, wie die Bürgerstiftung Stuttgart, planen getrennte Beratungseinrichtungen für Frauen. In Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat noch keine der befragten Initiativen Maßnahmen ergriffen – obwohl dies alle für wichtig hielten.

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