Sturmgewehr G36 Verteidigungsministerium verliert gegen Heckler & Koch

Schlappe für Verteidigungsministerin von der Leyen. Im Streit um das umstrittene Sturmgewehr G36 muss sie vor Gericht eine Niederlage einstecken. Am Schicksal der Bundeswehr-Standardwaffe wird das nichts ändern: Sie wird ab 2019 ausgemustert.

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Im Schadenersatz-Prozess um die Treffsicherheit des Sturmgewehrs G36 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Niederlage gegen den Hersteller Heckler & Koch erlitten. Das Landgericht Koblenz urteilte am Freitag, dass die Standardwaffe der Bundeswehr gemessen an den vertraglichen Anforderungen keine Mängel aufweist. Das Verteidigungsministerium bleibt aber bei der geplanten Ausmusterung der 167 000 G36-Exemplare der Bundeswehr und will das Urteil anfechten.

Die Affäre um das vorwiegend aus Kunststoff bestehende, leichte Gewehr begann vor fünf Jahren mit ersten Hinweisen auf Präzisionsprobleme. Von der Leyen gab nach ihrem Amtsantritt 2013 ein Gutachten in Auftrag, dessen Ergebnis eindeutig war: In Labortests sackte die Trefferquote bei starker Erhitzung bis auf sieben Prozent ab. Die Bundeswehr verlangt 90 Prozent. Die Soldaten im Einsatz sind allerdings zufrieden mit der Waffe. Das ergab eine weitere vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegebene Untersuchung.

Für Heckler & Koch ging es nun in dem Prozess darum, einen Imageschaden abzuwenden. Die Klage des Unternehmens aus dem baden-württembergischen Oberndorf am Neckar war vom Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz mit Gewährleistungsforderungen ausgelöst worden. Die Waffenschmiede wehrte sich dagegen mit einer „negativen Feststellungsklage“ - und gewann.

Die Debatte um das G36

Das Landgericht gab der Klage nach eigenen Worten „in vollem Umfang statt“. Es gebe für die Bundeswehr „keine Ansprüche auf Rückzahlung“, hieß es. Das G36 sei bei ihr bereits seit 18 Jahren im Einsatz. Auch die seit 2013 gelieferten Sturmgewehre hätten die vertraglich vereinbarte Güteprüfung bestanden. Die späteren und bis heute nicht abgeschlossenen Untersuchungen der Bundeswehr mit „Vergleichsgewehren“ seien für die Kaufverträge der Jahre 1995 bis 2013 unerheblich.

In dem Koblenzer Prozess ging es um 3845 Gewehre, bei denen die Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind. Der Neupreis eines - auch bei ausländischen Armeen beliebten - G36 beträgt etwa 1000 Euro. Es ging also um höchstens rund vier Millionen Euro.

Binnen eines Monats nach Zustellung des nun ergangenen Urteils könnte die Bundeswehr beim Oberlandesgericht Koblenz Berufung einlegen. Ein solcher Schritt ist sehr wahrscheinlich. „Sollte das Gericht seine heutige Entscheidung auf dieselben wackeligen rechtlichen Argumente stützen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Sommerpause angeführt wurden, dann wird das zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Information und Nutzung in die Berufung gehen“, sagte ein Ministeriumssprecher. Heckler & Koch wollte sich zunächst nicht zu dem Richterspruch äußern.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold riet von der Leyen davon ab, eine juristische Fortsetzung des Schadenersatz-Streits zu suchen. „Die Niederlage war absehbar“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag). Er würde „der Ministerin nicht empfehlen, in die Berufung zu gehen“.

Unabhängig vom Urteil arbeitet das Verteidigungsministerium an der Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs. Die Ausschreibung soll noch in diesem Jahr erfolgen. Voraussichtlich 2018 wird ein Gewehr ausgewählt. Die ersten Exemplare sollen 2020 ausgeliefert werden. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich auch wieder Heckler & Koch an der Ausschreibung beteiligt.

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