Stuttgart AfD-Chefin gerät im Antisemitismus-Streit in die Schusslinie

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Antisemitismus hat in der AfD "keine Heimat und kein Sprachohr"

Bis auf Gauland, der jetzt im Handelsblatt-Interview schwere Vorwürfe gegen Petry erhob, meiden beide Lager bislang eine offene Feldschlacht. Einerseits seien die Mehrheitsverhältnisse auf einem Parteitag oder Konvent schwer abzuschätzen, berichten Parteiinsider. Andererseits gebe es Bedenken, eine Entscheidung zu erzwingen und dann von einem Parteitag oder der Basis als Spalter abgestraft zu werden. Dies sei auch mit ein Grund, warum bislang noch kein Parteitag vor der Bundestagswahl 2017 geplant sei. Petrys Gegner wollen verhindern, dass sie zur alleinigen Spitzenkandidaten gekürt wird. Meuthen selbst hat schon öffentlich Alternativen zu Petry ins Spiel gebracht.

Anders als bei dem Sturz des AfD-Gründers Bernd Lucke im Juli 2015 geht es diesmal kaum um eine Richtungsentscheidung. Damals wollte Lucke den Rechtsruck der AfD stoppen und unterlag. Diesmal lässt sich der Riss nicht entlang des Verhältnisses zum rechten Rand des politischen Spektrums festmachen.

In Parteikreisen heißt es, gekämpft werde auch hinter den Kulissen. So wird im Lager Meuthens kolportiert, Petry und ihre Anhänger hätten Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg zum Nachteil des Parteichefs bearbeitet. Auch beim Rückzug von André Poggenburg vom Fraktionsvorsitz in Sachsen-Anhalt sollen demnach Telefonate aus dem Petry-Lager eine Rolle gespielt haben. Die Gegenseite wäscht ebenfalls schmutzige Wäsche. So retweetete etwa Pretzell bei Twitter kommentarlos einen Artikel, in dem Meuthen als opportunistischer Wendehals dargestellt wird.

Es sieht nicht gut aus für Frauke Petry: Einflussreiche AfD-Politiker wollen eine Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017 verhindern.

Beiden Lagern ist bewusst, dass die anhaltenden Streitereien trotz Umfrage-Hoch langfristig der AfD schaden könnten. Bei einem Treffen der Partei-Granden in Braunlage Ende Juni wurden deshalb „Kommunikationsregeln“ vereinbart. „Mehr miteinander, weniger übereinander reden: Vor Äußerungen über Vorstands-/Parteikollegen wird VORAB mit der betroffenen Person gesprochen“, heißt es in einem Protokoll, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Allerdings wird in Bundesvorstandskrisen diese Vereinbarung inzwischen schon wieder infrage gestellt. Mal sehen, wie lange der „Burgfrieden“ halte, sagte ein Teilnehmer des Funktionärstreffens dem Handelsblatt.

Das Lager Meuthens setzt jetzt auf Hilfe von außen. Derzeit untersucht die Dresdner Staatsanwaltschaft Meineids-Vorwürfe gegen Petry. Sollten förmliche Ermittlungen aufgenommen und die Immunität der sächsischen Fraktionsvorsitzenden aufgehoben werden, dann müsse über Petrys Zukunft nachgedacht werden, sind sich ihre Gegner sicher.

Umso stärker versucht nun Petry, die Zügel im Fall Gedeon in die Hand zu nehmen. Die Frage, ob Antisemitismus in der AfD beheimatet sein kann, sei nicht das Thema, betonte sie auf ihrer Facebook-Seite. Antisemitismus habe in der AfD vielmehr „keine Heimat und kein Sprachrohr“. Und dies sei auch nicht verhandelbar.


Konsequenzen für die Gedeon-Unterstützer nicht ausgeschlossen

Petry stellte klar, dass die AfD-Fraktion in Baden- Württemberg zu den Grundwerten der Partei stehe, in der jegliche Form von Antisemitismus und Rassismus keinen Platz hätten. „Dies ist für jedes Fraktionsmitglied wie auch für jedes Parteimitglied, das die Zukunft in unserer Partei sieht, ein fest manifestierter Grundsatz.“ Und dies sei auch die Basis für einen Neubeginn in Stuttgart.

Unklar ist allerdings nun, welche der beiden Parlamentarier-Gruppen die Landtagsfraktion künftig offiziell im Landtag vertritt. Meuthen beanspruchte dieses Anrecht für sich und seine Mitstreiter. Der AfD-Vize Gauland pflichtete dieser Auffassung bei.

Gauland schloss auch Konsequenzen für die Gedeon-Unterstützer nicht aus. „Das Landesschiedsgericht muss entscheiden, ob die Unterstützung für Gedeon ein Parteiausschlussgrund ist“, sagte er. Der Bundesvorstand habe jedenfalls mit der Unterstützung für Meuthen „ein klares Signal“ gesetzt.

Meuthen und die 12 weiteren Abgeordneten hätten den „richtigen Weg“ gewählt, sagte Gauland weiter. Sie hätten sich klar vom Antisemitismus Gedeons abgegrenzt und die Fraktion verlassen. „Für uns im Bundesvorstand ist das die neue AfD-Fraktion. Wie sich die anderen nennen werden, kann ich Ihnen nicht sagen“, sagte Gauland.

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