Suche nach den Attentätern Londoner Polizei befürchtet weitere Anschläge

Aus Furcht vor neuen Anschlägen hat die Londoner Polizei nach Medieninformationen weitere Scharfschützen in Zivil auf die Straße geschickt. Scotland Yard habe große Sorge, dass die vier flüchtigen Bombenleger erneut zuschlagen könnten. Auch in Deutschland herrscht erhöhte Alarmbereitschaft. Innenminster Schily will verstärkt gegen gewaltbereiten Moslem-Gruppierungen vorgehen.

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Angst auch in New York: Sicherheitsbeamte patrouillieren nach den Londoner Anschlägen in einem Bahn

HB LONDON. Drei Tage nach der Veröffentlichung von Fahndungsfotos sind die vier verhinderten Selbstmordattentäter immer noch auf freiem Fuß. Zwar wurden seitdem drei Verdächtige festgenommen, doch nach Informationen der britischen Medien handelt es sich dabei nicht um die Täter. Aus diesen Gründen herrsche höchste Alarmbereitschaft, berichteten die „Times“ und andere britische Zeitungen. Die Polizei halte es für möglich, dass am vergangenen Donnerstag insgesamt fünf Selbstmordattentäter zuschlagen wollten. In einem Gebüsch in einem Londoner Park habe die Polizei eine fünfte Bombe gefunden, deren Sprengstoff mit dem der vier anderen Bomben übereinstimme. Möglicherweise habe ein fünfter Terrorist einen weiteren Anschlag geplant, dann aber nicht ausgeführt, berichteten die Zeitungen. Gleichzeitig soll an diesem Montag eine Untersuchung zu der irrtümlichen Erschießung des Brasilianers Jean Charles de Menezes durch Polizisten beginnen. Der britische Außenminister Jack Straw will sich bei einem Treffen mit dem brasilianischen Außenminister Celso Amorim in London persönlich entschuldigen. Der französische Premierminister Dominique de Villepin wird mit Premierminister Tony Blair über die Terrorbekämpfung sprechen. Nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Zeitung „Daily Mirror“ glauben 85 Prozent der Briten, dass die Beteiligung ihres Landes am Irakkrieg eine der Ursachen für die Terroranschläge ist. Dies sei ein Schlag für Premierminister Tony Blair, kommentierte die Zeitung. Blair betont stets, dass beides nichts miteinander zu tun habe. Führende muslimische Geistliche verurteilten die Anschläge bei einer internationalen Konferenz in London. Auch der umstrittene Professor Tariq Ramadan aus Genf sagte: „Wir dürfen nicht vergessen, dass das Töten von Unschuldigen niemals gerechtfertigt ist.“

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In Deutschland rückt das Thema Terrorbekämpfung ebenfalls verstärkt auf die politische Agenda. Bundesinnenminister Otto Schily bekräftigte nach den Anschlägen in London und Ägypten seine Forderung nach neuen Befugnissen für das Bundeskriminalamt. „Auch Deutschland ist vom islamistischen Terrorismus bedroht“, sagte Schily der „Bild“-Zeitung. Trotz der bisherigen Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus müssten die Befugnisse der deutschen Sicherheitsbehörden weiter ausgebaut werden. „Dringlich ist vor allem, dass das Bundeskriminalamt gegen terroristische Verbrechen auch vorbeugend tätig werden kann.“ Der SPD-Politiker forderte die unionsgeführten Länder Bayern und Niedersachsen auf, ihren Widerstand gegen eine entsprechende Grundgesetzänderung aufzugeben. Schily appellierte außerdem an die in Deutschland lebenden Moslems, stärker mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Auch hier zu Lande gebe es Moslem-Gruppierungen, die zu Extremismus oder Gewaltbereitschaft neigten oder sogar für die Wahnideen des islamistischen Terrorismus anfällig seien. „Deshalb ist es erforderlich, dass auch die muslimischen Gemeinden aktiv an der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus mitwirken und vor allem auch mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten“, sagte Schily. „In Deutschland gibt es rund 300 Islamisten, die vom Verfassungsschutz intensiv beobachtet werden.“ Der Innenminister riet den Bürgern, sich vor ihrer Urlaubsreise über die Sicherheitslage an ihrem Wunschziel zu informieren. „Die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes im Internet werden ständig auf den neuesten Stand gebracht“, sagte Schily. „Informieren Sie sich auch in den Medien über den Standard der Sicherheitseinrichtungen dieses Landes.“ Bei Anschlägen auf die Londoner U-Bahn und einen Bus waren Anfang des Monats mehr als 50 Menschen getötet worden. In der vergangenen Woche wurden erneut Anschläge auf die Londoner U-Bahn verübt, Personen kamen bei der zweiten Anschlagserie aber nicht zu Schaden. Bei Anschlägen im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich am Roten Meer wurden in der Nacht zum Samstag nach Krankenhausangaben 88 Menschen getötet und rund 200 verletzt.

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