Chinesischer Botschafter „Europa sollte gemeinsam mit China Förderer einer multipolaren Weltordnung sein“

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Mehr Klimaschutz laut neuem Fünf-Jahres-Plan

Eines der wichtigsten globalen Themen ist der Klimaschutz. Die EU und die USA wollen bis 2050 klimaneutral werden, China erst 2060. Wie viel Konflikt steckt in diesen abweichenden Zielen?
Ich sehe darin eher Kooperationspotential statt Konflikt. Staatspräsident Xi hat vor der Uno angekündigt, dass China anstrebe, vor 2060 klimaneutral zu werden und den Höhepunkt der Emissionen 2030 zu erreichen. Dafür werden wir den Waldbestand um sechs Milliarden Kubikmeter erhöhen und die installierte Leistung bei Sonnen- und Windenergie auf über 1200 Gigawatt steigern.

Allerdings baut China in den nächsten Jahren mit Abstand auch die meisten Kohlekraftwerke der Welt. Warum können Sie auf Kohle nicht verzichten oder diesen Energiezweig wenigstens verkleinern?
Das wichtigste Prinzip im internationalen Klimaschutz ist gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung. China hat entsprechend seiner Gegebenheiten viele Maßnahmen ergriffen. Der Anteil der Kohle am chinesischen Energiemix ist von 72,4 Prozent im Jahr 2005 auf zuletzt 57,7 Prozent gesunken. Im 14. Fünf-Jahres-Plan werden wir die Regeln noch verschärfen.

Der Volkskongress wird in wenigen Tagen den neuen Fünf-Jahres-Plan verabschieden – auch als Leitlinie für die chinesische Wirtschaft mit globaler Auswirkung. Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten für die europäischen Unternehmen?
China möchte mit diesem 14. Fünf-Jahres-Plan ein Signal der Entschlossenheit für seine Politik aussenden, die Öffnung voranzutreiben und Innovationen zu fördern. Für Deutschland und den Rest der Welt bestehen dadurch mehr Möglichkeiten, an den Früchten der chinesischen Entwicklung teilzuhaben.

Was heißt das konkret?
Wir haben 1,4 Milliarden Menschen, von denen 400 Millionen zur Mittelschicht zählen. Wir bieten einen riesigen Markt – im vergangenen Jahr haben die chinesischen Verbraucher trotz Corona umgerechnet immer noch mehr als fünf Billionen Euro konsumiert – und 42 Prozent der deutschen Unternehmen konnten beim Gewinn in China zulegen. Und in den nächsten zehn Jahren will China Waren im Wert von 22 Billionen US-Dollar importieren – die Chancen für deutsche Exporteure sind enorm.

In welchen Bereichen besonders?
Im Bereich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit bei digitaler Technologie, Industrie 4.0, künstlicher Intelligenz, autonomem Fahren sowie Biomedizin und Energiesystemen und schließlich bei grünen Themen. Die Bekämpfung des Klimawandels ist künftig das Kooperationsthema mit dem größten Potenzial. Der neue Fünf-Jahres-Plan des Volkskongresses wird sehr wichtig sein – nicht nur für China, sondern für die gesamte Weltwirtschaft.

Im Fünf-Jahres-Plan wird es auch um eine neues Entwicklungsmodell für China gehen. Bereiten Sie sich auf eine Entkopplung Chinas von der Weltwirtschaft vor, so wie es die USA vorantreiben?
Sie sprechen über das neue Entwicklungsmodell des dualen Kreislaufs. Das wird einer der Eckpfeiler des Fünf-Jahres-Plans sein. Einerseits konzentriert sich China künftig stärker auf die Binnenwirtschaft. Andererseits setzen wir uns dafür ein, dass sich Außen- und Binnenwirtschaft besser ergänzen. Das bedeutet, dass der Kreislauf oder  der Austausch von Waren, Dienstleistungen sowie Kapital mit dem Ausland auf ein höheres Niveau angehoben werden muss.

Also kein Decoupling?
Nein, das wäre völlig verfehlt.  Zur gleichen Zeit ist China dem RCEP, der größten Freihandelszone der Welt, beigetreten und hat die Verhandlungen über das Investitionsabkommen mit der EU abgeschlossen. Das zeigt, dass der doppelte Kreislauf keinesfalls ein geschlossener Binnenkreislauf werden soll, sondern ein  offener Kreislauf mit der Weltwirtschaft. Aber mit einem stärkeren Binnenmarkt erhöhen wir die Resilienz unserer Wirtschaft gegen mögliche Schwierigkeiten wie Protektionismus,  Unilateralismus oder Störungen bei globalen Lieferketten.

Restriktive Reiseregeln für Geschäftsleute lockern

Die Einreisebedingungen nach China sind wegen Corona extrem verschärft worden, fast ein Drittel der deutschen Unternehmen können nach einer AHK-Umfrage dort dringende Geschäfte und Serviceleistungen nicht mehr tätigen. Besteht die Chance, dass die strikten Bedingungen gelockert werden, wenn deutsche Besucher geimpft worden sind?
Ich habe in der Tat in letzter Zeit viele Zuschriften wegen dieses Problems erhalten. Normalerweise verfolgt China eine besucherfreundliche Einreise und Visapolitik. Aber wegen der Pandemie wurden internationale Reisen schwieriger geworden. Viele Länder haben einschränkende Maßnahmen bei der Einreise ergriffen. Wann diese Regelungen gelockert oder aufgehoben werden können, hängt ganz wesentlich von der Entwicklung der Pandemie ab.

Für die gegenseitigen Geschäfte ist das äußerst schwierig…
Deshalb bemühen wir uns um eine Sonderregelung für einreisende Geschäftsleute, um eine Art „fast track“. Auf diese Weise sind 2020 bereits fast 3000 deutsche Geschäftsleute nach China eingereist. So lange die Pandemie nicht vorbei ist, halte ich es für sinnvoll, gemeinsame internationale Standards für Reisen zu setzen.

Kann denn diese „Fast-track-Regelung“ erweitert werden, etwa nach einer erfolgten Impfung?
Darüber müssen wir noch mit unseren deutschen Partnern reden. Im vergangenen Jahr sind zwar viele Deutsche nach China gereist, aber leider war das eine Einbahnstraße.

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Das heißt die Chinesen durften nicht nach Deutschland?
Wir hatten ja Schwierigkeiten und deshalb sehe ich da Gesprächsbedarf.

Letzte Frage: Wissen Sie inzwischen, wo das Covid-19-Virus herkommt?
Die Rückverfolgung des Virus ist eine komplexe wissenschaftliche Angelegenheit, die eine Zusammenarbeit von Experten auf der ganzen Welt erfordert. China ist diesbezüglich immer offen und transparent in enger Kommunikation mit der WHO, gerade ist eine WHO-Delegation mit Experten in Wuhan. Es gibt immer mehr internationale Berichte, wonach das Virus in der zweiten Hälfte 2019 an mehreren Orten der Welt ausgebrochen sei. Das weist auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit hin, ähnliche Besuche in anderen Ländern und Regionen zu planen.

Mehr zum Thema: Die USA und Europa zittern sich noch durch die Krise. China geht schon wieder voran. Nacheifern, das war einmal. Ein Blick in die zehn wichtigsten Technologiefelder zeigt: China ist ehrgeizig, doch Panik ist nicht nötig.

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