Tag der betrieblichen Mitbestimmung Betriebsräte sind Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft

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Digitalisierung stellt Betriebsräte vor neue Herausforderungen

Im Laufe der Jahrzehnte ist nun der Einfluss des Betriebsrats auf die Unternehmenspolitik ständig gewachsen. Der Gesetzgeber gestand dem Betriebsrat immer mehr Rechte zu. Man kann heute sagen, das in den vergangenen 65 Jahren eine Verquickung von betrieblicher Mitbestimmung und Unternehmenspolitik stattgefunden hat. Der Betriebsrat hat bekanntlich sogar die Aufsichtsräte erobert: Rund 10.500 Betriebsratsmitglieder sind hier heute mit tätig. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Aktiengesellschaften sind meistens auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und im Aufsichtsratspräsidium vertreten.

Das Arbeitsleben in den global tätigen Unternehmen hat sich nun allerdings dahingehend verändert, dass viele tarifpolitische Entscheidungen immer häufiger auf die betriebliche Ebene verlagert werden. Der Betriebsrat wurde so zum „tarifpolitischen Ausgestalter“. Es fand eine Professionalisierung der Betriebsratsarbeit statt. Vorteil gegenüber den unternehmerischen Führungskräften: Die regelmäßige Wiederwahl von Betriebsratsmitgliedern im Vergleich zu der hohen Fluktuationsrate der Führungskräfte stärkt den Betriebsrat zusätzlich.

Im Blick zurück auf die Geschichte der Mitbestimmung wird deutlich, dass der Betriebsrat zum wichtigen Produktionsfaktor geworden ist. Bei der Diskussion um das „Für“ und „Wider“ der betrieblichen Mitbestimmung kann es nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“ in der Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat gehen. Und zum anderen wurde Mitbestimmung für beide Seiten zur Chefsache. Mitbestimmung ist längst unternehmensweite Langfriststrategie.

Welche neuen Herausforderungen stellen sich der modernen Betriebsratsarbeit? Betriebsräte müssen sich zunehmend mit internationaler Unternehmenspolitik beschäftigen und dürfen dabei die permanenten Unternehmensreorganisationen und die damit verbundenen ständigen Umwälzungsprozesse in der Arbeitswelt nicht aus dem Blick verlieren.

Und diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen: die Vision „Industrie 4.0“ / „Wirtschaft 4.0“ wird zukünftig in hohem Maße die Betriebsratsarbeit beherrschen. Es geht dabei um die Digitalisierung in Kombination mit Automatisierung und Vernetzung. Hier werden Betriebsräte mit Fragen konfrontieren wie zum Beispiel: Wie können sie die Interessen der Menschen in einer „Smart -Factory“ optimal vertreten? Welche Chancen haben die Menschen durch Digitalisierung? Wie kann die Breitenqualifizierung in den Unternehmen realisiert werden? Wie kann der Gesundheitsschutz bei einer immer stärkeren Belastung der Arbeitnehmer aufrecht erhalten bleiben? Passen „Big-Data“ und Datenschutz zusammen? Wie können arbeitnehmerähnliche Personen wie Solo-Selbständige, Crowd-Worker und andere in das Betriebsverfassungsgesetz integriert werden?

Für jeden Beteiligten bedeutet das eine große Herausforderung: Ohne moderne unternehmensspezifische Mitbestimmungsmodelle wird diese nicht zu bewältigen sein.

Die betriebliche Mitbestimmung von morgen muss gewissermaßen eine Miteinanderbestimmung sein. Sie muss eine in gemeinsamer Verantwortung angelegte Zweckbeziehung sein. Wenn wirtschaftliche und soziale Ziele erfolgreich umgesetzt werden sollen, kommt es auf ein effizientes voneinander abhängendes aber herrschaftsfreies Zusammentun an. Dann hat die betriebliche Mitbestimmung als konstruktive Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat einen Mehrwert für beide Seiten.

Sichtbar wird dieser Mehrwert dann in einem geordneten Miteinander, klaren Regelungen, dauerhaften Konsenslösungen, einer Kontinuität in der Arbeitsordnung, einer nachvollziehbaren Planungssicherheit, einer wachsenden Identifikation und dauerhaftem Betriebsfrieden mit einem angemessenen sozialen Ausgleich.

Nur so können Konfliktkosten reduziert und Entscheidungen schneller gefasst werden. Das alles trägt zur Wettbewerbsfähigkeit von
Unternehmen bei und sichert damit auch Arbeitsplätze. Und darum geht es ja im Kern beim unternehmerischen Schaffen. Das war 1920 nicht anders als heute.

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