Tauchsieder

Ausblick auf die Landtagswahlen im März

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AfD gehört zur deutschen Politik

Nach Euro-Drama, Griechenland-Bailout und Flüchtlingskrise, nach Rettungspaketen, Kehrtwenden und Rechtsüberdehnungen im Monatstakt, nach geldpolitischer Geisterbahnfahrt, europapolitischer Sackgassenpolitik und kanzleramtlich verordnetem Migrationschaos ist das Vertrauen der Wähler in die Berliner Politik gründlich dahin - und es zeichnen sich einige nachhaltige Veränderungen im Parteiengefüge der Bundesrepublik ab.

Welche Parteien mit Anti-Flüchtlingspolitik punkten wollen
Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National (FN) in Frankreich Quelle: REUTERS
Niederländischer Rechtspopulist Geert Wilders Quelle: AP
Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistische Lega Nord in Italien Quelle: AP
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban Quelle: REUTERS
Alle großen Parlamentsparteien Tschechiens von links bis rechts sind gegen die Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen. Die Regierung in Prag schickte Hunderte Polizisten an die Grenze zu Österreich und kämpft gegen dauerhafte EU-Flüchtlingsquoten. Am rechten Rand verbündete sich die Splitterpartei „Morgenröte“ mit der Bewegung „Block gegen den Islam“. Auch Europaskeptiker um den früheren Präsidenten Vaclav Klaus (hier im Bild) versuchen, mit dem Thema zu punkten. In einem Jahr finden in Tschechien Kommunal- und Teilwahlen zum Senat statt. Quelle: AP
Polens Regierungschefin Ewa Kopacz Quelle: dpa
Plakat der Schweizerischen Volkspartei Quelle: dpa

Zunächst einmal: Die AfD wird in den nächsten fünf Jahren zur deutschen Politik gehören, ob man das gut heißt oder nicht. Wenn sich damit eine Re-Mobilisierung der „Ausgeschlossenen“ und „Abgehängten“ verbindet, die sich in den vergangenen Jahren nicht mehr repräsentiert gefühlt haben, wäre das zunächst einmal zu begrüßen: In der politischen Artikulation seiner Bürger spiegelt sich ein Land gewissermaßen selbst - und es kann nicht schaden, dass Deutschland dabei derzeit leicht ersichtlich (sic!) keine allzu gute Figur macht.

Vor allem die Union hat die Gefahr von rechts, das gärende Ressentiment des kleinbürgerlichen Prekariats, jahrelang skandalös unterschätzt - der erwartbarte Riesen-Erfolg der AfD in Sachsen-Anhalt ist auch ein Reflex des Wählers auf die Verbindung von lässig verordneter Niedriglohn-Politik mit selbstgefälliger „Uns-ging-es-noch-nie-so-gut“-Rhetorik.


Die Linke hat immer nur einem Teil dieser Wähler eine politische Heimat sein können. Die AfD unterscheidet sich von den Linken nun möglicherweise dadurch, dass sie auch Nicht-Wählern das ist, was diese für eine vernünftige Wahl-„Alternative“ halten. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Wahlbeteiligung (zuletzt selbst bei Bundestagwahlen auf rund 70 Prozent gefallen, in Sachsen-Anhalt lag sie 2011 bei gut 50 Prozent) in den Bundesländern steigt - und dass wir in den nächsten Jahren an Wahlabenden ehrlicher als bisher Auskunft erhalten über die „politische Stimmung“ in Deutschland.

Der Erfolg der AfD bedeutet zweitens, dass die Bürger in den nächsten Jahren in instabilen Fünf-bis-Sechs-Parteien-Parlamenten repräsentiert sind, dass große Koalitionen an Renommee einbüßen und stabile Lager der Vergangenheit angehören. Beispiel Sachsen-Anhalt: CDU und SPD repräsentieren im Landtag derzeit 54 Prozent der Wähler, die beiden Oppositionsparetien Linke und Grüne nur rund 31 Prozent. Nimmt die FDP in drei Wochen die Fünf-Prozent-Hürde, sähe die Lage komplett anders aus: CDU und SPD werden Mühe haben, gemeinsam 50 Prozent auf die Waage zu bringen - und bekommen es im Landtag mit einer bunten, aber fast gleich starken Opposition zu tun - noch dazu mit einer Linken als zweitstärkster Partei weit vor der SPD - und einer AfD auf SPD-Niveau.

Beinahe noch interessanter stellt sich die Lage in Rheinland-Pfalz dar, in der die Linke wohl erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wird. Nach dem mutmaßlichen Einzug von AfD und FDP in den Landtag aber werden weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Koalition bilden können. Bleibt eine Große Koalition mit Ministerpräsidentin Julia Klöckner, deren CDU nach Lage der Dinge die meisten Stimmen einfahren wird? Genau das will eine Mehrheit der Rheinland-Pfälzer nicht; sie bevorzugen Malu Dreyer (SPD) als Landeschefin.

Auch spricht aus Sicht der SPD alles gegen eine Juniorpartnerschaft mit der Union: Die SPD wird schrumpft sich an der Seite der Union seit Jahren schon zu Tode. Schwarz-Grün also? Mal abgesehen davon, dass es auch dafür wahrscheinlich nicht reichen wird: Allein Julia Klöckner, die sich jede Überzeugung anverwandeln kann, hätte wahrscheinlich auch mit Schwarz-Grün kein Problem (und eben deshalb eines mit den Wählern in Rheinland-Pfalz).

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