




Helmut Kohl, zeit seines Lebens von Statur und Aura her mehr Monument als Mensch, verkörpert bis heute mustergültig die politische Drei-Parteien-Stabilität der Bundesrepublik. Bei den Bundestagswahlen 1976 erzielte der Kanzlerkandidat der Union (bei einer damals nicht ungewöhnlichen Wahlbeteiligung von 90,7 Prozent) riesige 48,6 Prozent der Stimmen - und doch zu wenig, um Helmut Schmidt aus dem Amt zu verjagen. Denn Schmidts SPD kam zwar mit sechs Prozentpunkten weniger als die Union durchs Ziel, wusste aber damals die FDP an ihrer Seite, die es auf 7,9 Prozent brachte. Unterm Strich schenkten damals weit mehr als 99 Prozent der Wähler und rund 90 Prozent der erwachsenen Deutschen Union, SPD oder FDP ihr Vertrauen. Den kümmerlichen Rest sammelten die Extremisten von NPD und KPD ein - Randerscheinungen im wahrsten Sinne des Wortes.
Es ist bekannt, was folgte: Das Parteiengefüge heterogenisierte sich auf der linken Seite mit dem Aufstieg von Grünen und Linken - und es konsolidierte sich auf der konservativ-bürgerlichen Seite, weil die FDP ihre liberale Identität opferte, um sich als Schosshündchen der Union und Klientelpartei der (Erfolg-)Reichen fürs Erste in die Bedeutungslosigkeit zu manövrieren. Die Union von Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum hat sich in den vergangenen Jahren einerseits durch vermehrte Einsicht in ihre gesellschaftspolitische Rückständigkeit ausgezeichnet (Atomkraft, Homosexualität, Quote, Mindestlohn…), weswegen sie von konservativen Geistern der „Sozialdemokratisierung“ geziehen wurde.
Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?
Die Forschungsgruppe Wahlen hat zwischen September 2014 und Mai 2015 in Deutschland Wahlberechtigte befragt, ob sie glauben, die AfD werde langfristig erfolgreich sein.
Quelle: ZDF Politbarometer, Statista
Im September 2014, also ungefähr ein Jahr nach dem knapp verpassten Einzug in den Bundestag, glaubten nur 56 Prozent der Befragten, die AfD werde langfristig nicht erfolgreich sein.
Zwei Monate später stieg der Anteil derer, die der AfD keinen langfristigen Erfolg zutrauten, auf 63 Prozent.
Im Januar 2015 glaubten 69 Prozent nicht an den langfristigen Erfolg der Euro-Kritiker um Bernd Lucke.
Im Februar 2015 prognostizierten 64 Prozent der AfD keinen langfristigen Erfolg.
Im Mai 2015 stieg (unter dem Eindruck der internen Personaldebatte?) der Anteil derjenigen, die der Alternative für Deutschland keinen Erfolg auf lange Sicht hin zutrauen, auf den in der Umfrage bisher höchsten Stand von 76 Prozent.
Schwerer wiegt, dass die Merkel-CDU andererseits mit ihrer Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ - also durch unscharfe eigene Positionen und durch den absichtsvollen Verzicht auf Streitthemen, die die Wähler des politischen Gegners mobilisieren könnten - für eine beispiellose Verflachung des politischen Diskurses in Deutschland gesorgt hat. Nicht der Linksruck, sondern ihre politiklose Politik, von Merkel selbst als „alternativlos“ bezeichnet, fällt der Union (und dem Land) nun in drei Wochen vor die Füße: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werden zum Menetekel für Merkels präsidialen Regierungsstil, für die Große Koalition und die politische Stabilität insgesamt.