Tauchsieder
Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern. Quelle: Getty Images

Der gendergerechte Lohn - was für ein Unsinn!

Das Entgelttransparenzgesetz ist ein gut gemeinter Witz: politisch, ökonomisch - und sachlogisch. Was es braucht, ist eine andere Unternehmenskultur - und eine maskuline Familienpolitik.

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Seit dem 6. Januar ist das so genannte „Entgelttransparenzgesetz“ der ehemaligen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) wirksam. Es soll dazu beitragen, dass Menschen, die eine vergleichbare Arbeit erledigen, nicht ungleich bezahlt werden, kurz: die „Gender Pay Gap“ schließen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag der „durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen mit 16,26 Euro um 21 Prozent niedriger als der von Männern (20,71 Euro)“. Und selbst wenn man berücksichtigt, dass mehr Frauen als Männer in schlechter bezahlten Berufen und Teilzeit arbeiten, verdienen sie - bei gleicher Qualifikation für vergleichbare Arbeit - sechs Prozent weniger. Sechs Prozent, das macht beispielsweise 37.600 Euro statt 40.000 Euro brutto. An einem Anlass für ein  Gesetz mangelte es also nicht. 

Mit Blick auf die Praxis indes wirft das Gesetz mehr Fragen auf, als es beantwortet. Denn in jeden Vergleich mit einer anonymen Gruppe von Gleichgestellten, den die Angestellten jetzt bei ihrem Arbeitgeber erfragen dürfen, fließt Unvergleichbares hinein – und eine Gerechtigkeitsfrage wirft die nächste auf: Wie sind die Einkommen für vergleichbare Tätigkeiten zwischen Alten und Jungen gewichtet, zwischen langjährigen Mitarbeitern und Neuzugängen, zwischen Mitarbeitern in München und Magdeburg, zwischen Motivierten und Nicht-Motivierten, Hochqualifizierten und Tiefbegabten? Bürdet der Gesetzgeber den Unternehmen also bloß viel Mehrarbeit auf - für einen denkbar geringen Erkenntnisertrag einzelner Mitarbeiter?

Und überhaupt: Stellt das Gesetz nicht einen unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar? Und für wie viele Angestellten wäre überhaupt ein minimales Transparenzplus zu erwarten, wenn man bedenkt, dass es nur für Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern gilt, dass etwa die Einkommen aller BeamtInnen öffentlich  sind und die Tarifbindung in Westdeutschland immerhin noch bei 59 Prozent liegt? 

von Elisabeth Niejahr, Daniel Rettig, Dieter Schnaas, Christopher Schwarz, Claudia Tödtmann

Abgesehen davon fallen einem sogleich eine Reihe von lebenspragmatischen und ökonomischen Gründen ein, die gegen das Gesetz sprechen: Was zum Beispiel spricht dagegen, dass Verhandlungsgeschick und Sympathie in einem Gehaltsgespräch prämiert werden? Und schauen sich gläserne Kollegen nicht viel scheeler und abschätziger als Kollegen, die über das Gehalt ihrer Büronachbarn nur Vermutungen anstellen können?

Vor allem aber: Ist das Gesetz nicht völlig aus der Zeit gefallen? Erstens, weil im postfordistischen Zeitalter immer weniger Arbeiter Stückzahlen und immer mehr Angestellte ein nicht-quantifizierbares Wissen produzieren, noch dazu im Team, projektweise und häufig virtuell? Und zweitens, weil demografische Entwicklung und Arbeitsmarktdaten - 750.000 offene Stellen - eine Machtverschiebung im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber andeuten, von der alle ArbeitnehmerInnen profitieren werden?

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