




Die katholische Kirche kennt das Herrschaftsinstrument des Bannes sehr gut aus ihrer eigenen Geschichte: Das Anathema, der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Gläubigen, ist seit dem Neuen Testament eine sehr gebräuchliche Reaktion auf hartnäckige Häresie. Ein Mensch, der wider die Grundsätze des orthodoxen Glaubens an einen Gott verstößt und keinen Willen zur Umkehr erkennen lässt, soll sich selbst überlassen sein - das ist der ursprüngliche, primär auf Inklusion und Homogenität der damals noch sektenartig kleinen und verfolgten Gemeinde abzielende Kern des Bannes.
Erst später bekam der Bann eine ächtende, verdammende, auf Exklusion, Herabsetzung und pontifikale Macht zielende Bedeutung. Der Unterschied ist keine Kleinigkeit. Während der Bann der frühen Tage die frohe Botschaft der Liebe und des Mitleids zum Maßstab nimmt und jeden Gottsucher unabhängig von seinen individuellen Präferenzen, Unvollkommenheiten und Sünden im Schoß der Gemeinde willkommen heißt, zielt der Bann der etablierten Papstkirche im Mittelalter darauf ab, Rom als irdischen Vollstrecker eines strafenden Richter-Gottes zu etablieren.
Eben deshalb hat man sich den modernen Vatikan in diesen Wochen als theologisches Erdbebengebiet vorzustellen. Während Papst Franziskus zurück zum Bann der ersten Stunde will, die „spirituelle Einmischung ins persönliche Leben“ ablehnt und sehr deutlich gemacht hat, dass er keinen schwarzen, weißen, karierten oder homosexuellen Gottsucher verurteilen könne, wertete Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin das Volksabstimmungs-Ja der Iren zur Homo-Ehe am vergangenen Pfingst-Wochenende als „Niederlage für die Menschheit“. Deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass mächtige Gruppen in Rom alles Menschliche aus der Kirche möglichst verbannt wissen wollen.
Nun ließe sich angesichts von rund 47 Millionen Christen (24 Millionen Katholiken) in Deutschland eine breite Debatte darüber denken, ob die Kirchen künftig als exklusive oder inklusive Institutionen wahrgenommen werden, die frohe Botschaft oder aber die kirchliche Dogmatik ins Zentrum ihres Selbstverständnisses stellen wollen - ein anspruchsvolles Nachdenken in der Politik auch, vor allem in den Parteien, die sich christlich nennen. Stattdessen dröhnt uns von den Bischofssitzen ein verschämtes Schweigen entgegen - und aus Berlin eine deprimierend geistlose Debatte über Homo-Ehe und das Adoptionsrecht für Schwule.
Man kann vielen Unions-Politikern förmlich ansehen, dass sie mit Widerwillen an alles Mögliche denken, wenn sie auf das Thema zu sprechen kommen (müssen), nur an eines nicht: an das Wohl des Kindes. Denn wenn es an einem keinen Zweifel gibt, dann doch wohl dies: Kindern ist es herzlich egal, mit welchem Bezugspersonal sie heranwachsen - Hauptsache, es ist ihnen ehrlich zugetan und stärkt sie, strahlt Stabilität und Verlässlichkeit aus. Es spricht daher nichts und wieder nichts gegen die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen. Außer Unbehagen und Ressentiment. Der Widerstand gegen die Homo-Ehe ist ein Widerstand gegen den Gedanken, dass Männer mit Männern Sex haben (Den Gedanken, dass Frauen mit Frauen Sex haben, finden viele Männer eher angenehm, aber das ist ein anderes Thema).