Okay, liebe Politiker von Union und SPD, eine Woche Taktiererei und Selbstbeschäftigung reicht – jetzt bitte mal raus aus den Schützengräben, rein in die Große Koalition und ran an die Arbeit. Lasst Euch bloß nicht kirre machen von den BDI-Bossen und Managern, die die krachende Niederlage der so genannten Liberalen nicht verwinden können und die Zersplitterung des „bürgerlichen Lagers“ beweinen. Lasst Euch nicht beirren von leitartikelnden Eckenstehern, die deshalb das Ende der „ökonomischen Vernunft“ erschnüffeln und in den nächsten Wochen mal wieder mit gewohnt argumentationsarmer Heftigkeit einen „Linksruck“ nach dem anderen herbeihalluzinieren werden, weil sie den „Staat auf dem Vormarsch“ wähnen und den Kommunismus am Horizont aufscheinen… Es ist nämlich erstens so, dass ihr beide ganz gut miteinander könnt. Und zweitens, dass Deutschland davon keinen Schaden nimmt, im Gegenteil: dass Deutschland davon profitiert.
Ich weiß, es schickt sich nicht, Leichen zu fleddern, aber weil die FDP keine Leiche ist, sondern neue Mitglieder hinzugewinnt und in vier Jahren ganz bestimmt wieder zurück in den Bundestag kehrt, muss es an dieser Stelle noch einmal gesagt werden: Ihr vorübergehender Verlust ist nicht nur leicht verschmerzbar, sondern auch zwingend notwendig. Über die Gründe ist in dieser Kolumne mehrfach gesprochen worden, es sind, noch einmal knapp zusammengefasst, vor allem deren vier:





Erstens: Die FDP ist keine Partei des Wirtschaftsliberalismus mehr, sondern des Business-Class-Liberalismus. Ursprünglich meinte Liberalismus Wettbewerb innerhalb eines staatlichen Ordnungsrahmens; heute meint er Protektion von globalen Konzernen, Steuerdumping , Steuerflucht – gegen den Nationalstaat. Mit der doppelten Folge, dass der Wettbewerb zugunsten der Markmächtigen verzerrt ist (Starbucks zahlt keine Steuern, das benachbarte Stadtcafé schon) – und dass autoritäre Staatskapitalismen wie etwa Singapur von der „liberalen“ Business-Class dazu beglückwünscht werden, auf völlig idiotischen „Indizes für wirtschaftliche Freiheit“ vor Deutschland zu rangieren. Wirklich Liberale wie Ralf Dahrendorf und Karl-Hermann Flach würden sich für diesen Business-Class-Liberalismus schämen. Für sie war Freiheit unteilbar, war staatsbürgerliche Freiheit nicht von wirtschaftlicher Freiheit zu trennen.
Zweitens: Die FDP wird ihrem Lieblingsgegner Staat nie verzeihen, dass er einen restlos liberalisierten Wirtschaftszweig (den Finanzsektor) vor dem Untergang gerettet und der Welt den parareligiösen Glauben geraubt hat, der Markt richte ALLES zu unserem Besten ein. Die Wahrheit ist: Keine noch so übel staatswirtschaftende Sozialdemokratie hat unsere Volkswirtschaften je in so kurzer Zeit so dramatisch in die Verschuldungsfalle getrieben wie eine kleine Clique deregulierter Bankster. Dass Teile der FDP sich nach der Metamorphose der Banken- zur Eurokrise wieder auf ihre ordnungspolitischen Grundsätze besannen, hat der Partei sehr zu Recht nicht geholfen: Ihre Invektiven gegen schlecht wirtschaftende Euro-Länder (und deutsche Politiker in Aufsichtsräten deutscher Banken) sind selten dämlich, solange nicht mindestens genauso laut gesagt wird: Die Politik schützt nicht nur sich selbst, sondern auch und vor allem die Gläubiger, die Banken, ihre Kunden, ihre Aktionäre – den internationalen Geldadel. Dass die FDP heute als ordnungspolitischer Heiler einer Krankheit auftritt, die sie als Deregulierungspartei in die Welt gebracht hat, ist und bleibt daher unglaubwürdig: Es geht in den nächsten Jahren nicht in erster Linie darum, die Freiheit der Finanzmärkte zu erhalten, sondern die Freiheit des Staates zu erhalten, die Finanzmärkte vor sich selbst (und damit uns Steuerzahler) zu schützen.