Tauchsieder
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Die Freiheit nehm' ich mir?

Das Bundesverfassungsgericht respektiert das Selbstbestimmungsrecht künftiger Generationen – und entblößt den halbierten Freiheitsbegriff der Leichtliberalen. Eine Großtat. Mit kleinen Schönheitsfehlern.

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Fangen wir vielleicht mit Hans Jonas an, der vor mehr als vier Jahrzehnten „Das Prinzip Verantwortung“ schrieb, einen  Grundlagentext der globalen Umwelt-Ethik. Die Lektüre ist in Teilen heute noch stimulierender als 99 Prozent des tagesaktuellen Gedankenausstoßes zum Thema, denn Jonas reformulierte den kategorischen Imperativ Immanuel Kants mit Blick auf das postindustrielle Zeitalter: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Der freundliche Rat des Philosophen atmete 1979, trotz aller zeittypischen Apokalypselust, durchaus noch den Geist der Zuversicht: Der Mensch ist kraft Vernunft und Einsicht fähig, seine Lebensgrundlagen zu sichern.

Mit dieser Zuversicht ist es seit heute bekanntlich vorbei. „Ich will, dass ihr in Panik geratet“, drohte die schwedische Aktivistin Greta Thunberg 2019 beim Weltwirtschaftsforum in Davos, „dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“ Und das Europäische Parlament ließ sich in Panik versetzen, rief wenig später den „Klimanotstand“ aus – auch wenn der Begriff seinerseits dazu angetan ist, liberale Gesellschaften in Panik zu versetzen: „Klimanotstand“ hieße, dem Diktat des Ökologischen alles andere unterzuordnen, auch das Menschlich-Allzumenschliche. „Klimanotstand“ hieße, beim Wort genommen, alle Mittel zu missachten zur Erreichung eines höchsten Zwecks: Utilitarismus 2.0 – weil Kants Freiheit-aus-Vernunft-Mensch versagt hat.

So gesehen, bringt das Bundesverfassungsgericht die Klimaschutzdebatte mit seiner Entscheidung vom Donnerstag wieder auf den philosophischen Sachstand von 1979, nicht mehr und nicht weniger. Die Richter erkennen an, dass das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung Hans Jonas“ kategorischen Imperativ adressiert, ihm aber nicht genügt: An aufklärerischer Vernunft mangelt es nicht, wohl aber am verbindlichen Willen zur politischen Umsetzung der Einsichten.

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Das Gericht dekretiert: „Klimaschutz genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen.“ Und es konzediert außerdem, dass die Regierenden ihrer Schutzpflicht gemäß Artikel 2 GG („Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“) im Hinblick auf kommende Generationen grundsätzlich genügen (keine Panik also!). Aber es kann nicht erkennen, dass die Regierenden mit dem „Klimaschutzgesetz“ den Versuch unternommen hätten, den Freiheitsspielräumen der Menschen in den Jahrzehnten nach 2030 den gleichen Wert beizumessen wie den Freiheitsspielräumen der Menschen heute. Die Richter verpflichten den Gesetzgeber deshalb, „die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030“ zu konkretisieren. Es gelte ein „hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit“ festzuschreiben, mit ausdifferenzierten „Jahresemissionsmengen und Reduktionsmaßgaben“. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) versprach umgehend, „jetzt sehr schnell“ einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der „noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann“.

Haken wir zügig die parteipolitische Dimension des Richterspruchs ab. Das Urteil ist Wasser auf die Mühlen der Grünen und ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die sich, schon ganz Staatsfrau, jeder Triumphgeste enthielt. Und die Union ist einmal mehr peinlich markiert als Antifortschrittspartei – als politische Organisation, die sich beharrlich weigert, auf der Höhe einer klimapolitischen Zukunft zu sein, die zunehmend wirkmächtig in die politische Gegenwart hinein ragt. Geschenkt. Viel wichtiger: Das Urteil ist mit Blick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine kleine Rechtssensation – und mit Blick auf den Freiheitsbegriff eine große Schmach für alle Leichtliberalen:

  1. Die Richter bestätigen nicht nur den Verfassungsrang des Klimaschutzes, so wie er seit 25 Jahren in Artikel 20a GG festgehalten ist („Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen…“), sondern sie leiten aus der Einsicht in die „Unumkehrbarkeit“ des Klimawandels auch konkrete  Handlungsverpflichtungen für die Politik ab. Die empirischen Belege der „Scientists for future“ sind seit Donnerstag rechtlich bindend für den Gesetzgeber. 
  2. Aber auch die (künftigen) Freiheitsrechte der „Fridays-for-future“-Aktivistinnen sind jetzt rechtlich bindend: Das Gericht rügt die „eingriffsähnliche Vorwirkung“ einer Politik, die aus Rücksicht auf die Freiheitsrechte der Menschen heute riskiert, dass der „CO2-relevante Freiheitsgebrauch“ der nächsten Generation „immer stärkeren, auch verfassungsrechtlich gebotenen Restriktionen ausgesetzt sein“ wird. Ins Umgangssprachliche übersetzt heißt das: Die Freiheit eines Deutschen anno 2021, rund um die Welt zu fliegen und einen SUV zu fahren, muss vom Gesetzgeber klimapolitisch und grundrechtlich abgewogen werden gegen die potenzielle Unfreiheit eines Deutschen anno 2050, der eben dazu nicht mehr in der Lage sein könnte – sei es, weil der Klimawandel selbst ihm dazu keine Gelegenheit mehr böte oder aber weil ihm das Verfassungsrecht, indem es einem (verschärften) Klimawandel rechtlich Rechnung tragen müsse, das Fliegen und SUV-Fahren verböte.  

Das ist der Kern des Urteils der Verfassungsrichter. Es ist kein „Sieg“ für zivilisationskritische Wachstumsbremser, wohl aber eine „Niederlage“ für libertäre Liberallalas. Denn die Richter haben mit ihrer Entscheidung paradoxerweise nichts (vor-)entschieden, allein das Spielfeld für Aushandlungsprozesse zwischen Gegenwart und Zukunft, Alten und Jungen, Freiheit und Verantwortung überhaupt erst eröffnet – ein Spielfeld, das schrumpfliberale Tempo-210-Freunde sich bisher weigern zu betreten, weil sie bevorzugen, auf den billigen Rängen der Politik ihre denunziatorischen Sprechchöre („Verbotspolitik“, „Bevormundung“) abzusingen.

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Damit ist es nun vorbei. Denn die Richter verpflichten die Politik, den rechtlichen Grundstein für das zu legen, was man in Anlehnung an einen Begriff aus den Wirtschaftswissenschaften die „intergenerationelle Internalisierung externer Kosten“ nennen könnte, also für einen Ordnungsrahmen, der einen Teil der sozialökonomischen Kosten des Klimawandels dem Kollektiv der (heutigen) Verursacher zurechnet, damit sie nicht mehr (ausschließlich) künftigen Generationen aufgebürdet werden. Das ist ein Meilenstein. Und er ist vor allem deshalb zu begrüßen, weil er die politische Konkretisierung philosophischer und moralischer Grundsatzfragen erzwingt – letztlich ein Update unseres (besitz-)bürgerlichen Eigentums- und Freiheitsverständnisses, das unser Denken und Handeln seit den politischen und ökonomischen Revolutionen des 19. Jahrhunderts prägt. Der klassische Eigentumsbegriff steht dabei genauso in Frage wie das Konzept einer „negativen“ Freiheit, also einer individuellen Freiheit, die unbestimmt ist und ihren Träger (den Menschen) zu nichts verpflichtet.

Welche Freiheiten schaden, welche wollen wir dennoch dulden?

Zur Erinnerung: Der Eigentumsbegriff der Liberalen geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Er ist damals, verstanden als Produkt persönlicher Anstrengung und finanzielle Ressource, mit emanzipatorischen und demokratischen Energien aufgeladen, denn im Gegensatz zum parasitären Adel, der vom jährlichen Ertrag seiner Ländereien zehrt, entsteht das bürgerliche Eigentum aus Arbeit und Eigenleistung – eine Entwicklung von epochaler Bedeutung, für die Kommunisten und Sozialisten bis heute blind sind. Aber natürlich ist die bürgerliche Marktgesellschaft im Zuge ihrer Formierung auch  an der Sicherung ihrer Besitzstände interessiert.

John Locke schreibt 1690: „Obwohl die Erde... allen Menschen gemeinsam gehört, so hat doch jeder Mensch ein Eigentum an seiner Person. Auf diese hat niemand ein Recht als nur er allein. Die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände sind... im eigentlichen Sinn sein Eigentum.“ So weit, so emanzipatorisch. Doch dann geht es weiter: „Was immer er also dem Zustand entrückt, den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat“, ist „das unbestreitbare Eigentum des Arbeiters“ und „niemand außer ihm“ hat ein Recht darauf – solange „ebenso gutes den anderen gemeinsam verbleibt“.

Lockes Eigentumsbegriff ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Er erzählt noch nichts von einem lohnabhängigen Proletariat, das kein „Eigentum“ am Ertrag seiner Arbeit haben wird. Er rechtfertigt allein die Erstaneignung, also die persönliche Inbesitznahme – und sagt nichts aus über die Vererbung von Eigentum. Vor allem aber geht Locke – 160 Jahre bevor die „frontier„ in der Neuen Welt den Mississippi erreicht – noch von unbegrenzten Ressourcen aus, von Ländereien, die im Überfluss vorhanden sind und nur darauf warten, vom Menschen untertan gemacht zu werden: Was immer der Mensch damals in sein Eigentum überführt – den anderen verbleibt noch genug. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Und der Wirtschaftsliberalismus hat lange Zeit nicht mal ansatzweise durchblicken lassen, dass er auf die Frage der Nutzung von endlichen oder gefährdeten Gemeingütern (Wald, Wasser, Öl, Klima) eine Antwort weiß. Erst seit auch Asien lautstark Besitzansprüche anmeldet, beherzt auf Rohstoffe zugreift und Kohlendioxid emittiert, reift rund um den Globus die Einsicht, die Erde selbst sei der „Menschheit“ Eigentum – und damit auch auch derer, die sie von der Gegenwartsgeneration erben. 

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Segensreiche Folgen hat das womöglich auch für den Freiheitsbegriff der Liberalen. Seine klassische Definition stammt bekanntlich von John Stuart Mill (1859) und „lautet: dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit... sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumengen befugt ist, der ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gemeinschaft rechtmäßig ausüben darf, der ist: die Schädigung anderer zu verhüten“. Mill ging es damals darum, jeder noch so wohlmeinenden  Fürsorge einer Regierung möglichst enge Grenzen zu setzen. Er fürchtete um die Freiheitsfähigkeit mündiger Bürger im Schoße eines Nanny-Staates und den Verlust ihrer Tugendhaftigkeit, weil er bezweifelte, „dass mit kleinen Menschen... große Dinge vollbracht werden können“.

Eben deshalb ist Mills Freiheitsbegriff aber auch eng verknüpft mit dem Prinzip der Selbstverantwortung, der Inbesitznahme seiner persönlichen Freiheit: Mills Freiheit hat eine qualitative Dimension und kann im Anschluss an Charles Taylor als „Praxis steuernder Kontrolle über das eigene Leben“ verstanden werden: Sie ist nicht einfach vorhanden und gleichsam frei verfügbar, sondern eine „Fähigkeit, die wir zu verwirklichen haben“. Sie besteht eben nicht in der Abwesenheit äußerer Hindernisse, sondern darin, dass wir bestimmten Zielen, auf die hin sie ausgerichtet ist, eine größere Bedeutung beimessen als anderen.



Natürlich, die „Schädigung anderer“, die nach Mill die Grenze der Freiheit bezeichnet, kann von Aktivisten heute mühelos und aus jedem noch so geringfügigen Anlass nachgewiesen werden: Der Verzehr einer Avocado geht eben nicht mehr nur auf Kosten der Lebensqualität eines Plantagenarbeiters in Peru, sondern schädigt womöglich auch die Lebensgrundlagen unserer nichtgeborenen Enkel. Die anspruchsvolle Aufgabe des Liberalismus bestünde nun darin, eine qualitative Bestimmung vorzunehmen: Welche Freiheiten schaden, welche wollen wir dennoch dulden – und welche sollen unantastbar sein? Genau dazu ruft das Bundesverfassungsgericht auf – nicht nur die Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt: Wir sollen uns über den Unterschied informieren, den es für uns und unsere Nachfahren macht, etwa einen 15-Liter-SUV, einen Drei-Liter-Polo oder ein E-Auto zu fahren. Einerseits. Andererseits geht es immer auch auch darum, die Freiheit derer zu schützen, die nicht immer nur Kürbis vom Bio-Bauern nebenan essen wollen, sondern auch mal eine Flugananas – und sei diese Wahl noch so vernunftfrei. Man kann und muss das Urteil der Verfassungsrichter auch so lesen, dass es künftigen Generationen die vernunftferne Freiheit zur Flugananas erhalten will. Denn dabei bleibt es: Jede Einschränkung der individuellen Freiheit (heute) muss gut begründet werden. Und nicht jede Freiheit, die man sich dennoch nimmt, darf mit dem Hinweis auf einen „Klimanotstand“ unter Verdacht gestellt werden, andere zu schädigen.

Aber zur Sicherung der Freiheit und Marktwirtschaft in der Moderne gehört heute eben auch ein Eigentumsbegriff, der auf Erhaltung statt Expansion, auf Sicherung statt Säumigkeit und auf Verantwortung statt Vergeudung setzt, sprich: eine Ordnungspolitik, die uns befähigt, unsere Freiheit dauerhaft, sinnvoll und generationenübergreifend ausüben zu können. Daher sind vom Karlsruher Urteil übrigens auch Themen wie Geldexpansion und Schuldenbewirtschaftung, Bildungsgerechtigkeit und Pensionsansprüche erfasst: Die Richter rufen die Politik auch ganz allgemein dazu auf, nicht mehr durch Tatenlosigkeit „Systemrisiken“ zu erzeugen, die politische „Alternativlosigkeiten“ zur Folge haben – und unseren Nachkommen die Freiheit zu erhalten, sie wahrnehmen zu können.

Es braucht eine Zukunft, die sich bewirtschaften lässt

Ein fortschrittsoptimistischer Aufklärer wie Immanuel Kant mochte vor 200 Jahren den Maßstab eines pflichtbewussten und verantwortungsvollen Handelns noch im Menschen selbst finden: in einem Menschen, der der Natur entwachsen war und sich über sie erhoben hatte, der ihre kleinsten und größten Geheimnisse entschlüsselte und sie sich mit seinen Werkzeugen untertan machte – kurz: der die Natur kulturell, naturwissenschaftlich und ökonomisch im Griff hatte. Hans Jonas hingegen, Zeuge der vielen Verwundungen, die das „fossile Zeitalter“ der Natur geschlagen hatte, pochte auf ihre Würde – und erhob Anklage gegen ein anthropozentrisches Vernunftdenken, das die Natur zum kostenlosen Produktivfaktor degradiert hatte. Es ging ihm schon 1979 darum, „den Horizont unserer Möglichkeiten offenzuhalten“ – und er riet damals, wie Greta Thunberg heute, davon ab, Optimismus zu verbreiten: Der „Unheilsprophezeiung“ sei mehr Gehör zu verschaffen als der „Heilsprophezeiung“, weil das Mögliche – die Selbstvernichtung des Menschen – zunehmend wahrscheinlich werde, nicht zunehmend unwahrscheinlich.

Man muss Hans Jonas und dem Bundesverfassungsgericht in diesem Punkt nicht folgen – nicht dem kleinteiligen Durchregulierungsaufruf der Richter („Jahresemissionsmengen und Reduktionsmaßgaben“) und schon gar nicht Jonas“ Idee einer sanften Öko-Diktatur, in der die Menschen, wenn nötig auch im Wege des Zwanges, Konsumverzicht üben müssen. Aber dass technologischer Fortschritt, will er gelingen, seine Nebenfolgen immer mitbedenkt; dass individuelle Freiheit in Unfreiheit umschlägt, wenn sie ihre Abhängigkeit von einer intakten Natur leugnet, dass wir die Natur philosophisch als Subjekt (nicht als Objekt) begreifen und ökonomisch als Knappheit mit Preisschild (nicht als umsonst ausbeutbare Ressource) – das sind Gedanken, die von zentraler Bedeutung sind, wollen wir das Klimaproblem lösen.

Das Gericht hat die Politik dazu aufgerufen, diese Gedanken gesetzgeberisch zu konkretisieren für die Zeit nach 2030 – aber was heißt das? „Angesichts der technischen und ökologischen Dynamik kann das kein detaillierter Fahrplan sein, sondern ein Mix verbindlicher Ziele und flexibler Instrumente“, schreibt Ralf Fücks, der Geschäftsführer des Zentrums Liberale Moderne. Recht hat er. Denn zur Lösung der Klimafrage, das kommt zu kurz im Urteil der Richter, braucht es nicht lähmende Welthöllenangst, sondern zupackende Zuversicht, kein schlechtes Gewissen, sondern gutes Geld, keine gefühlige Kapitalismuskritik, sondern die Investitions- und Innovationslust aufbruchsoffensiver Unternehmer. 

Kurz: Es braucht eine Zukunft, die sich bewirtschaften lässt. Diese Zukunft hat sich seit den Siebzigerjahren „von einem Gegenstand der Erwartung und Hoffnung zu einem Gegenstand der Sorge und damit zugleich auch der Vorsorge“ verwandelt, so die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann im Sinne von Hans Jonas. Diese Zukunft wurde auch damals schon schwarz gemalt, aber das Schwarz offenbarte sich uns noch nicht als gewisses Schicksal, sondern als Mahnung: „Sorge dich – und lebe, damit es wieder hell wird!“ Das ist heute anders.

Heute blickt alle Zukunft von einem datengesicherten Übermorgen aus zurück ins Heute – und degradiert die Gegenwart zum unruhigen Ort ultimativer Herausforderungen: „Du sorgst Dich nicht – das ist Dein Untergang!“ Das ist problematisch. Denn wenn die Zukunft uns nur noch als empirisch gesicherter Ausgangspunkt für künftige Katastrophenszenarien begegnet, als mathematisch berechnete Gefahr, auf die umgehend zu antworten ist – dann diktiert diese Zukunft die Gegenwart und setzt die Politik herab zur angewandten Zukunftsforschung. Wenn aber die Zukunft nur noch das ist, was die Menschen in einer je gegebenen Gegenwart glauben tun zu müssen, um sie zu verhindern oder zu realisieren, verliert sie ihren Sinnhorizont als Handlungsfeld des Menschenmöglichen und Menschengemäßen. Dann kolonialisiert sie unsere Gegenwart als Gewissheit, die keine Zukunft mehr kennt.

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Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski hat dieses Szenario bereits zu Ende gedacht und eine „KI als Antwort auf die Klimakrise“ imaginiert, die dem Menschen ein Handeln diktiert, zu dem ihm nicht die Einsicht und der Umsetzungswille, wohl aber die Kraft fehlt: Der Mensch delegiert seine Freiheit an Maschinen, um sich seine natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten? Schwärzer kann auch der Klimatod nicht sein.

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