
Joseph Schumpeter war fraglos der größte Ökonom des 20. Jahrhunderts. Dafür gibt es vor allem drei Gründe: Erstens hat Schumpeter die Gleichgewichts- und Marktharmonie-Idee von Adam Smith überwunden. Zweitens hat er nicht in Modellen, sondern in Prozessen gedacht. Drittens hat er den drei klassischen Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital) einen vierten hinzugefügt: das Unternehmertum.
Bekanntlich hat Schumpeter seine drei Revolutionen auf den hübschen Begriff der „kreativen Zerstörung“ gebracht. Er war überzeugt von der unerschöpflichen Energie der „kapitalistischen Maschine“, vom ewigen Sturm des ökonomischen Wandels. Er hielt die moderne Wirtschaftsordnung für eine Entwicklung ohne Endpunkt, für einen Fortschritt ohne Ziel, ständig in Bewegung dank revolutionärer Erfindungen und ruckartiger Innovationsschübe.
Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 13 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-5 %
Produktivitätssteigerungen: 7-11 %
Zahl der Arbeitsplätze: 95.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,9 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 22 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 6-9 %
Zahl der Arbeitsplätze: 50.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,2 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 10 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 5-10 %
Zahl der Arbeitsplätze: 15.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,8 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 55 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 1-2 %
Produktivitätssteigerungen: 4-7 %
Zahl der Arbeitsplätze: 230.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,6 %
Quelle: Boston Consulting Group
Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 2 Billiarden Euro
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 20-40 Milliarden Euro
Produktivitätssteigerungen: 90-150 Milliarden Euro
Quelle: Boston Consulting Group
Der Kapitalismus, so Schumpeters Credo, katapultiert uns in eine Art dauernde Zukunft, weshalb der Unternehmer sein tragischer Held sei, ein kreativer Dynamiker, der immer das Neue ins Offene denken müsse, um bereit zu sein für das Ungewisse. Ein Unternehmer, so Schumpeter, habe täglich aufs Neue eine Situation zu meistern, „die sich bestimmt sofort wieder ändern wird“. Er sei dazu verdammt, „sich auf einem Boden, der unter seinen Füßen weggleitet, aufrecht zu halten“.
80 Jahre später, mit Blick auf den digitalen Kapitalismus, ist Schumpeters Analyse zutreffender denn je und unvollständig zugleich. Einerseits ist die Anforderung an Unternehmer, Manager und Entrepreneure, sich auf rutschenden Hängen im Gleichgewicht zu halten, seit der Heraufkunft dessen, was mit „digitaler Kapitalismus“, „smarte Fabrik“ und „Industrie 4.0“ nur unzureichend beschrieben ist, noch einmal gewachsen: Die Umlaufgeschwindigkeit von Geld, Wissen, Information und Ideen ist im Rechenleistungs- und Netzzeitalter so groß, dass gestern noch erfolgreiche Weltunternehmen (AOL, Yahoo, Ericsson, Nokia) sich dank einer falschen Grundsatzentscheidung heute schon in Existenznöten befinden können.
Andererseits hat sich eben dadurch ein Trend beschleunigt, der bereits seit den 1960er Jahren vom Ende des fordistisch geprägten Industriezeitalters kündet: Auch Arbeiter und Arbeitnehmer sind heute in Schumpeters Sinne tragische Helden des Kapitalismus, das heißt: nicht mehr eingesperrt wie ehedem im „stahlharten Gehäuse“ der Geldverwertungszwänge (Max Weber), sondern zu sich selbst befreite Arbeitskraftunternehmer, die in einem Klima des dauernden Umbruchs ständig aktualisierte Fertigkeiten und aufgefrischte Kreativitäts-Kompetenzen zu Markte tragen müssen (Luc Boltanski, Ulrich Bröckling).