Tauchsieder

Ausblick auf die Landtagswahlen im März

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Läuft Kretschmann der CDU den Rang ab?

Und Baden-Württemberg? Vielleicht der interessanteste Fall. Jedenfalls brächte eine „Große Koalition“ aus Union und SPD in Stuttgart derzeit gerade mal 45 Prozent auf die Waage. Hinzu kommt, dass die Baden-Württemberger ihrem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann doppelt so viel Sympathie entgegenbringen wie den Spitzenkandidaten von Union, SPD und FDP zusammen. Aber auch in Stuttgart gilt: Durch den mutmaßlichen Einzug der AfD wird es keine Lagerlösungen (Schwarz-Gelb oder Grün-Rot) geben. Schwarz-Grün also - ohne Kretschmann? Undenkbar. Grün-Schwarz - sicher, damit könnten sie in Baden-Württemberg leben, aber läuft Kretschmann der CDU tatsächlich den Rang ab? Eher unwahrscheinlich.

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von Dieter Schnaas

Das Kuriose an der Situation im März 2016 ist daher drittens, dass sie in gewisser Weise der Situation im Jahre 1976 gleicht. Denn damals wie heute hing das politische Schicksal von der mutmaßlich kleinsten Parlaments-Partei ab: von der FDP. Sie kann auch im März wieder das „Zünglein an der Waage“ sein - wenn sie den Mut dazu aufbringt.

Damit ist selbstverständlich nicht gemeint, dass sie für eine schwarz-rote Koalition den Mehrheitsbeschaffer spielt in Baden-Württemberg - gegen den beliebten Kretschmann. Was sollte die FDP in einer solchen Konstellation gewinnen? Warum sollte sie sich als Stütze einer schwarz-roten Koalition in Berlin hervortun wollen, die inhaltlich leer und politisch schwach ist? Nein, damit ist gemeint, dass die FDP ihre mutmaßlichen Wahlerfolge in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dazu nutzen muss, um über Regierungsbeteiligungen in Ampelkoalitionen zurück ins bundespolitische Machtspiel zu kommen.



Aus Sicht der FDP spricht alles, aber auch wirklich alles dafür: Die Kretschmann-Grünen und auch die SPD in Baden-Württemberg sind so wirtschaftsfreundlich, so bürgerlich, so ideologiefern wie nirgends sonst in Deutschland. Und in Rheinland-Pfalz hat eine mit der SPD liierte FDP eine lange Tradition. Hinzu kommt, dass die FDP in Rheinland-Pfalz nicht als kleinster Partner am Verhandlungstisch sitzen würde, sondern Seit’ an Seit’ mit mutmaßlich halbierten Grünen - keine schlechte Ausgangsposition, um inhaltlich zu punkten.

Darüber hinaus würde die FDP auch ein Ausrufezeichen in Richtung Union setzen: Seht her, wir können auch anders! Vor allem aber wäre eine Ampel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein Befreiungsschlag für liberale Politik: für einen Pragmatismus der Lösungen jenseits von Merkels großkoalitionärer „Alternativlosigkeit“ und jenseits von neurechter Ideologie.

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Schließlich: Nicht mit einem Einzug ins Parlament, wohl aber mit Regierungsbeteiligungen würde die FDP auch von den Medien wieder wahrgenommen als politische Kraft, mit der zu rechnen ist: In der Flüchtlingspolitik etwa hat sie zuletzt Positionen bezogen, die mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätten.

Wird die FDP die Chance nutzen? Christian Lindner und seiner Berliner Mitstreiter würden sie vielleicht nutzen wollen. Aber wollen Lindners Landesfürsten? Vor allem in Baden-Württemberg scheint die FDP dem Lindner-Liberalismus noch nicht gewachsen…

Ein letztes Wort noch zur Großen Koalition. Wenn die Umfragen nicht trügen und die FDP sich ihrer Chance verweigert, wird der 13. März für die SPD zu einem Desaster. In Rheinland-Pfalz wird sie abgewählt. In Baden-Württemberg wird sie Mühe haben, 15 Prozent zu erreichen. In Sachsen-Anhalt wird sie sich nur mit Glück gegenüber der AfD als drittstärkste politische Kraft behaupten.

Für die Union hingegen gilt: Wenn für Angela Merkel alles glatt läuft, gewinnt sie zwei Länder zurück - und die CDU führt in allen dreien die Regierung. Freilich: Wenn die Merkel-CDU daraus den Schluss zöge, sie sei eine Wahlsiegerin, wäre das am 13. März ganz sicher die größte Niederlage für Deutschland. Denn ein „Weiter so“ - das wird es nicht mehr geben. Die Zeit der großen Koalitionen, die einen „Konsens“ der politischen Mitte in Deutschland repräsentieren, ist vorbei. Die Oppositionen sind zu groß, als dass sich sich mit dem Hinweis auf eine „alternativlose“ Politik in den nächsten Jahren erledigen ließen. Deutschland hat am 13. März wieder die Wahl - und danach erst recht. Spannende Zeiten.

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