Erst als vor wenigen Wochen die Firma "Uber" von sich reden machte, meldeten sich die Marktheiligen zu Wort - und das Online-Portal, das Fahrgästen Mietwagen mit Fahrer sowie private Mitfahrgelegenheiten vermittelt, avancierte flugs zum Symbol einer Befreiungsbewegung: Vulgärliberale aller Länder, vereinigt Euch! Denn es geht wider die Zünfte und die Gewerkschaften, die Krake Staat und die Bürokratie!
Da kommen ein paar kregle junge Menschen mit einer guten Idee daher, wollen ihren Kunden den Anblick von ungewaschenen Soziologen ersparen, die mürrisch hinterm Steuer überteuerter Taxis sitzen - und was passiert: Der Staat wehrt sich gegen die neue Konkurrenz, schützt die Torfnasen mit ihren Lizenzen und Beförderungsscheinen und lässt dem freien Unternehmertum mal wieder keine Chance... Stand der Dinge: Uber wurde in einigen deutschen Städten gerichtlich verboten - und bietet weiter seine Dienste an.
Nun kann man trefflich über das Für und Wider des deutschen Taxiwesens und der Firma "Uber" diskutieren - wenn man wollte. Allein, worum es den eifrigsten Befürwortern von Uber geht, ist kein Austausch von Argumenten, sondern blankes Ressentiment. Ansonsten würde man sich nicht blindlings die Logik der Linksbewegten zu eigen machen, die sich längst als irrig erwiesen hat. Würde nicht das naiv hochgestimmte Lied von der Kundensouveränität und der selbstbestimmten Vernetzung im gewerkschaftsfreien Netz singen, sondern nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass hinter Uber Investoren wie Benchmark Capital, Goldman Sachs und Google Ventures, kurz: Profitinteressen von reichen Privatinvestoren und Datenkonzernen stecken.
Warum Uber so umstritten ist
Uber startete vor rund vier Jahren in San Francisco als Alternative zu Taxis, die in der kalifornischen Metropole notorisch schwer zu kriegen sind. Anfangs ging es nur darum, für etwas mehr Geld einen Chauffeur-Service mit Oberklasse-Wagen anzubieten. Inzwischen nutzt Uber seine Vermittlungsplattform auch für Dienste, bei denen Privatleute Fahrgäste mit ihren eigenen Autos mitnehmen können. Vor allem um solche Angebote entzünden sich die Streitigkeiten mit Taxi-Gewerbe und Behörden in verschiedenen Ländern.
Es ist eine Smartphone-App, wie man sie auch von den Taxi-Anwendungen kennt. Der Abholort wird automatisch ermittelt, der Kunde sieht die Uber-Fahzeuge in der Nähe. Der Fahrweg wird mit Hilfe von GPS berechnet, die Wagen kommen daher ohne Taxameter aus. Der Bezahlvorgang entfällt: Es wird einfach die bei Uber hinterlegte Kreditkarte belastet.
Das Taxi-Geschäft überall ist vielen Regeln unterworfen. Es gibt Vorschriften für die technische Kontrolle der Fahrzeuge, die Überprüfung des Gesundheitszustands der Fahrer, spezielle Versicherungen und die Beförderungspflicht. Außerdem wird die Größe des Marktes über die Vergabe von Konzessionen eingeschränkt. So kann eine Taxi-Lizenz in New York mehr als eine Million Dollar kosten. Uber platzt mit seinen Dienstes in dieses über Jahrzehnte gewachsene Geflecht von Regeln und wirtschaftlichen Interessen.
Beim ursprünglichen Chaufferdienst UberBLACK waren die Argumente vor allem der Komfort einer Smartphone-App, ein schickes Auto und die automatische Abrechnung. Bei den Mitfahrdiensten in Privatautos ist Uber aber auch günstiger als herkömmliche Taxis. So kostet der Service UberPOP in Hamburg einen Euro pro Kilometer bzw. 25 Cent pro Minute. Laut Hamburger Taxentarif zahlt man dagegen jeweils 2,20 Euro für die ersten vier Kilometer, je 1,90 für die nächsten fünf Kilometer und 1,40 ab dem 10. Kilometer.
Behörden und auch Landesregierungen sehen den Dienst skeptisch. In Berlin und Hamburg erließen die Behörden Unterlassungsverfügung gegen Uber. Gerichte erlaubtem dem Fahrdienst aber vorläufig die Weiterfahrt. In NRW erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums zu Uber: "Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich bei den Fahrten um genehmigungspflichtige Personenbeförderungen." Über eine solche Genehmigung verfügen die Uber-Fahrer aber offenbar nicht. Das Verkehrsministerium warnt deshalb vor hohen Bußgeldern.
Auch das ach' so coole Unternehmen "Airbnb", eine Plattform für die private Vermietung von Wohnungen, taugt nicht zur Verheißung eines Zeitalters altruistisch vernetzter Privatkapitalisten mit Spaß am Tausch und am Teilen, die endlich dem schlechten Service-Personal in Hotels entkommen wollen und sich lieber einen Finger von der Hand abtrennen als der Putzkolonne einen Euro aufs Kopfkissen legen. Vielmehr ist es so, dass es sich bei "Airbnb" um einen protokapitalistischen Netzkonzern handelt, der bereits rund 800 Millionen Dollar an Investorengeldern eingesammelt hat, um Konkurrenten aufzukaufen und das Geschäft mit der Wohnungsvermittlung zu monopolisieren - ein Geschäft im Übrigen, das zu 70 Prozent von Profi-Vermietern, nicht von Privatanbietern bestritten wird.
Es lohnt sich daher, nicht mit romantisch verklärtem, sondern mit soziologisch kaltem Blick auf den Plattform-Kapitalismus der Zukunft zu schauen - und sich den Sinn dafür zu erhalten, dass "Share-Economy" eine euphemistische Bezeichnung für etwas ist, was auf einen sukzessiven Machtzuwachs der intermediären Ebene hinausläuft.
Der Vermittler eines Geschäfts zwischen zwei Privatleuten kann beim Kunden mit der Ausschaltung von Transaktionskosten (Steuern und Abgaben) punkten, dafür einen satte Provisionsgebühr erheben und sich selbst bereichern - und alle drei Parteien zusammen - der Käufer einer Dienstleistung, der Verkäufer und der Vermittler - berauben den Staat, sich gleichsam wechselseitig gratulierend, seiner Kontroll- und Einnahmemöglichkeiten. Das aber heißt nichts anderes -und so viel ist sicher: Die Macht aller öffentlicher Institutionen, Kollektivvertretungen und Interessenverbände - des Steuerstaates, der Gewerkschaften, der Industrieverbände - wird erodieren.
Zweitens dürfte feststehen, dass es sich bei der "Share-Economy" um eine evolutorische Weiterentwicklung des digitalen Konzernkapitalismus handeln wird. Was drittens die offenen Frage aufwirft, wer am Ende zu ihren Gewinnern zählen wird: Der Plattformbetreiber allein - oder auch jene, die sich auf seinen Plattformen tummeln?