Tauchsieder

Was ist Populismus?

Ist Donald Trump ein Demagoge? Agitiert Frauke Petry noch oder hetzt sie schon? Der Politologe Jan-Werner Müller gibt Antworten - und warnt vor einer Politik als „Gruppentherapie“.

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Populismus: Frauke Petry und Donald Trump Quelle: rtr, Montage

Was ist Populismus? Gute Frage. Denn vor allem ist „Populismus“ das Paradebeispiel für einen Begriff, den fast jeder im Munde führt, ohne zu wissen, was er eigentlich bedeutet. Ausgerechnet Politiker und Journalisten zeigen wenig Scheu, erfolgreiche Teilnehmer am öffentlichen Diskurs ohne Angabe von Gründen des „Populismus“ zu zeihen.

In Deutschland und Europa zirkuliert der Begriff seit einem Jahr beinahe ausschließlich in der Variante des „Rechtspopulismus“. Fernsehzuschauer wissen: Moderatoren und Abgeordneten des deutschen Bundestags kommt er immer dann in den Sinn, wenn sie sich in ihren routinierten Wortbeiträgen dem Akronym „AfD“ nähern. Für gewöhnlich nimmt die Stimme des Diskutanten dann einen besorgten Ton an, die Stirn zieht sich kraus - und schon ist der Begriff wieder abgefeuert: „die rechtspopulistische AfD…“

Grammatikalisch betrachtet haben wir es hier mit der Harmlosigkeit eines flektierten, weil attributiv verwendeten Adjektivs zu tun. Es soll uns darüber Auskunft geben, wie die AfD ist, nämlich „rechtspopulistisch“. Politisch betrachtet allerdings haben wir es eben deshalb mit einer Ex-Ante-Denunziation zu tun, weil der AfD eine Eigenschaft zugeordnet wird, deren Wahrheitsgehalt nicht indiskutabel ist. Anders als im Falle des „grünen Rasens“ oder „blauen Himmels“ braucht es nämlich für die Aussage „rechtspopulistische AfD“, um sie treffen zu können, immer wieder ausreichend diskutierte (und weithin geteilte) Gründe und Belege.

Man stelle sich vor, morgen kämen Moderatoren und Abgeordnete auf die Idee, immer dann die Stirn kraus zu ziehen und ihrer Stimme einen besorgten Ton zu verleihen, wenn sie routiniert auf „die sozialromantische SPD“ zu sprechen kommen, auf „die ewiggestrige Union“ oder auch „die kommunistische Linke“. Die FDP weiß sehr genau, was es heißt, solchermaßen etikettiert und abgestempelt zu werden: Das Attribut „neoliberal“ klebte vor drei, vier Jahren an ihr wie heute das Attribut „rechtspopulistisch“ an der AfD.

Wir sehen: Die Popularität des „Populismus“ hat vor allem drei Gründe. Erstens: Seine schillernde, impressionistische Unschärfe macht den Begriff überhaupt erst breitenwirksam, common-sense-fähig, talkshow-tauglich. Zweitens kursiert „Populismus“ hierzulande beinah’ ausschließlich als Pejorativ: Er wertet das mit ihm Bezeichnete ab; wer seinen politischen Gegner erfolgreich als „Populist“ markiert, hat ihn beinahe schon ausgeschaltet.

Drittens grenzt sich, wer andere zu „Populisten“ stempelt, sich selbst aus dem Kreis der Populisten aus, um seine eigene (überlegene, sachbezogene) Ernsthaftigkeit zu unterstreichen. Anders gesagt: Der Vorwurf des Populismus kann gerechtfertigt sein oder nicht, er kann der moralischen Selbsterhebung dienen, durchaus aber auch selbst populistisch sein, wie der Soziologe Ralf Dahrendorf einmal angemerkt hat. Noch einmal also: Was ist Populismus?

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